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Mindelheimer Jesuitenkrippe erhält neuen Glanz

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Von: Melanie Springer-Restle

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Mindelheim – Die Jesuitenkrippe, die jährlich in der Kuratiekirche Mariä Verkündigung in Mindelheim aufgebaut wird, ist die älteste Krippe Schwabens. Doch an ihren Figuren hat nicht nur der Zahn der Zeit genagt, sondern auch Holzwürmer und Motten. Diplom-Restaurator Ernst Striebel hat sich ihr angenommen und jetzt erste Ergebnisse präsentiert. 

Dekan Andreas Straub (rechts) und Diplom-Restaurator Ernst Striebel (links)
1 / 11Dekan Andreas Straub (rechts) und Diplom-Restaurator Ernst Striebel (links). © Thomas Springer
Puppenbein aus Pappmaché
2 / 11Puppenbein aus Pappmaché. © Thomas Springer
Das Helferteam: Stefan Weber (2. v. links), Hubert Ellenrieder (3. v. links), Karl Zingerle (4. v. links), Fritz Miller (5. v. links)
3 / 11Das Helferteam: Stefan Weber (2. v. links), Hubert Ellenrieder (3. v. links), Karl Zingerle (4. v. links), Fritz Miller (5. v. links) © Thomas Springer
Die Heilige Familie
4 / 11Die Heilige Familie. © Thomas Springer
Hubert Säuberlich (3. v. links) und Thomas Weinzierl (rechts).
5 / 11Hubert Säuberlich (3. v. links) und Thomas Weinzierl (rechts). © Thomas Springer
Hirte mit Dudelsack.
6 / 11Hirte mit Dudelsack. © Thomas Springer
Anhand eines Loches in der Lippe war klar, dass diese Figur ein Instrument spielte und folglich ein Hirte sein musste.
7 / 11Anhand eines Loches in der Lippe war klar, dass diese Figur ein Instrument spielte und folglich ein Hirte sein musste. © Thomas Springer
Josef in neuem Gewand.
8 / 11Josef in neuem Gewand. © Thomas Springer
Hinterkopf des jungen Josef aus dem Alten Testament
9 / 11Hinterkopf des jungen Josef aus dem Alten Testament © Thomas Springer
Köpfe in Bearbeitung: Die rechte Seite wurde bereits restauriert.
10 / 11Köpfe in Bearbeitung: Die rechte Seite wurde bereits restauriert. © Thomas Springer
Maria und das Jesuskind aus Wachs.
11 / 11Maria und das Jesuskind aus Wachs. © Thomas Springer

Die Jesuitenkrippe geht auf das Jahr 1618 zurück und ist seither kontinuierlich erweitert worden. Dabei hat sie auch verschiedene Kunstepochen durchwandert. Immer, wenn Ernst Striebel beim Freilegen einzelner Schichten ein Indiz für eine bestimmte Epoche entdeckt, freut er sich. Denn die insgesamt 80 verbliebenen Figuren waren nicht etwa gesammelt in einem fixen Depot gelagert. Einige Kisten waren im Krippenmuseum, andere in der Kirche. Über 70 Finger fehlten, Köpfe purzelten durch die Gegend. Die Kleider waren von Motten zerfressen, im Holz der Gliederpuppen wütete der Holzwurm. Viele Accessoires wurden in den 40er Jahren weggeschmissen oder verbrannt. „Für die Leute war das damals alter Kruscht“, sagte Striebel wehmütig.

Erst, als sich die Mindelheimer Ehrenbürgerin Olli Hirle, die dieses Jahr im Alter von 92 Jahren verstorben ist, der Krippe annahm, wurde der Krippe wieder die verdiente Aufmerksamkeit zuteil. Die Mindelheimerin und ihr Mann setzten die Figuren instand und bauten sie jedes Jahr zur Adventszeit auf. „Nur Frau Hirle haben wir zu verdanken, dass die Krippe überhaupt wieder zum Vorschein kam und so gut erhalten ist“, berichtet Dekan Andreas Straub. Hirle hatte ein Schriftstück zur Jesuitenkrippe verfasst, das für fünf Euro in der Kirche erhältlich ist. Hirles Enkel Stefan Weber führt die liebevolle Traditionspflege im ehrenamtlichen Helferteam zusammen mit Karl Zingerle, Hubert Ellenrieder, Manfred Maucher und Fritz Müller fort.

Insgesamt ist die Krippe in einem desolaten Zustand. Es fehlen Gliedmaßen wie Finger und Ohren, die Kleider sind zerlumpt, die Lederaccessoires spröde und rissig. Es sind viele bildhauerische Ergänzungen notwendig, Kittungen und Fehlstellungen müssen retuschiert, Körperteile stabilisiert und Gliedmaßen ergänzt werden, um nur ein paar Maßnahmen zu nennen. Die Figuren, die allesamt mit einem Film überzogen sind und zum Teil mehrfach übermalt wurden, müssen fachkundig gereinigt werden, die Kleidung instandgesetzt oder komplett erneuert werden. Für all diese diffizilen Arbeiten wurde Ernst Striebel mit der Restaurierung beauftragt, der hier im Landkreis schon mehrere Kunstwerke aus dem Dornröschenschlaf geweckt und ihnen neuen Glanz verliehen hat. Wenn man Striebel von seiner Arbeit sprechen hört, könnte man meinen, er hat nebenbei noch ein Theologiestudium und eine Detektivausbildung absolviert.

Detektivisches Gespür und Bibeltreue vorausgesetzt

So hat er zum Beispiel den Kopf eines Jungen gefunden, auf dessen Hinterkopf „Joseph“ in barocker Schrift stand. Striebel kam darauf, dass es sich dabei nicht etwa um Marias Josef handelte, sondern um den jungen Josef aus dem Alten Testament. Stammvater Jakobs bevorzugter Sohn wurde von seinen Brüdern in der bekannten Josefsgeschichte in den Brunnen geworfen. Offenbar hatte man auch diese oder eine andere Szene mit dem Jungen gestellt. „Es ist spannend, dass man aufgrund der Gravur die biblische Szene erahnen und sich langsam vortasten kann“, erzählt Striebel euphorisch.

Das Besondere an der Jesuitenkrippe sind die Gliederpuppen, die über Gelenke verfügen. So konnte man sie für verschiedene Szenen einsetzen. Die Figuren haben ferner unterschiedlich große Köpfe, sodass man auf einer Ausstellungsfläche von wenigen Quadratmetern durch optische Täuschungen eine immense Tiefe in die Szenen bringen konnte.

Die fehlenden Finger werden gerade von Bildhauer Heinrich Wolf aus Bad Wörishofen ergänzt. Insgesamt 74 Finger werden mit Lindenholz aufgebaut.

Von den summa summarum 80 Figuren können bereits 14 in der Krippe der Jesuitenkirche bewundert werden. Dekan Andreas Straub und Ernst Striebel war es ein Anliegen, den Bürgern pünktlich zum Advent zumindest eine Krippenszene mit den historisch wertvollen Figuren präsentieren zu können. Die heilige Familie und ein kleines Arrangement können ab jetzt in der Jesuitenkirche betrachtet werden.

Eine zusätzliche Vitrine gibt Aufschluss über einzelne Schritte der Restaurationsarbeiten. Striebel hat diverse Köpfe und Hände ausgestellt und den alten Zustand dem neuen gegenübergestellt, damit die Bürger einen Eindruck von dem enormen Aufwand dieser Restaurierung bekommen. Insgesamt rechnet man mit Renovierungskosten von bis zu 60.000 Euro sowie rund 5.000 Euro für die Neufertigung von zehn Schafen im barocken Stil und etwa 10.000 Euro für Podeste und den Unterbau der renovierten Krippe.

Dekan Straub äußerte seine Freude über die bisherigen Zuschüsse seitens des Landkreises, der Stadt Mindelheim, der Stiftung der VR-Bank Memmingen, dem Frundsberg Festring, dem Freundeskreis Alt-Mindelheim e.V. sowie der beiden Hauptsponsoren Sparkassenstiftung Memmingen-Lindau-Mindelheim und Bistum Augsburg. Insgesamt kamen bisher 52.000 Euro zusammen.

Edle Spender, Helfer und Schaf-Paten gesucht

Allerdings sucht man noch dringend nach edlen Spendern oder gar Paten für die zehn, von Motten zerfressenen und zu ersetzenden Schafe. Spenden können an folgendes Konto gesendet werden: Kuratiekirchenstiftung „Mariä Verkündigung“ Mindelheim; IBAN: DE77 7319 0000 0000 6128 80; VR-Bank Memmingen eG.

Da Brauchtumspflege stark auf das ehrenamtliche Engagement der Bürger angewiesen ist, sind helfende Hände auch hier dringend gesucht. Interessierte Helfer können sich im Pfarramt unter Tel. 08261/762810 melden.

Melanie Springer-Restle

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