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Experten bewerten Merkels neue Corona-Maßnahmen - sie haben zwei Radikal-Szenarien im Fokus

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Prof. Michael Meyer-Hermann, Infektionsforscher am Helmholtz-Institut im ZDF.
Prof. Michael Meyer-Hermann, Infektionsforscher am Helmholtz-Institut im ZDF. © Screenshot ZDF

Coronavirus: Sind die aktuellen Maßnahmen sinnvoll? Experten äußern sich zur Situation. Zwei radikale Szenarien stehen dabei im Fokus.

Hannover/München - Immer noch stehen sich zwei Strategien in der Bekämpfung des Coronavirus gegenüber: Sollten möglichst viele Menschen sich anstecken* und immun werden, dass die sogenannte Herdenimmunität* wirksam wird? 

Oder muss man versuchen, durch lange andauernde, strikte Auflagen* möglichst viele vor einer Ansteckung zu bewahren? Zweiteres würde vor allem bedeuten, dass Krankenhäuser vor dem Kollaps - und damit Menschenleben - gerettet werden. Doch zu einem teils hohen Preis.

Coronavirus: Arzt fordert „kontrollierte Durchseuchung“

Dr. Hans Theiss ist Mitglied im Münchner Stadtrat (CSU) und Oberarzt an der Uniklinik in Großhadern. Mit der Begründung, Leben retten sei wichtiger als die Wirtschaft, hätte man schon vor Jahren in das Gesundheitswesen investieren müssen - die jetzige Debatte sei daher zum Teil heuchlerisch. Und wirtschaftliche Sorgen müsse man auch jetzt ernst nehmen.

Da unklar sei, wann ein Impfstoff* zur Verfügung steht, sieht er es als alternativlos an, „eine konstante Infektion der Menschen Schritt für Schritt zuzulassen“ und fügt hinzu: „Den Ausdruck ‚kontrollierte Durchseuchung‘ finde ich schrecklich, aber er trifft es leider.“

Die Kliniken seien aus seiner Sicht gut gerüstet und könnten einen größeren Ansturm an Patienten bewältigen - die weitere Lockerung der bisher notwendig Maßnahmen müsse jetzt öffentlich diskutiert werden.

Coronavirus: Helmholtz-Forscher hätte „totale Bremse“ bevorzugt

Etwas anders sieht das zum Beispiel Michael Meyer-Hermann, Forscher* und Leiter der Systemimmunologie am Helmholtz-Zentrum: „Ich hätte es bevorzugt, wenn wir versucht hätten, mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln eine totale Bremse zu ziehen, damit wir in einer absehbaren Zeit zu einer großen Normalität zurückkehren können“, sagte er in einem ZDF-Interview. Er plädiert dafür, nach den Lockerungen jetzt sehr genau hinzusehen, wie sich die Zahlen entwickeln. 

Man müsse zwar die Wirtschaft am Laufen halten, aber „epidemologisch gesehen“ sei jede Lockerung falsch. Dass die Reproduktionszahlen bei einem Wert unter 1,1 bleiben müssen, hatten Wissenschaftler schon länger vorgerechnet - ein Mensch darf nur weniger als 1,1 andere Menschen anstecken, damit das System nicht überlastet wird. Auch wenn man bei einem Wert angekommen sei, gäbe es jetzt die Gefahr, dass die fragile Situation sich wieder ändern könne, so Meyer-Hermann.

Dass er die Maßnahmen zwar begrüßt, aber doch für die „totale Bremse“ ist, belegt er damit, dass eine Herdenimmunität nur nach einem sehr langen Zeitraum erreicht werden kann - ein Szenario, das auf Dauer auch der Wirtschaft* mehr Schaden zufüge.

Eine Durchseuchung mithilfe von kontrollierten Neuinfektionen fordert unterdessen auch Dr. Christoph Spinner, Virologe und Oberarzt am Münchner Klinikum Rechts der Isar. Und er warnt - Auswirkungen aller heute getroffenen Änderungen seien erst in Wochen zu spüren.

*Merkur.de ist Teil des deutschlandweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks.

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