So sollen ab 2026 die S-Bahnen fahren

Regio-S-Bahnen, Express-S-Bahnen, Normal-S-Bahnen – im Jahr 2026, nach dem Bau des zweiten Stammstreckentunnels, soll in München ein neues S-Bahn-Zeitalter beginnen. Es soll sich so einiges ändern.
München – Bei den S-Bahn-Experten gab es lange Zeit zwei Szenarien: den „Ohnefall“ und den „Mitfall“. Ohnefall heißt: ohne zweite Stammstrecke. Dann bliebe bei der S-Bahn im Wesentlichen alles so wie bisher. Das ist passé. Nun tritt der „Mitfall“ ein. Das bedeutet: mit der neuen zweiten Stammstrecke, die in zwei getrennten, je sieben Kilometer langen Röhren unter der Stadt zwischen Laim und Leuchtenbergring führen wird – mit den neuen Haltestellen Hauptbahnhof-Bahnhofsvorplatz, Marienhof und Ostbahnhof-Orleansplatz.
Mittwoch, Punkt 15 Uhr, ist Spatenstich – für Bahn und Politik ein Jubeltag, für manche Kritiker wie etwa den Fahrgastverband Pro Bahn ein Horror-Event. Er könne, sagt Oberbayern-Vorstand Andreas Barth, die „Lobhudeleien“ über die neue Stammstrecke nicht mehr hören.
Die Kritik entzündet sich am Betriebskonzept für die neue Röhre. Grundsätzlich sollen künftig mehr S-Bahnen am Tag Richtung München und zurück fahren – maximal könnten es bis zu 2000 werden. Doch das dürfte übertrieben sein. Johann Niggl, Chef der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG) und damit der maßgebliche Mann bei der Planung des künftigen Betriebs, ist vorsichtiger. Er spricht von circa 1250 Fahrten täglich. Derzeit sind es rund 950.
Vier statt zwei Röhren – aber nur ein Drittel mehr Fahrten – warum das? Die Bahn will die zweite Röhre zur Entlastung der ersten Stammstrecke nutzen. Bisher fahren dort im Abschnitt Hauptbahnhof–Ostbahnhof im Schnitt 30 Züge je Richtung und Stunde – also alle zwei Minuten. Häufig kommt es bei dieser dichten Taktung zu Verspätungen. Künftig sollen nur mehr 21 Züge pro Stunde durch den alten Tunnel fahren. Im neuen Tunnel sind es künftig 15 Züge je Richtung – also alle vier Minuten einer. Tritt ein Störfall zwischen Pasing und Ostbahnhof auf, übernimmt die eine Stammstrecke „eine Ausweich-Funktion für die jeweils andere“, heißt es in der jüngsten Nutzen-Kosten-Untersuchung zur zweiten Stammstrecke vom Oktober 2016. Diese „Erhöhung der Betriebsqualität“ sei tatsächlich neben der Kapazitäts-Erweiterung „eines der wichtigsten Projektziele“.
S-Bahn 2026: Der 20-Minuten-Takt soll zum 15-Minuten-Takt werden
Zweite Neuerung: Der gewohnte 20-Minuten-Takt soll ab Ende 2026 zu einem „15-Minuten-Grundtakt“ mutieren. Die Abfahrtszeiten bei einem 15-Minuten-Takt sind zwar für den Pendler schwieriger zu merken, der Vorteil ist aber vier statt drei S-Bahn-Fahrten je Stunde.
Es gibt indes eine Reihe von Einschränkungen: Erstens könnte der 15-Minuten-Takt abends zum 30-Minuten-Takt ausgedünnt werden – das sei „nicht ausgeschlossen“, heißt es bei der BEG. Bei den Linien S2 (nach Petershausen), S7 (Wolfratshausen) und S20 gibt es zweitens keine Änderungen, es bleibt beim gewohnten 20-Minuten-Takt. Drittens fällt der 10-Minuten-Takt im Berufsverkehr auf einigen Linien, etwa der S8, künftig weg. Doch für diese Streichung wird den Pendlern eine andere Neuerung versprochen: die Express- und Regio-S-Bahnen.
Die Regio-Züge sollen von Buchloe, Landshut und Augsburg auf den Strecken von S4, S1 und S3 starten, sie tragen dann Sonderbezeichnungen wie etwa S24X. Sie halten bis zu den Endpunkten der jeweiligen S-Bahn-Linie an jeder Station, danach nur noch an ausgewählten Haltepunkten mit besonders vielen Ein- und Aussteigern. Die Regio-S-Bahn wird also im S-Bahn-Netz zum Expresszug. So fährt die S24X künftig zwischen Geltendorf und Fürstenfeldbruck durch, weitere Haltepunkte sind Puchheim, Pasing, Laim, danach biegt diese S-Bahn in die zweite Stammstrecke ein und hält erst wieder am Hauptbahnhof-Bahnhofplatz.

Super schnell: Die neuen Express-S-Bahnen
Glück hat, wer so eine Express-S-Bahn erwischt, denn die Fahrzeitgewinne sind beträchtlich – sofern der Fahrgast in Kauf nimmt, dass er statt am Marienplatz am Marienhof landet. Im Einzelnen wird folgende Zeitersparnis versprochen:
- Freising–Marienplatz/ -hof: jetzt 45 min, neu: 32 min
- Feldmoching–Marienplatz/-hof: jetzt 20 min, neu 14 min
- Maisach–Marienplatz/-hof: jetzt 33 min, neu: 24 min
- Geltendorf–Marienplatz/-hof: jetzt 47 min, neu 33 min
- Fürstenfeldbruck–Marienplatz/-hof: jetzt 30 min, neu 21 min
- Weßling–Marienplatz/-hof: jetzt 40 min, neu 24 min
- Grafing–Marienplatz/-hof: jetzt 36 min, neu 25 min
- Pasing–Marienplatz/-hof: jetzt 13 min, neu 8 min
- Ostbahnhof–Marienplatz/-hof: jetzt 5 min, neu 2 min
- Laim–Marienplatz/-hof: jetzt 15 min, neu 8 min
- Flughafen–Marienplatz/-hof: jetzt 37 min, neu 27 min
Exakte Fahrpläne für einzelne Linien und die künftig dann 153 S-Bahn-Haltestellen hat die BEG bis jetzt nicht veröffentlicht. Wer aber normalerweise an einer kleinen Station einsteigt, kann Pech haben. Beispiel Pulling (Landkreis Freising). Dort rauschen Express- und Regio-S-Bahnen künftig durch. „Pulling wird nur noch im 30-Minuten-Takt bedient“, heißt es aus dem Landratsamt Freising. Zusätzlicher Nachteil: Die S1 aus Freising soll künftig (ebenso wie die S6 aus Tutzing) durch die zweite Stammstrecke fahren. Wer also am Stachus, Isartor oder zum Kultur-Ereignis im Gasteig am Rosenheimer Platz aussteigen muss, sollte in Laim aussteigen. Dort muss er auf die nächste S-Bahn warten, die durch den alten Tunnel fährt. Das ist ein bisschen nervig und könnte zumal für München-fremde Gäste vom Flughafen verwirrend werden.
Wichtig: Das Betriebskonzept ist nur eine „Momentaufnahme“, so heißt es bei der Bahn. Manche Linienführungen haben, ohne je in der Praxis erprobt worden zu sein, schon diverse Änderungen erfahren, zum Beispiel eine S-Bahn-Linie S14X Buchloe–Riem (auf der Strecke der S4), die noch im Oktober 2016 in den offiziellen Papieren zu finden war – jetzt aber nicht mehr (was die Anlieger der S4 im Westen alarmiert). Im bayerischen Verkehrsministerium wird, so scheint’s, fast im Monatsrhythmus umgeplant. Bis 2026 dürften Kritiker hier noch genug Ansatzpunkte finden.
Wie die neuen Haltestellen in München aussehen, sehen Sie in unserem virtuellen Rundgang.