Update vom 30. März, 17.40 Uhr: Nach Berlin, München und Brandenburg reagiert auch das Bundesland Nordrhein-Westfalen auf die Stiko-Empfehlung. Ein sofortiger Impfstopp für den Wirkstoff von Astrazeneca für Männer und Frauen unter 60 Jahren wurde demnach erlassen. Dies teilte eine Sprecherin de Gesundheitsministeriums am Dienstag auf Anfrage.
Update vom 30. März, 16.35 Uhr: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) beraten noch an diesem Dienstag kurzfristig mit den Ministerpräsidenten der Länder über das weitere Vorgehen im Zusammenhang mit dem Corona-Impfstoff von Astrazeneca. Das Bundespresseamt kündigte am Nachmittag eine Pressekonferenz für den Abend an - im Anschluss an ein „Informationsgespräch mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder zur weiteren Verwendung des Impfstoffs von Astrazeneca“.
Zuvor teilte das Bundesgesundheitsministerium in Berlin mit, dass Spahn seinen Länderkollegen einen Vorschlag zum weiteren Vorgehen machen wolle. Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern sollten demnach am Dienstagabend ab 18 Uhr in einer Sondersitzung über den weiteren Umgang mit dem Astrazeneca-Impfstoff beraten (siehe Update vom 30. März, 14.38 Uhr).
Update vom 30. März, 16.05 Uhr: Neben Berlin und München setzt auch Brandenburg Corona-Impfungen mit dem Astrazeneca-Vakzin für Menschen unter 60 Jahren vorerst aus. Der Stopp gelte ab Dienstag und die Entscheidung sei mit dem Impflogistik-Stab abgestimmt worden, teilte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums mit.
Auch der Kreis Heinsberg teilte am Dienstag mit, Frauen unter 55 Jahren nun ausnahmslos mit dem Corona-Impfstoff von Biontech zu impfen. Das Gesundheitsamt habe in Abstimmung mit dem Krisenstab und der ärztlichen Leitung des Impfzentrums entschieden, dass mit sofortiger Wirkung der Impfstoff des Herstellers Astrazeneca nicht mehr an Frauen in der Altersgruppe unter 55 Jahre verimpft werden dürfe. Die Zweitimpfungen dieses Wirkstoffs stünden ab Mai an. Wie damit umgegangen wird, soll zu einem späteren Zeitpunkt geklärt werden.
Thüringen will hingegen die Astrazeneca-Impfungen vorerst nicht einschränken. Bisher sei keine Klinik bekannt, die das Impfen mit dem Astrazeneca-Vakzin eingestellt habe, teilte das Gesundheitsministerium am Dienstag der dpa mit. Bevor man einen solchen Schritt im Freistaat gehe, wolle man die für den Abend geplante Schalte der Gesundheitsminister von Bund und Ländern abwarten (siehe Update vom 30. März, 14.38 Uhr). Man wolle keine „schnellen Entscheidungen treffen, die dann danach eventuell wieder keinen Bestand mehr haben“, hieß es.
Update vom 30. März, 15.35 Uhr: Die Ständige Impfkommission (Stiko) soll Corona-Impfungen mit Astrazeneca nur noch für über 60-jährige Frauen und Männer in Deutschland empfehlen. Das berichtet die Augsburger Allgemeine und bezieht sich dabei auf einen Beschlussentwurf der Stiko zur Aktualisierung der Covid-19-Impfempfehlung. Astrazeneca-Impfungen für Menschen unter 60 Jahren sollen demnach nur noch nach ärztlichem Ermessen möglich bleiben.
„Auf Basis der derzeit verfügbaren, allerdings noch begrenzten Evidenz und unter Berücksichtigung der gegenwärtigen pandemischen Lage empfiehlt die Stiko, die Covid-19 Vaccine Astrazeneca für Personen im Alter über 60 Jahren zu verwenden“, zitiert die Augsburger Allgemeine aus dem Papier. „Ihr Einsatz unterhalb dieser Altersgrenze bleibt indes nach ärztlichem Ermessen und bei individueller Risikoakzeptanz nach sorgfältiger Aufklärung möglich“, heißt es darin weiter.
Hinsichtlich einer zweiten Impfdosis für jüngere Personen, die bereits eine Erstimpfung mit dem Astrazeneca-Vakzin erhalten haben, will sich die Stiko demnach Ende April äußern. Bis dahin sollen Studien ausgewertet werden, ob eine Zweitimpfung auch mit einem anderen Corona-Impfstoff möglich ist. Zudem empfiehlt die Kommission laut dem Bericht, die Zahl der Erstimpfungen zu beschleunigen und die Intervalle zwischen Erst- und Zweitimpfung auszudehnen, so wie es Karl Lauterbach im Gespräch mit Merkur.de gefordert hatte (siehe Update vom 30. März, 15.10 Uhr).
Update vom 30. März, 15.10 Uhr: Für SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, der lange gegen einen Impf-Stopp des Astrazeneca-Vakzins argumentiert hatte, ist dieser nun folgerichtig. „Nach Sichtung der Daten und Argumente, sowie nach Gesprächen mit Spezialisten schließe ich mich einer Änderung des Einsatzes des Astrazeneneca-Impfstoffes heute an. Ich hatte zunächst eine andere Position, aber man muss jetzt reagieren. Das Risiko für jüngere und gerade für Frauen unter 55 Jahren ist offenbar größer als gedacht“, sagte Lauterbach Merkur.de*.
Das zu Grunde liegende Phänomen, die Hirnvenenthrombose, trete besonders bei Jüngeren auf. Gerade Frauen seien häufiger betroffen. „Vermutlich macht es daher Sinn, die Einschränkung auf ganz Deutschland auszuweiten. Wir brauchen jetzt eine Lösung und möglichst nicht die, dass jedes Bundesland eine andere Regelung trifft“, so Lauterbach. Ein Schnellschuss sei jetzt nicht möglich, aber man müsse zwei Dinge tun: „Zum einen unbedingt die Erstimpfungen vorziehen und zum anderen prüfen, ob wir das Impfintervall zwischen Erstimpfung und Zweitimpfung beim Biontech-Impfstoff weiter ausdehnen können. Die Reihenfolge der Impfprioritäten sollten wir aber auf keinen Fall ändern.“
Update vom 30. März, 14.55 Uhr: Auch in München werden bis auf Weiteres keine Menschen unter 60 mehr mit dem Corona-Impfstoff von Astrazeneca geimpft. „Bis die Frage möglicher Impfkomplikationen geklärt ist, werden die Impfungen mit Astrazeneca für Personen unter 60 Jahren vorsorglich ausgesetzt“, teilte die Stadt München auf Twitter mit. Dies betreffe vor allem die geplanten Impfungen im Impfzentrum und im Isar-Klinikum. Die Impfungen in den Alten- und Service-Zentren könnten fortgesetzt werden.
Die Berliner Charité weitet ihren Impf-Stopp von Astrazeneca ebenfalls auf alle Menschen unter 60 Jahren aus. „Wir werden uns der Ankündigung von Frau Kalayci anschließen“, teilte Charité-Sprecherin Manuela Zingl am Dienstag mit. Zunächst hatte die Charité die Impfungen nur für Frauen unter 55 Jahren gestoppt (siehe Erstmeldung).
Update vom 30. März, 14.38 Uhr: Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern wollen am Dienstagabend in einer Sondersitzung über den weiteren Umgang mit dem Impfstoff des Herstellers Astrazeneca beraten. Bundesminister Jens Spahn (CDU) will seinen Länderkollegen dabei einen Vorschlag zum weiteren Vorgehen machen, wie sein Ressort in Berlin mitteilte. Die Beratungen sollen um 18 Uhr beginnen. Die Ständige Impfkommission (Stiko) wolle eine erneute Empfehlung aussprechen. Außerdem werde eine aktuelle Einschätzung des Paul-Ehrlich-Instituts erwartet, so Berlins Gesundheitssenatoren Dilek Kalayci (SPD).
In Deutschland sind bislang 31 Fälle einer Sinusvenenthrombose nach einer Impfung mit dem Impfstoff von Astrazeneca bekannt, wie das Paul-Ehrlich-Institut am Dienstag berichtete. Bis Montagmittag (29. März) waren dem Institut 31 Fälle gemeldet worden, in 19 davon sei zusätzlich ein Mangel an Blutplättchen, eine Thrombozytopenie, gemeldet worden. Neun Betroffene seien gestorben.
Mit Ausnahme von zwei Fällen betrafen laut Paul-Ehrlich-Institut alle Meldungen Frauen im Alter von 20 bis 63 Jahren. Die beiden Männer waren demnach 36 und 57 Jahre alt. Laut Impfquotenmonitoring des Robert-Koch-Instituts (RKI) wurden bis einschließlich Montag 2,7 Millionen Erstimpfungen und 767 Zweitimpfungen mit dem Vakzin von Astrazeneca durchgeführt.
Update vom 30. März, 13.30 Uhr: Jetzt setzt das gesamte Land Berlin die Corona-Impfungen mit dem Vakzin des Herstellers Astrazeneca für alle Menschen unter 60 Jahren vorsorglich aus. Das gab Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) am Dienstag bekannt und verwies auf neue Daten über Nebenwirkungen. Sie bezeichnete dies als „Vorsichtsmaßnahme“. Entsprechende Termine in Impfzentren werden laut Kalayci erst einmal abgesagt. Das Land wolle nun die Beratungen auf Bundesebene und Stellungnahmen der Fachleute wie des Paul-Ehrlich-Instituts abwarten.
Erstmeldung vom 30. März: Berlin - Die landeseigenen Berliner Kliniken Charité und Vivantes stoppen vorerst die Corona-Impfungen mit dem Vakzin von Astrazeneca bei Frauen unter 55 Jahren. Das bestätigte eine Sprecherin am Dienstag.
„Obwohl in der Charité keine Komplikationen nach Impfungen mit Astrazeneca aufgetreten sind, will die Charité hier vorsorglich agieren und abschließende Bewertungen abwarten“, teilte die Universitätsklinik gegenüber dem Tagesspiegel mit. „Dieser Schritt ist aus Sicht der Charité notwendig, da in der Zwischenzeit weitere Hirnvenenthrombosen bei Frauen in Deutschland bekannt geworden sind“, erklärte Charité-Sprecherin Manuela Zingl die Entscheidung gegenüber der dpa.
Die Charité habe in der Corona-Pandemie bisher rund 16.000 Erst- und Zweitimpfungen an ihr Personal verabreicht. „Davon entfiel der größte Teil auf Astrazeneca“, sagte Zingl weiter. Seit dem Jahreswechsel waren an der Charité und in den Vivantes-Kliniken zunächst Pflegekräfte und Ärzte auf Covid-19-Stationen mit dem Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer* geimpft worden, wie der Tagesspiegel berichtet.
Das Personal anderer Stationen, zuletzt auch patientenferne Mitarbeiter, seien demnach in den vergangenen Wochen mit Astrazeneca geimpft worden. Ob die Personen, die eine Erstimpfung mit dem Astrazeneca-Impfstoff erhalten haben, auch eine Zweitimpfung des Präparats erhalten, sei zunächst unklar.
In Nordrhein-Westfalen sprachen sich die Leiter von fünf der sechs Unikliniken für einen vorläufigen Stopp von Impfungen jüngerer Frauen mit dem Wirkstoff von Astrazeneca aus. Das Risiko von weiteren Todesfällen sei zu hoch, heißt es in einem gemeinsamen Brief an den Bundes- und den Landesgesundheitsminister, der der dpa vorliegt.
Bereits am Montag (29. März) hatte der Kreis Euskirchen in Nordrhein-Westfalen die Astrazeneca-Impfung für Frauen unter 55 Jahren gestoppt*. Eine 47 Jahre alte Frau hatte dort wenige Tage nach der Impfung eine Sinusvenenthrombose erlitten und war gestorben. Auch eine 28 Jahre alte Frau war nach der Impfung an einer solchen Thrombose erkrankt. Sie befindet sich nach Angaben des Kreises „in einem stabilen Zustand und wird in einer Spezialklinik versorgt“. Die Zusammenhänge werden derzeit noch überprüft.
Auch am Dienstag (30. März) erhielten Frauen im Kreis Euskirchen, die jünger sind als 55 Jahre, keine Corona-Impfung* mit dem Wirkstoff von Astrazeneca. „Alles andere geht normal weiter“, erklärte der Kreissprecher. Das Landesgesundheitsministerium erklärte zur Aussetzung der Impfung, es handele sich „um eine medizinische Entscheidung, die vorsorglich vor Ort getroffen worden ist“.
Alle Daten zu möglichen Nebenwirkungen bei Impfstoffen liefen beim Paul-Ehrlich-Institut und dem Robert-Koch-Institut (RKI)* zusammen. Nach Informationen des Ministeriums berate die Ständige Impfkommission derzeit, „ob aufgrund der Meldungen der vergangenen 10 Tage, eine erneute Anpassung der Impfempfehlung erforderlich ist“.
Nach einem vorsorglichen Impf-Stopp in Deutschland sprach sich die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) für den Impfstoff von Astrazeneca aus. Auch das Paul-Ehrlich-Institut, die oberste Impfbehörde in Deutschland, folgte der Empfehlung. Der Nutzen der Impfung überwiege angesichts der Schwere einer Covid-19-Infektion. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte zwischenzeitlich bereits Impf-Privilegien für junge und jüngere Frauen ins Spiel gebracht, die Bedenken wegen Astrazeneca-Impfungen haben. (ph/dpa) *Merkur.de und echo24.de sind ein Angebot von IPPEN.MEDIA