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Happy Birthday, Unterallgäu!

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Von: Melanie Springer-Restle

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Unterallgäu - 50 Jahre ist es nun her, dass der Landkreis Unterallgäu, wie wir ihn heute kennen, im Rahmen der Kreisgebietsreform zusammengeführt wurde. Jetzt feiert er seine Goldene Hochzeit. Während das zusammengewürfelte Stück Land anfangs mit seiner arrangierten Ehe zu kämpfen hatte, kann man heute ohne Zweifel von einer glücklichen und fruchtbaren Partnerschaft sprechen. Dies bestätigten auch sämtliche Redner des gestrigen Festaktes im Mindelheimer Forum.

Klaus Holetschek, Bayerischer Staatsminister für Gesundheit und Pflege, trägt sich ins Gästebuch des Landkreises Unterallgäu ein.
1 / 6Klaus Holetschek, Festredner des Festaktes und Bayerischer Staatsminister für Gesundheit und Pflege, trägt sich ins Gästebuch des Landkreises Unterallgäu ein. © Springer-Restle
Die Kapelle des Landkreises, Landrat´s Amt´s Musik, umrahmte den Festakt musikalisch.
2 / 6Die Kapelle des Landkreises, Landrat´s Amt´s Musik, umrahmte den Festakt musikalisch. © Springer-Restle
(v. links) Moderatorin Sandra Baumberger Helmut Koch (Kreisrat a.D.), Doris Kienle (Kreisrätin a.D.), Hans-Joachim Weirather (Landrat a.D.) und Dr. Stephan Winter (stellv. Landrat und Erster Bürgermeister Mindelheims)
3 / 6In einer Talkrunde befragte (v. links) Moderatorin Sandra Baumberger Helmut Koch (Kreisrat a.D.), Doris Kienle (Kreisrätin a.D.), Hans-Joachim Weirather (Landrat a.D.) und Dr. Stephan Winter (stellv. Landrat und Erster Bürgermeister Mindelheims) zu ihren Erinnerungen zu erinnerungswürdigen Ereignissen und Meilensteinen für den Landkreis. © Springer-Restle
Einen besonderen Rückblick auf den Landkreis trug Alfons Biber, Kreisrat a.D. und Altbürgermeister Breitenbrunns, in einem selbstgeschriebenen Mundart-Gedicht vor.
4 / 6Einen besonderen Rückblick auf den Landkreis trug Alfons Biber, Kreisrat a.D. und Altbürgermeister Breitenbrunns, in einem selbstgeschriebenen Mundart-Gedicht vor. © Springer-Restle
Die Partnerlandkreise Nordhausen (Thüringen) und 
Gostyń (Polen) haben sich ein außergewöhnliches Geburtstagsgeschenk einfallen lassen, das die jeweiligen Landräte  Matthias Jendricke (Nordhausen) und  Andrzej Pospieszyński (Gostyń) überreichten: eigens angefertigte Jubiläumsbriefmarken zur bestehenden Partnerschaft.
5 / 6Die Partnerlandkreise Nordhausen (Thüringen) und Gostyń (Polen) haben sich ein außergewöhnliches Geburtstagsgeschenk einfallen lassen, das die jeweiligen Landräte Matthias Jendricke (Nordhausen) und Andrzej Pospieszyński (Gostyń) überreichten: eigens angefertigte Postkarten mit Motiven aus allen drei Landkreisen. © Springer-Restle
Landrat Eder überreicht Alfons Biber ein Präsent als Dank für seinen in Mundart gedichteten Rückblick.
6 / 6Landrat Eder und Alfons Biber.jpg © Springer-Restle

1972 wurden seinerzeit insgesamt 110 Gemeinden im Rahmen der Kreisgebietsreform aus den damaligen Landkreisen Mindelheim, Memmingen, Illertissen, Kaufbeuren und Krumbach zusammengeführt - nicht nur zur Freude der betroffenen Bürger.

„Die Würfel sind gefallen und wir müssen mit dem neuen Tatsachen fertig werden“, soll der erste Landrat des neuen Landkreises Unterallgäu, Otto Weikmann, damals in seiner pragmatischen Lebenseinstellung gesagt haben, wusste Landrat Alex Eder bei seiner Ansprache zum Festakt. Auch Weikmanns Nachfolger, Hermann Haisch und Hans-Joachim Weirather hätten alles getan, damit die Menschen, die im Unterallgäu leben, Freizeit und Arbeit idealerweise verbinden können, so Eder.

Dass der Landkreis mit seinen nunmehr 52 Gemeinden anfängliche Identitätsprobleme längst ad acta gelegt hat, zeigt nicht nur das landkreiseigene Ensemble „Landrat´s Amt´s Musik“, das den Festakt musikalisch umrahmte. Man kann guten Gewissens sagen: Der Landkreis hat sich zusammengerauft. „50 Jahre später können wir voller Überzeugung sagen, dass aus der einstigen Vernunftehe eine stabile Partnerschaft geworden ist“, so Eder. Daran ändere auch der Kohlberg nichts, der gern als „grüne Grenze“ und Unterteiler des Landkreises in Ost und West gesehen werde. „Für mich gibt es keine Grenze, nur einen Tunnel“, so Landrat Alex Eder.

Eder hatte zu Beginn seiner Eröffnungsrede bedauert, nicht alle Gäste und Ehrengäste namentlich nennen zu können. Nichtsdestotrotz war seine Liste erstaunlich lang. Doch sein besonderer Dank galt den Bürgern, der Vereinsarbeit und dem Ehrenamt, dem Rückgrat des Landkreises. Dieser könne sich Dank der hiesigen Unternehmerkultur auch wirtschaftlich sehen lassen. Mit 7.000 ansässigen Betrieben stellt er für seine rund 150.000 Bewohner insgesamt 73.000 Arbeitsplätze bereit. „Unser Landkreis ist äußerst innovativ“, resümierte Eder.

„Kneipps Heimat“ oder „Sieben-Schwaben-Kreis“ statt „Unterallgäu“?

Festredner war Gesundheitsminister Klaus Holetschek, der den Landkreis als ehemaliger Bürgermeister der Stadt Bad Wörishofen nach den Worten Eders wie seine Westentasche kenne. Holetschek erinnerte an die Anfangszeit, in der viele Bürger und Politiker besorgt auf die Veränderung blickten. Es stellte sich die Frage nach Zugehörigkeit, Identität und Heimat. Dies fing schon bei der Namensfindung des Landkreises an. Wie die Gäste später in der Talkrunde von Moderatorin Sandra Baumberger erfuhren, standen auch Namen wie „Kneipps Heimat“, „Sieben-Schwaben-Kreis“ oder „Vorderallgäu“ zur Diskussion. Holetschek betonte, wie wichtig das Wörtchen „Allgäu“ für den Landkreis sei. Altlandrat Hans-Joachim Weirather pflichtete ihm bei: „In den 50 Jahren mag nicht alles richtig gemacht worden sein, aber die Namensbildung passt.“ Das Allgäu sei, so Holetschek, vielen ein Begriff, stifte Identität und sei auch für den Tourismus von großer Bedeutung.

Die Befürchtung, der Landkreis werde eine bürgerferne Großkommune, habe sich, so der Gesundheitsminister, nicht bewahrheitet. Im Gegenteil, das Unterallgäu stehe für „Einheit und Vielfalt“. Die Zukunft liege nun in der interkommunalen Zusammenarbeit. „Sich unterhaken und gemeinsame Lösungen suchen“, lautet Holetscheks Patentrezept für die Stärkung des Landkreises.

Einen Seitenblick auf das Unterallgäu aus der Sicht eines Zugezogenen präsentierte der Wahl-Unterallgäuer Thomas Reuß aus Unteregg. In seinem „Landkreislied Unterallgäu“, seiner musikalischen Liebeserklärung an den Landkreis, arbeitete er auf charmante Weise und mit einem Augenzwinkern die Eigenheiten der Region heraus und brachte das Publikum zum Lachen. „Kennst Du das Land, in dem die Wäsche von der Leine frisch nach Stall riecht?“, lautet eine Zeile. Das Land, in dem die Wälder ganz aus Fichten sind und die Jungen mit dem Moped schwarz in die Stadt fahren, wo die Feuerwehr den Durst löscht, der Kirchturm noch der Wecker ist und der Pfarrer am besten Indisch spricht. Das Land, in dem der Schulbus die Kinder mitten in der Nacht abholt und an dem die Autobahn vorbeifährt - lauter Bilder von einer heilen Welt.

In einer Talkrunde ließen Hans-Joachim Weirather (Landrat a.D.), Dr. Stephan Winter (stellvertretender Landrat und Erster Bürgermeister Mindelheims), Doris Kienle (Kreisrätin a.D.) und Helmut Koch (Kreisrat a.D.) ihre Erinnerungen an die Anfangszeit des Landkreises Revue passieren.

Der Dienstälteste, Helmut Koch (46 Jahre im Dienst), resümierte: „Die Mindelheimer haben gut profitiert, aber jeder hat ein bisschen was bekommen. Wir in Babenhausen unsere Realschule.“ Auf die Frage nach der wichtigsten Entscheidung für den Landkreis, waren sich die Redner einig, dass der Klinikverbund sowie die Schulen wichtige Meilensteine waren. Dr. Stephan Winter ergänzte die Liste um Aspekte der Mobilität. Die A96 sei entscheidend gewesen für das Zusammenwachsen des Landkreises, die Elektrifizierung für die Anbindung an die Bahnhofzentren. Auch die Erneuerungsbauten für die Realschulen in Babenhausen und Ottobeuren sowie die Verwandlung eines Aushilfsgymnasiums in ein Vollgymnasium in Ottobeuren waren wichtige Momente in der Gestaltung der Schulkultur. „Ein Meisterstück des Kreistages“, so Weirather, war die Entscheidung im Jahr 2011, alle Schulen gleichzeitig zu sanieren.

Auch die turbulente Zeit rund um den gescheiterten Bürgerentscheid zum umstrittenen Grundstückskauf am Allgäu Airport kam zur Sprache. „Das war spannender als der Landratswahlkampf“, erinnerte sich Weirather, der sich sicher ist, dass es strategisch richtig war, sich am Grundstückskauf zu beteiligen.

Große Dankbarkeit signalisierte Weirather ob der Großzügigkeit von Burkhard Grob, dessen Unternehmen seinerzeit zwei Millionen für die Technikerschule auf den Tisch legte. „Ohne Burkhard Grob gäbe es keine Technikerschule“, so der Altlandrat. Weitere zwei Millionen Euro spendete der Unternehmer dann für die Anschaffung eines MRT. „Es ist ein großes Glück, solche wohlwollenden Menschen in den eigenen Reihen zu haben“, resümierte Weirather.

Auf die Frage, was die Redner dem Landkreis für die nächsten 50 Jahre wünschen, antwortete Weirather spontan: „Ich möchte in Fellheim in den Zug nach Memmingen steigen, in Türkheim umsteigen und mit der Staudenbahn weiterfahren. Ferner sollen Bürger und Politker, so Weirather, ihren Eigensinn zurückdrängen und den Gemeinsinn in den Mittelpunkt stellen. Während Helmut Koch sich wünschte, dass der Landkreis seinen bisherigen Kurs auch weiterhin halte, möchte Doris Kienle, dass die Bevölkerung gut von A nach B kommt. Dr. Stephan Winter wünschte sich mehr Mut, Veränderungen durchzuführen.

Kreisrat a.D. und Altbürgermeister Alfons Biber erheiterte das Publikum mit seinem besonderen Rückblick: einem Mundart-Gedicht über die Geschichte des Landkreises. Dabei nahm er Bürger und Politiker gleichermaßen auf die Schippe und sorgte beim Publikum für kollektives Kopfnicken und so manchen Lacher.

Zusammen (ge)wachsen

Ganz im Sinne des Mottos der Goldenen Hochzeit „zusammen (ge)wachsen“, verließen die Zuhörer erheitert und vereint den bestuhlten Part des Forums. Landrat Eder war es ein Anliegen, nach zwei Jahren Coronapause, den Gästen keine „Perlenkette an Grußworten“ zuzumuten, sondern den Fokus auf den inoffiziellen Teil zu legen, wo Austausch und Begegnungen möglich sind. Neben einem kulinarischen Rahmenprogramm und Unterhaltungen konnten die Gäste historische Momente des Landkreises in Bildern betrachten, die an die Wand projiziert wurden, und den Festakt ausklingen lassen.

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