Schlager in Deutschland: Ursprung, Stars, größten Hits – alle Infos

Vor allem in den 60er- und 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts dominierte der Schlager die deutschen Hitparaden. Viele Stars und Hits jener Epoche können heute noch von unzähligen Menschen mitgesungen werden.
Berlin – Fällt der Begriff Schlager, denken die meisten Menschen fast automatisch an die „ZDF-Hitparade“ und die großen Unterhaltungsshows der 1960er- und 70er-Jahre. Schlagersänger und -sängerinnen wie Michael Holm, Christian Anders, Jürgen Marcus und Katja Ebstein waren Dauergäste auf den Fernsehschirmen der Nation. Nach Jahren im musikalischen Abseits feierte der Schlager dann nach der Jahrtausendwende mit einer neuen Generation Stars wie Helene Fischer oder Florian Silbereisen sein Comeback.
Schlager in Deutschland: Die Geschichte der Musikrichtung
Die Geschichte der modernen Populärmusik begann im späten 19. Jahrhundert. Zu diesem Zeitpunkt entstanden leicht zugängliche Unterhaltungsformate wie Vaudeville, Revue, Music Hall und die Operette. Ihre bekanntesten Lieder entwickelten sich zu dem, was später Hits genannt wurde: Lieder, die jeder kannte und spontan mitsingen konnte. Mit der Erfindung der ersten Tonträger und des Radios fanden sie weitere Verbreitung.
Woher der Begriff Schlager für diese Musikrichtung im deutschsprachigen Raum stammt, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Vermutlich leitet er sich von der „durchschlagenden“ Wirkung beliebter Lieder und von ihrem „Einschlag“ ins kollektive Bewusstsein ab. Als erste Schlager galten im frühen 20. Jahrhundert die größten Hits der damals sehr populären Operetten, die von bekannten Stars auf Schellackplatten festgehalten wurde. Die Comedian Harmonists, die in den 1920er- und 30er-Jahren große Erfolge feierten, werden heute manchmal als erste Boyband Deutschlands bezeichnet. Ein weiterer früher Schlagerstar war die spätere Filmlegende Marlene Dietrich, die in Berlin Lieder wie „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ sang.
Schlager: Die große Zeit der Musikrichtung
Nach der Nazizeit, in der Schlager häufig zu Propagandazwecken missbraucht wurden und viele Künstler und jüdische Stars Deutschland verließen, erlebte die Musikrichtung in den 1950er-Jahren einen Aufschwung. Einen maßgeblichen Anteil daran hatte internationaler Einfluss. Als es die Deutschen erstmals in Scharen zum Sommerurlaub über die Alpen nach Italien zog, wurden sogenannte Italo-Schlager wie „Marina“, „Arrivederci Roma“ und die „Caprifischer“ zu Hits. Freddy Quinn besang das Meer und Angèle Durand schwärmte von Paris. Amerikanische Rock ’n’ Roll-Einflüsse machten sich bei damaligen Teenie-Stars wie Peter Kraus und Ted Herold bemerkbar, die ganz offen Elvis Presley imitierten.
Dazu traten immer mehr ausländische Stars in Deutschland auf, darunter die gebürtige Amerikanerin Connie Francis, der Italiener Salvatore Adamo, die Schwedin Siw Malmkvist, die Französin Mireille Mathieu und die beiden Griechinnen Vicky Leandros und Nana Mouskouri. Erst in den 70er-Jahren verlor der Schlager allmählich an Popularität. Jugendliche zogen englischsprachige Rock- und Popmusik von den Beatles bis David Bowie und die politischen Protestsongs der 68er-Generation vor.
Schlager: Die Wiederauferstehung
In den 80er-Jahren war der Schlager so gut wie tot. Nur noch ganz wenige deutschsprachige Sängerinnen und Sänger konnten sich in den Charts halten. Matthias Reim gelang 1990 mit „Verdammt, ich lieb‘ Dich“ ein Überraschungserfolg. Erst kurz vor der Jahrtausendwende blühte die Musikrichtung im Rahmen einer eher ironischen Retrowelle auf. Zu den neuen Stars gehörten Dieter Thomas Kuhn und Guildo Horn, die ganz bewusst das Aussehen und den Sound früherer Zeiten imitierten.
Doch erst ab 2000 kam es zu einem echten Revival, das von populären Sängerinnen wie Andrea Berg und Helene Fischer angeführt wurde. Diese unterlegten ihre Lieder mit modernen Beats, die jüngere Menschen wieder ansprachen. Zugleich feierten frühere Schlagerstars wie Roland Kaiser ein fulminantes Comeback und füllen heute wieder große Arenen in ganz Deutschland.
Schlager: Die größten Stars und Hits
Manche Stars machten sich mit einem einzigen Megahit unsterblich, andere sind heute trotz langjähriger Erfolge fast vergessen. Auch die Absatzzahlen lassen sich aufgrund der heutigen starken Zersplitterung des Musikmarktes kaum vergleichen. Einige der beliebtesten Schlagerstars und ihre größten Hits, die bis heute unvergessen sind:
- Roland Kaiser: Santa Maria, 1980
- Roy Black: Ganz in Weiß, 1966
- Jürgen Drews: Ein Bett im Kornfeld, 1976
- Marianne Rosenberg: Er gehört zu mir, 1975
- Bernd Clüver: Der Junge mit der Mundharmonika, 1973
- Nicole: Ein bisschen Frieden, 1982
- Katja Ebstein: Wunder gibt es immer wieder, 1970
- Heintje: Mama, 1967
- Karel Gott: Einmal um die ganze Welt, 1970
- Peggy March: Mit 17 hat man noch Träume, 1965
- Nana Mouskouri: Weiße Rosen aus Athen, 1961
- Rex Gildo: Fiesta Mexicana, 1972
- Alexandra: Zigeunerjunge, 1967
- Michael Holm: Tränen lügen nicht, 1974
- Christian Anders: Es fährt ein Zug nach nirgendwo, 1972
- Howard Carpendale: Hello again, 1984
- Freddy Quinn: Heimweh, 1958
- Drafi Deutscher: Marmor, Stein und Eisen bricht, 1965
- Matthias Reim: Verdammt, ich lieb‘ Dich, 1990
- Wolfgang Petry: Wahnsinn, 1983
Daneben gibt es zahlreiche Stars, die sich nie auf die eine Musikrichtung Schlager beschränkten. Dazu zählen zum Beispiel der österreichische Chansonnier Udo Jürgens und der Liedermacher Reinhard Mey, die immer wieder tiefgründige Lieder schrieben.
Schlager: Aktuelle Stars und ihre Hits
Das Revival der Musikrichtung Schlager im neuen Jahrtausend wird vor allem von weiblichen Stars wie Helene Fischer angeführt, deren Musik eher als Schlagerpop bezeichnet wird. Andere Künstlerinnen und Künstler schlagen eine Brücke zwischen Schlager und volkstümlicher Musik, darunter der Österreicher Andreas Gabalier, der seinen Stil als Volks-Rock ’n’ Roll bezeichnet.
Immer häufiger wurden touristische Partyziele zum Ausgangspunkt für große Karrieren in Deutschland, insbesondere der sogenannte Ballermann in Mallorca und die Après-Ski-Szene in den Alpen. Hier erfand sich nicht nur Altstar Jürgen Drews als „König von Mallorca“ neu, sondern erlebten heutige Stars wie Mickie Krause und Antonia aus Tirol ihren Durchbruch.
Einige der aktuell größten Stars im Bereich Schlager und ihre größten Hits:
- Helene Fischer: Atemlos, 2013
- Andrea Berg: Du hast mich tausendmal belogen, 2001
- Kristina Bach: Erst ein Cappuccino, 1990
- Andreas Gabalier: I sing a Liad für Di, 2011
- Semino Rossi: Alles aus Liebe, 2004
- Maite Kelly: Warum hast du nicht nein gesagt, 2014
- Vanessa Mai: Wolke 7, 2015
- Ben Zucker: Der Sonne entgegen, 2018
- Kerstin Ott: Die immer lacht, 2016
- Beatrice Egli: Mein Herz, 2013
Schlager: Ausblick auf die kommenden Jahre
Der Schlager dürfte auch in den nächsten Jahren nichts an seiner Popularität verlieren. Superstar Helene Fischer geht mit einer neuen Show und zugehörigem neuem Album wieder auf Tournee und die Altstars vergangener Jahrzehnte füllen noch immer locker die großen Konzerthallen. Veranstaltungen wie Roland Kaisers „Kaisermania“-Konzerte am Elbufer in Dresden und der Schlagermove in Hamburg sind Kult und ziehen jedes Jahr Zehntausende Fans an.
Dazu erfinden sich frühere Teeniestars neu als Schlagersänger. So feiert Giovanni Zarrella, ehemaliges Mitglied der Popgruppe Bro’Sis, mit italienischsprachigen Coverversionen alter deutscher Schlager große Erfolge und wurde mit seiner eigenen TV-Show belohnt. Auch Maite Kelly, die jüngste Schwester der irischen Kelly Family, startete als Schlagersängerin eine erfolgreiche Zweitkarriere. Zuletzt gelang dem Holländer Eloy de Jong, der einst mit der Boyband Caught in the Act berühmt wurde, mit „Immer für dich da“ ein großer Hit in Deutschland.
Schlager jenseits von Deutschland
Der Schlager gilt als urdeutsche Musikrichtung, die in den drei deutschsprachigen Ländern Deutschland, Österreich und Schweiz aus naheliegenden Gründen besonders erfolgreich ist. Nur selten konnten sich hierzulande populäre Hits im fremdsprachigen Ausland durchsetzen – und dann in direkten Nachbarländern wie Belgien und den Niederlanden. Ausreißer gab es lediglich in den 80er-Jahren mit englischsprachigen Songs wie „Maria Magdalena“ von Sandra und Nicoles Grand-Prix-Gewinnertitel „Ein bisschen Frieden“, der in mehreren Sprachen veröffentlicht wurde.
2018 schreckte das weltweit erscheinende Wirtschaftsmagazin Forbes seine Leserschaft auf, als es Helene Fischer zu den zehn bestverdienenden Musikerinnen der Welt neben Superstars wie Lady Gaga und Rihanna zählte. Einige internationale Medien teilten daraufhin Videos der Schlagerqueen und verfassten Beiträge über den deutschen Schlager. Allerdings schlug sich die plötzliche Aufmerksamkeit nicht in steigenden Verkäufen im Ausland nieder. So wird der Schlager wohl auch weiterhin ein Phänomen der deutschsprachigen Länder und ihrer Zweigstellen im Ausland wie dem Ballermann auf Mallorca bleiben.