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Antigen-Schnelltest: Heilsbringer vor Weihnachten? Zuverlässigkeit der Corona-Tests unterscheidet sich stark

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Von: Cindy Boden

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Antigen-Schnelltest sind gerade sehr beliebt, besonders vor Weihnachten. Aber Experten warnen: Sie vertreiben nicht alle Corona-Sorgen. Zumal die Tests unterschiedlich zuverlässig sind.

München - „Landesweite Schnelltest-Aktion für ein sicheres Weihnachten“: Eine verlockende Überschrift auf der Website des Landes Baden-Württemberg. Dort finden in erster Linie Angehörige von Risikopatienten Informationen, wie sie sich noch vor den Feiertagen per Antigen-Test auf das Coronavirus testen lassen können. „Wir wollen mit der Aktion erreichen, dass kein Mensch das Weihnachtsfest einsam und alleine verbringen muss“, sagt Sozialminister Manfred Lucha. Doch das Vorweihnachts-Vorhaben birgt Tücken. Denn 100 Prozent sicher sind die Corona-Antigen-Schnelltest nicht.

Vielerorts in Deutschland gibt es Teststationen, vor denen Menschen teils Schlange stehen, um sich testen zu lassen. Nach etwa 15 bis 30 Minuten ist das Ergebnis da, häufig kostet es den Getesteten um die 45 Euro, manchmal mehr. Experten warnen jedoch schon lange, dass sich getestete Personen nicht in falscher Sicherheit wägen sollten. Denn ob der Test das wahre Ergebnis anzeigt, hängt von vielen Faktoren ab. Welche das sind, wird besser verständlich, wenn klar ist, wie der Antigen-Test funktioniert.

Schnelltest im Kampf gegen Corona: Nicht in allen Fällen sind Testungen auf Antigene sinnvoll

Im Zuge einer Studie des Robert-Koch-Instituts (RKI), welche die klinische Performance eines Sars-CoV-2-Antigen-Tests untersuchte, macht das RKI auch Angaben zur Funktionsweise. Diese Tests müssen, anders als PCR-Tests, nicht in Laboren durchgeführt werden. Sie sollen virale Proteine (Antigene) in einem Abstrich von Nase und/oder Rachen nachweisen. Wenn die Probe auf den Teststreifen gelangt, sollen die dort fixierten Antikörper das Antigen binden. Ist dies der Fall, wird ein Enzym aktiviert, welches den Teststreifen einfärbt.

Damit wird klar: Besonders geeignet sind die Antigen-Schnelltests, wenn eine hohe Viruslast vorhanden ist. Zu einem frühen Zeitpunkt der Infektion oder ab der zweiten Woche nach Symptombeginn kann diese Viruslast jedoch gering sein, sodass der Test womöglich nicht anschlägt. Als Einzeltestung bei Patienten ohne Symptomen ist die „Wertigkeit solcher Tests deutlich eingeschränkt“, schreibt das RKI in der Studie.

Eine Besucherin im Alten- und Pflegeheim Haus am Maienplatz hält ihren negativen Corona-Schnelltest in der Hand.
Eine Besucherin im Alten- und Pflegeheim Haus am Maienplatz in Böblingen hält ihren negativen Corona-Schnelltest in der Hand. © Sebastian Gollnow/dpa

„Antigen-Schnelltests schlagen vor allem bei bereits bestehenden Symptomen an und können sinnvoll sein, um Erkältungssymptome einzuordnen. In der aktuellen Situation würde ich aber dringend davon abraten, mit Fieber und trockenem Husten die Verwandten zu besuchen – negativer Schnelltest hin oder her.“ Das sagt der Corona-Experte und Chefinfektiologe der München Klinik Schwabing, Professor Clemens Wendtner. „Schnelltests sind nur für maximal 24 Stunden aussagekräftig“, warnt er. „Wer Montag oder Dienstag den Test macht und am Donnerstagabend zu Verwandten fährt, müsste den Test am Donnerstagvormittag zur Sicherheit wiederholen.“ 

Corona: Liste mit Antigen-Tests auf der Seite des Bundesinstituts für Arzneimittel

Auch entscheidend: Nicht jeder Test ist gleichgut. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte führt eine Liste mit Antigen-Tests (siehe Link), die gewisse Mindeststandards des Paul-Ehrlich-Instituts und des Robert Koch-Instituts erfüllen. Die Liste ist nach eigenen Angaben zwar keine umfassende Übersicht aller in Europa verfügbaren Antigen-Tests, doch immerhin 316 Test sind (Stand: 18. Dezember) aufgeführt.

Interessant an dieser Liste sind die beiden Spalten Sensitivität und Spezifität der Antigen-Tests - sie ordnen die Zuverlässigkeit der Tests ein. Zur Erklärung: Die Sensitivität gibt an, wie viele Infizierte auch wirklich ein positives Ergebnis durch den Test bekommen. Bei einer Sensitivität von 95 Prozent bekommen 95 Getestete von 100 Infizierten auch ein positives Ergebnis. Fünf Personen sind jedoch positiv, bekommen das aber nicht durch den Test heraus. Die Spezifität wiederum ist der Anteil der Personen mit einem negativen Testergebnis unter Nicht-Infizierten. Einfacher ausgedrückt heißt das: Eine Spezifität von 95 Prozent bedeutet, dass fünf von 100 Getesteten ein positives Ergebnis bekommen, obwohl sie gar nicht infiziert sind.

Antigen-Schnelltests: Sensitivität und Spezifität geben Auskunft über die Zuverlässigkeit eines Tests

Je höher diese beiden Werte also sind, desto besser ist der Antigen-Schnelltest. Ein Blick in die Tabelle des Bundesinstituts zeigt aber, dass die Tests sehr unterschiedlich gut sind. Die Mindestanforderung für die Sensitivität liegt bei über 80 Prozent. Die Spannbreite bei den aufgeführten Tests reicht von 80,2 Prozent bis 98,72 Prozent. Mal werden also im Schnitt 20 Corona-Fälle nicht erkannt, mal nur einer nicht. Es empfiehlt sich somit zu schauen, von welchem Hersteller der Test kommt, wenn man sich testen lässt.

Tabelle mit Antigen-Schnelltests, Höchste Sensitivität (Stand: 18.12.2020)
Antigen-Schnelltests - Höchste Sensitivität (Stand: 18.12.2020) © Screenshot Liste Antigen-Test | Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

Die höchste Sensitivität am 18. Dezember zeigten Tests von „JOYSBIO (Tianjin) Biotechnology Co., Ltd.“ aus China. Sie haben verschiedene deutsche Vertreiber, darunter „Adooha GmbH“ und „ImuGeX GmbH“ mit dem Handelsnamen „SARS-COV-2 Antigen Rapid Test Kit (Colloidal Gold)“.

Die niedrigste Sensitivität am 18. Dezember zeigte ein Test vom Hersteller „Assure Tech. (Hangzhou) Co., Ltd.“, ebenfalls aus China. Der deutsche Vertreiber ist hierbei „O2O EurAsia GmbH“ mit dem Handelsnamen „Covid-19 Antigen Rapid test Device“. Auch die Tests unter den Handelsnamen „Espline SARS-COV-2“ aus Japan und „CoroVisio COVID-19 AntiGen Schnelltest“ aus China haben eher niedrigere Sensitivitäten.

Tabelle mit Antigen-Schnelltests, Niedrigste Sensitivität (Stand: 18.12.2020)
Antigen-Schnelltests - Niedrigste Sensitivität (Stand: 18.12.2020) © Screenshot Liste Antigen-Test | Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

Obwohl die Schnelltests nur eine Momentaufnahme darstellen und auch keine 100-prozentige Sicherheit gewährleisten: Komplett sinnlos sind sie auf keinen Fall. Das gilt besonders wegen der einfachen Handhabung und des günstigen Preises. Für gezielten Teststrategien, etwa beim Einsatz in Pflegeheimen, können sie schnell erste Ergebnisse liefern. Nachgelagerte PCR-Tests sind in entscheidenden Momenten jedoch angebracht, um sichergehen zu können.

Der Antigen-Test sollte aber richtig durchgeführt werden. Das Stäbchen muss tief in den Rachen gesteckt werden, um auch wirklich eventuell vorhandene Coronaviren abstreichen zu können. „Wenn Sie ohne wirkliches Hintergrundwissen den Test durchführen, dann kann das zu vielen Problemen führen“, sagte Virologe Jonas Schmidt-Chanasit vom Hamburger Tropeninstitut der Deutschen Presse-Agentur. Wenn also ein Antigen-Test vor Weihnachten trotz mancher Einschränkungen gewünscht wird, dann lieber beim Experten. (cibo)

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