EHEC: 350 Verdachtsfälle - schon drei Tote
Hannover - Die Welle von schweren Darminfektionen in Norddeutschland hat erste Todesopfer in Deutschland gefordert. Eine 83-jährige Frau im Landkreis Diepholz ist ebenso daran gestorben wie offenbar eine junge Patientin in Bremen.
Nach dem Ausbruch des EHEC-Erregers sind in Deutschland die ersten mit dem gefährlichen Darmkeim infizierten Menschen gestorben: Am Dienstag wurden zwei Todesfälle bekannt. Bei einem dritten Opfer bestand Infektionsverdacht. Allerdings war unklar, ob die Darminfektion tatsächlich die Todesursache bei den drei Frauen war. Nach der Quelle - vermutlich verseuchtes Lebensmittel - wurde am Dienstag vor allem in Hamburg gesucht. Das Robert-Koch-Institut (RKI) rechnet mit weiteren Todesfällen.
RKI-Präsident Reinhard Burger sprach von einer “erschreckenden“ Ausbreitung des gefährlichen Darmbakteriums. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) telefonierte mit Burger, um sich einen persönlichen Eindruck zu verschaffen.
In Bremen kamen eine 83 Jahre alte Frau aus Niedersachsen und eine 24-Jährige ums Leben. Die Rentnerin war eindeutig mit dem Keim infiziert. Sie litt seit Mitte Mai unter blutigem Durchfall und starb bereits am Samstag. Bei der jungen Frau, die in der Nacht zum Dienstag starb, wurden die typischen Symptome einer EHEC-Infektion festgestellt. Das Laborergebnis stand hier noch aus.
Eine weitere infizierte Frau starb am Sonntag im schleswig-holsteinischen Kreis Stormarn. Die Frau war über 80 Jahre alt und befand sich wegen einer Operation im Krankenhaus.
EHEC: Die wichtigsten Fragen und Antworten
Inzwischen breitet sich der Keim, der zu schwerem, blutigen Durchfall führen kann, weiter aus: Bis Dienstag waren deutschlandweit mindestens 400 Erkrankungen oder Verdachtsfälle bekannt. Bei 80 Patienten wurde bisher eine schwerwiegende Komplikationen mit Nierenschäden, das sogenannte hämolytisch-urämische Syndrom (HUS), festgestellt. Die Zahl schwerer Verläufe wird ansonsten binnen eines ganzen Jahres erreicht.
Bei mehreren Patienten war der Zustand am Dienstag kritisch. Im Saarland wurden drei Infizierte weiter auf der Intensivstation behandelt. Besonders betroffen sind Frauen. Der Keim ist seit der zweiten Maiwoche im Umlauf. Im Jahresdurchschnitt infizieren sich in der Regel 1.000 Personen mit dem Erreger.
Bundesregierung beobachtet Infektions-Lage
Angesichts der immer zahlreicheren Verdachtsfälle von Infektionen mit EHEC-Keimen beobachtet auch die Bundesregierung die Situation. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) habe sich in einem Telefonat mit dem Leiter des Robert Koch-Instituts, Reinhard Burger, über die aktuelle Lage informiert, teilte ein Sprecher am Dienstag in Berlin mit.
Das RKI als Fachbehörde des Ministeriums ist seit Tagen mit einem Erkundungsteam in Hamburg, um die Quelle der Infektion zu ermitteln. Es unterstütze damit die Arbeit der betroffenen Länder, die für den Gesundheitsschutz ihrer Bevölkerung verantwortlich seien, ergänzte der Sprecher. “Das Bundesgesundheitsministerium steht mit dem RKI in engem Kontakt über den Fortgang der Untersuchung.“
Das RKI ist mit einem Erkundungsteam in Hamburg, um die Quelle der Infektion zu ermitteln. Wenn es sich um ein leicht verderbliches Lebensmittel handeln sollte, das bereits verzehrt sei, könnte die Ursache möglicherweise nicht geklärt werden, sagte Burger. Allerdings könne die Quelle auch noch im Umlauf sein und weitere Menschen infizieren.
Erster Hinweis aus Frankfurt
Ein erster Anhaltspunkt kommt aus Frankfurt. Dort wurden am Dienstag zwölf Patienten im Krankenhaus behandelt, die offenbar in derselben Kantine einer Unternehmensberatung gegessen hatten. Es gebe die Vermutung, dass der Erreger durch einen Gemüselieferanten aus Norddeutschland verbreitet worden sei, sagte ein Sprecher des Frankfurter Gesundheitsamts. Die Kantine des Unternehmens sei weiterhin geschlossen.
Vermutet wurde zunächst ungewaschenes Gemüse oder Salat, die möglicherweise auch mit Gülle gedüngt worden sind. Nach Darstellung des Robert-Koch-Instituts (RKI) ist die Ursache für die erhöhten Infektionszahlen aber noch vollkommen unklar. Eine RKI-Sprecherin warnte vor voreiligen Schlüssen. Es gebe derzeit keine Hinweise dafür, dass sich die Erkrankten durch den Verzehr von mit Gülle gedüngtem Gemüse infiziert hätten, sagte sie der Nachrichtenagentur dapd. Es kämen auch andere Übertragungswege infrage, wie etwa verunreinigtes Wasser.
Auch der Deutsche Bauernverband (DBV) reagierte mit Skepsis auf die Vermutungen. Die Überlegung, dass der EHEC-Erreger über die Düngung von Feldern mit Gülle auf das Gemüse gelangt sein könnte, erscheine nicht plausibel, sagte DBV-Sprecher Johannes Funke.
Tipps von Apothekern bei Verdacht auf EHEC-Infektion
Die Bundesapothekerkammer rät bei blutigem Durchfall möglichst schnell einen Arzt aufsuchen. Das gelte besonders, wenn ein Kind, ein älterer oder ein abwehrgeschwächter Mensch erkrankt sei, sagte die Präsidentin der Bundesapothekerkammer, Erika Fink, am Dienstag in Berlin. “Wenn der Verdacht auf eine schwerwiegende Infektion besteht, sollte man nicht abwarten oder versuchen, sich allein zu behandeln.“
Eine EHEC-Infektion könne sich als unblutiger, meist wässriger Durchfall zeigen, hieß es weiter. Begleitsymptome seien Übelkeit, Erbrechen und zunehmende Bauchschmerzen, seltener Fieber. Bei 10 bis 20 Prozent der Erkrankten entwickele sich als schwere Verlaufsform ein Durchfall mit krampfartigen Bauchschmerzen, blutigem Stuhl und teilweise Fieber. Die Infektion kann nach Angaben der Pharmazeuten auch ohne Beschwerden verlaufen und somit unerkannt bleiben.
dapd/dpa