Corona aus dem Labor? Experten zerreißen Vorab-Studie von deutschen Forschern in der Luft
Ein deutsches Forscherteam will Hinweise zum Ursprung des Coronavirus Sars-CoV-2 gefunden haben. Es schürt die Labor-Theorie. Die Fachwelt hält diese Arbeit schon jetzt für „Blödsinn“.
München – Seit Beginn der Corona-Pandemie dreht sich vieles um die Frage: Woher kommt das Coronavirus? Abschließend ist diese Frage im Sinne der Wissenschaft noch nicht geklärt. Immer wieder tauchen vermeintlich neue Erkenntnisse auf. Sie verbreiten sich dann ungefiltert und unkommentiert. Nun sorgt eine „Vorab-Publikation“ von drei Autoren für Wirbel. Die sogenannte Preprint-Studie wurde auf dem Dokumentenserver bioRxiv veröffentlicht und hat noch kein unabhängiges wissenschaftliches Begutachtungsverfahren durchlaufen.

Das Forscherteam um Valentin Bruttel, der an der Universität Würzburg arbeitet, liefert neuen Stoff in der Diskussion um den Ursprung des Coronavirus Sars-CoV-2. „Blödsinn“ schreiben Experten auf Twitter. Sie halten den Vorabdruck für tiefgreifend fehlerhaft.
Woher stammt das Coronavirus: Aus dem Labor oder ist es ein natürliches Phänomen
Im Laufe der Corona-Pandemie gibt es fast täglich neue Erkenntnisse über das Virus. Über den Ursprung des Sars-CoV-2 gibt es momentan verschiedene Hypothesen zum Ursprung von Sars-CoV-2: Vor der Fledermaus ist das Coronavirus über ein Zwischentier auf den Menschen übertragen worden, davon gehen die meisten Forscher aus. Um welches Tier es sich dabei handelt, lässt die Weltgesundheitsorganisation WHO seit dem Bericht 2021 noch offen. Eine andere These: Das Coronavirus ist im Labor in Wuhan entstanden. Die Labor-These kocht immer wieder hoch. Der Berliner Virologe Christian Drosten ist bei der Debatte schon zwischen die Fronten geraten. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung (SZ) erläutert Drosten im Frühjahr 2022 seine Position und wehrt sich gegen Täuschungsvorwürfe zum Ursprung der Pandemie. Der Virologe betont, dass es seiner Auffassung nach keinen Beleg für einen unnatürlichen Ursprung von Sars-CoV-2 gäbe.
Corona-Ursprung im Labor? Seuchenexperte Jeremy Farrar hält nichts von einem „Lab Leak“
Selbst der britische Epidemiologe Jeremy Farrar hält die Labor-Hypothese für sehr unwahrscheinlich. Im Spiegel-Interview sagt Farrar: „Als die Sequenz von Sars-CoV.2 am 10. Januar 2020 veröffentlicht wurde, fielen einige Merkmale auf, die auf den ersten Blick ungewöhnlich und deshalb verdächtig aussahen. Das lag aber, so sehe ich es heute, vor allem an unserem damaligen Wissensstand.“
Es habe sich dann recht schnell gezeigt, dass die zunächst besorgniserregenden Merkmale durchaus auch bei anderen natürlichen Coronaviren vorkommen. Seiner Meinung nach spricht eigentlich derzeit nichts mehr für ein „Lab Leak“. „Mit allergrößter Wahrscheinlichkeit stammt Sars-CoV-2 aus dem Tierreich“, betont der Seuchenexperte. Allerdings könne er einen „Laborursprung“ nicht ausschließen. Farrar gehe davon aus, dass diese Frage auch in 100 Jahren noch umstritten seien wird. Ohne die Kooperation mit China und den Verantwortlichen vom Hochsicherheitslabor in Wuhan „werden wir das wohl nie klären können“.
Die Blackbox Wuhan befeuert die Suche nach Beweisen für einen „Laborunfall“ oder auch für einen „unnatürlichen“ Ursprung. Nun wollen Valentin Bruttel und seine Kollegen die Labor-Theorie untermauern. Ihren eigenen Angaben sollen die Forscher ein „Muster, vergleichbar mit einem Fingerabdruck auf einer Tatwaffe“ gefunden haben, wie ntv.de berichtet. Bruttel habe bereits im Sommer 2021 erste Auffälligkeiten im Genom entdeckt. Seitdem habe er „diese in seiner Freizeit weiter untersucht“ und mit zwei Kollegen zu einer Vorab-Publikation ausgearbeitet. Die Vorab-Veröffentlichung sorgt für Wirbel.
„Unsinn“ – Harsche Kritik an der Labor-Hypothese
Prompt reagiert Immunologe Kristian Andersen vom Scripps Research Institute in La Jolla im US-Bundesstaat Kalifornien. Der veröffentlichte Vorabdruck sei „so tiefgreifend fehlerhaft, dass er die Molekularbiologie auf Kindergarten-Niveau nicht bestehen würde“, schreibt Andersen auf Twitter. Er kritisiert die Arbeit als „Nonsens“ (auf Deutsch: Unsinn). Im Erbgut von Sars-CoV-2 sei „offensichtlich zufälliges Rauschen“ zuerkennen. Es würde sich einfach nicht lohnen, sich auf diesen „Bullshit“ einzulassen.
Coronavirus: Deutscher Virologe widerlegt Beweis zur Labor-These in Forschungsarbeit
Kritik gibt es auch vom Virologe Friedemann Weber, Leiter der Virologie an der Universität in Gießen. Auf Twitter geht er ausführlich auf die Vorab-Veröffentlichung ein. Weber zeigt, dass es auch möglich ist, Viren genetisch zu manipulieren, ohne die erwähnten „Fußspuren“ zu hinterlassen. „Und das spart sogar Zeit, Geld und Arbeit“, so Weber.
Die Diskussionen um den Ursprung des Coronavirus dürften damit trotzdem wohl kein Ende finden. Genauso, wie die Frage, wo das Coronavirus zuerst ausgebrochen ist. Studien legen nahe, dass Sars-CoV-2 von Tieren stammt, die auf dem Wildtiermarkt in Wuhan (China) verkauft wurden. Das Coronavirus Sars-CoV-2 ist demnach im November 2019 auf dem Tiermarkt von Wuhan erstmals auf den Menschen übergesprungen.
Die „Wuhan Akten“ sorgten schon im Dezember 2020 für Aufregung. Interne Dokumente der chinesischen Gesundheitsbehörden offenbaren „Chinas Fehlverhalten in der Frühphase von Covid-19.“(ml)