Landratsamt verschickt 80 Bußgeldbescheide an ungeimpfte Pflegekräfte – „Ich empfinde es als Schikane“

Das Landratsamt Ulm hat zuletzt 80 Bußgeldbescheide an Pflegekräfte verschickt, weil sie nicht gegen Corona geimpft sind. Es hagelt Kritik, vor allem auch, weil die einrichtungsbezogene Impfpflicht zum Ende des Jahres ausläuft.
Ulm – Masken müssen nur noch in Bus und Bahn getragen werden, Covid-Tests und Impfungen sind kaum noch relevant. Selbst die Isolationspflicht gibt es seit Mitte November dieses Jahres in Baden-Württemberg nicht mehr. Doch für einige Pflegekräfte im Land kocht das Thema Corona derzeit wieder hoch. So verschickte das Landratsamt in Ulm laut dem SWR 80 Bußgeldbescheide an Pflegekräfte, die nicht oder nicht vollständig gegen das Virus geimpft sind. Einige Betroffene haben bereits Einspruch dagegen eingelegt und auch von der Evangelischen Heimstiftung hagelt es Kritik, wie BW24 berichtet.
Bereits im Dezember 2021 hatten Bundestag und Bundesrat die einrichtungsbezogene Impfpflicht beschlossen. Beschäftigte im Pflege- und Gesundheitswesen mussten daraufhin bundesweit nachweisen, dass sie gegen das Coronavirus vollständig geimpft oder genesen sind. Wer sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen konnte, musste ein Attest vorlegen. Wenn kein Nachweis vorgelegt wurde, musste das Gesundheitsamt von der jeweiligen Einrichtung informiert werden. Dem betroffenen Personal droht seitdem unter anderem ein Betretungs- oder Beschäftigungsverbot oder ein Bußgeld bis zu 2.500 Euro. Zu Letzterem sollen nun mindestens drei Pflegekräfte der Heimstiftung einen Bescheid erhalten haben, wie der SWR berichtet. Sie sollen jeweils fast 300 Euro zahlen.
Landratsamt Ulm verschickt 80 Bußgeldbescheide an ungeimpfte Pflegekräfte
Mit 156 Einrichtungen im Südwesten ist die Evangelische Heimstiftung das größte Pflegeunternehmen im Südwesten. Dass drei ihrer Beschäftigten nun Geld zahlen sollen, kann die Stiftung nicht nachvollziehen: „Ich empfinde es als Schikane, als Abstrafung“, sagt die Vorsitzende der Konzernmitarbeitervertretung, Ilka Steck, gegenüber dem SWR. Das begründet sie damit, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht bereits zum Ende des Jahres ausläuft. Außerdem hätten jene Mitarbeitenden bisher ungeimpft weiterarbeiten dürfen. In zwei dieser drei Fälle wurde nun Widerspruch gegen die Bußgeldbescheide eingelegt.
Doch nicht nur Beschäftigte der Stiftung waren von den Geldstrafen betroffen. Laut Informationen des SWR hat es insgesamt 80 Bußgeldbescheide gegeben. Und dabei wurden gar nicht alle 1.606 Fälle geahndet, in denen Beschäftigte wegen fehlender oder mangelnder Impfnachweise dem Gesundheitsamt gemeldet wurden, wie eine Sprecherin des Landratsamtes Ulm mitteilte. Man hätte laut der Sprecherin im Einzelfall entschieden, ob es eine Geldstrafe gibt oder nicht. So etwa, wenn Personen sich „gegenüber den Aufforderungen zur Vorlage von Nachweisen und dem Anhörungsverfahren besonders vehement und hartnäckig verhalten haben“.
Zudem erklärt das Landratsamt Ulm gegenüber dem SWR, dass die Strafmöglichkeiten in keinem einzigen Fall ausgeschöpft wurden. Betretungsverbote seien nicht ausgesprochen worden und die Bußgelder würden zwischen 200 und 250 Euro liegen – 2.500 Euro wären theoretisch möglich. Trotzdem hätten 38 der 80 Beschäftigten Widersprüche eingelegt; 18 davon habe man an die Staatsanwaltschaft weitergegeben, die bisher alle Bescheide für korrekt erachtet habe.
Baden-Württemberg lockert Nachweis-Kontrollen bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht
Nicht nur im Alb-Donau-Kreis in Baden-Württemberg sorgen die Bußgeldbescheide wegen fehlender Corona-Nachweise für Aufsehen. Die Stadt Jena in Thüringen etwa will wegen anhaltender Kritik nun auf die Geldstrafe verzichten und stellt die Verfahren ein. So weit ist man im Südwesten bisher nicht gegangen. Allerdings wurde auch hier erst vor kurzem an der Impfpflicht gerüttelt, wie der Spiegel berichtete. Denn eigentlich mussten Beschäftigte spätestens Anfang Oktober eine dritte Impfung oder zwei Impfungen und einen Genesenennachweis vorlegen. Für alle, die bereits vor diesem Datum eingestellt wurden, soll diese Pflicht laut dem Landesgesundheitsministerium entfallen.