Am darauffolgenden Montag dann kamen die Schüler ins Spiel und waren sofort Feuer und Flamme. Laut Ott wurden Kooperationsgruppen aus älteren und jüngeren Schülern gegründet. An den ersten zwei Tagen waren die Jüngsten an der Reihe, darunter auch der siebenjährige Marlon Wendlandt aus Kirchheim, aus dessen Haarpracht eine blaue Strähne herausstach, die offenbar etwas Acrylfarbe abbekommen hatte. „Ich habe die Fenster vom Rathaus ausgemalt, das Schwimmbad, den Rand an der Kirche und den Schwanz vom Gockel“, berichtet der junge Kirchheimer stolz. Ein Blick auf den blauen Schwanz des Gockels liefert einen sachdienlichen Hinweis, woher die Farbe in Marlons Haar stammen könnte. Marlon hatte einige Kunstwerke von Bergonzoli bereits bei der Ausstellung „Magic Rococo” im Augsburger Schaezler-Palais bewundert und ist ein selbsterklärter Bergonzoli-Fan.
Nun liegt nahe, dass bei 100 gleichzeitig aktiven Schülern ein gewisses Chaos vorprogrammiert ist. Doch das Gegenteil ist der Fall. „Der Maestro strahlt so eine Ruhe aus“, berichtet Ott, der selbst auch gelegentlich den Pinsel betätigte und beobachtete, wie geerdet und glückselig seine Schüler während des Malens waren. „It´s about energy“, entgegnete der Maestro trocken.
Selbst etwas auffälligere Schüler begeisterten sich für das Projekt und blühten in ihrer Selbstwirksamkeit auf. Dies bestätigte auch die Leiterin der offenen Ganztagsbetreuung, so der Direktor.
Während der gesamten Projektwoche lief in der Schulküche ein kulinarisches Parallelprojekt: Es wird vegan gekocht - und zwar aus dem Kochbuch, das Franziska Gräfin Fugger von Babenhausen eigens für den Künstler geschrieben hat. Dieser musste nach einem gesundheitlichen Tiefschlag seine Ernährung umstellen und seit seine Muse nur noch vegan kocht, geht es ihm sichtlich besser.
„Magic Food: Vegan“ ist letztes Jahr im Callwey Verlag erschienen und liefert eine Sammlung an 77 Rezepten für Körper, Geist und Seele. Die Seele der Schulküche, Dorothee Guggemos, war sofort begeistert von der Idee, mal eine Woche lang vegan zu kochen. Die Gerichte kommen auch bei den Schülern gut an und der Maestro konnte mittags immer mit den Kindern essen.
Rund 80 Liter Acrylfarbe wurden für die Wand verbraucht. Zwischendurch musste der Hausmeister, Michael Graf, mal geschwind zu Farben Fink nach Bad Wörishofen, um Nachschub zu kaufen. Es schien, als schweißte die Projektwoche alle zusammen. „Die Kinder erlebten ein wahnsinniges Gemeinschaftsgefühl, durften kreativ sein und können stolz auf ihr eigenes Projekt sein“, fasst Ott zusammen. Die Gräfin stimmt zu: „Das war für alle wie Honig für die Seele.“ Vor allem nach der pandemiebedingten Dürrephase seien die sozial ausgehungerten Schüler und Lehrer froh, gemeinsam und ohne Sicherheitsabstand etwas bewegen zu können, so die Gräfin.
Nach den Pfingstferien wird es dann die offizielle Vernissage geben. Am 11. Juli um 11 Uhr kommen auch einige Ehrengäste und Landrat Alex Eder nach Kirchheim, um das Kunstwerk zu begutachten.
Eine Bildergalerie mit weiteren Eindrücken finden Sie auf unserer Webseite unter www.kurierverlag.de/mindelheim.