Lauterbach spricht von „historischem Versagen“ in der Corona-Krise - und macht Prognose zur Herdenimmunität

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach macht den reichen Staaten schwere Vorwürfe in der Corona-Krise und nennt einen Zeitpunkt für die Herdenimmunität in Deutschland.
Tutzing - Die Corona-Lage in Deutschland entspannt sich seit einigen Wochen. Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz ist mittlerweile unter 10 gesunken, am Samstagmorgen lag sie laut Robert-Koch-Institut (RKI) bei 9,3. Die Zahl der Corona-Patienten auf Intensivstationen ist erstmals seit acht Monaten unter 1000 gefallen. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung hat mindestens eine Impfdosis gegen das Coronavirus erhalten.
Corona: Lauterbach wirft reichen Staaten „historisches Versagen“ vor
Doch insbesondere bei den Corona-Impfungen gibt es weltweit deutliche Unterschiede. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sieht ein „historisches Versagen“ der reichen Staaten. „Wir haben Impfkapazität aufgebaut, die genau zugeschnitten war auf das, was wir selbst brauchen“, sagte er am Samstag bei einer Online-Tagung der Evangelischen Akademie Tutzing. „Wir haben keine zusätzliche Impfstoff-Produktionskapazität für die ärmeren Länder“, so seine Kritik.
Das habe nun zur Folge, dass die Menschen in Südostasien, Afrika oder Lateinamerika weitgehend ungeschützt einem immer gefährlicher werdenden Coronavirus ausgesetzt seien. Denn je mehr Menschen geimpft seien, desto aggressiver müsse das Virus werden, um sich weiter ausbreiten zu können. „Das ist ein historisches Versagen der wohlhabenden Länder“, bilanzierte Lauterbach.
Corona in Deutschland: Lauterbach macht Prognose zur Herdenimmunität
Für Deutschland rechnet er „bis Mitte September“ mit einer Herdenimmunität. „80 Prozent der Erwachsenen sind dann doppelt geimpft“, so die Prognose des SPD-Gesundheitsexperten. „Meine große Sorge ist aber, dass unsere Kinder nicht geschützt sind.“ Die Delta-Variante werde sich auch in Deutschland durchsetzen. In Großbritannien ist sie bereits weit verbreitet. EM-Spiele vor Zuschauern in London hält Lauterbacht daher für „unvertretbar“. Die Delta-Variante sei deutlich gefährlicher als alle bisherigen Corona-Varianten. „Ein Prozent der infizierten Kinder wird im Krankenhaus behandelt werden müssen“ - und auch langfristige Folgen einer Covid-Erkrankung könnten Kinder treffen, fürchtet Lauterbach.
Insgesamt sei Deutschland mit einer Übersterblichkeit von rund vier Prozent bislang deutlich besser durch die Corona-Krise gekommen als andere europäische Nachbarländer. Allerdings habe die Bundesrepublik an einer Stelle der Pandemie versagt. „In der zweiten Welle sind unnötigerweise viele Menschen gestorben“, stellte Lauterbach klar. (ph/dpa)