Virologe Hendrik Streeck kritisiert Impfmythos: „Sträuben sich mir die Nackenhaare“
Virologe Streeck fordert mehr Eigenverantwortung - und mehr Freiheiten. Er gibt eine Einschätzung für den Sommer, den Herbst und den Winter.
Frankfurt - Die Temperaturen steigen und noch steigen auch die Zahlen der Neuinfektionen mit dem Coronavirus. Die Krankenhausauslastung hält sich für den Moment in Grenzen. Für den Sommer sehen Experten eine reale Chance auf Entspannung, warnen jedoch vor dem Herbst und dem Winter.
Virologe Hendrik Streeck erklärte kürzlich, durch welche Maßnahme der nächste Corona-Winter besser werden könnte. Im Sommer könne die Maskenpflicht seiner Ansicht nach komplett fallen. Ein Omikron-Impfstoff oder gar ein kombinierter Corona-Impfstoff könnte die bereits zugelassenen Impfstoffe vervollständigen und so einen Winter mit weniger harten Maßnahmen möglich machen. Im Interview mit watson spricht Streeck nun über seine Forderung zu mehr Selbstverantwortung in Deutschland.
Durchseuchung nach Ansicht von Virologe nicht mehr vermeidbar
Das Phänomen der Doppelspitze in den Zahlen der Neuinfektionen sei nicht überraschend, erklärt Streeck. Dieses sei schon im Vorjahr im Frühling beobachtbar gewesen und käme auch bei vielen respiratorischen Erkrankungen vor. Besorgniserregend sei der derzeitige Anstieg also nicht, auch wenn der neue Omikron-Subtyp BA.2 noch ansteckender zu sein scheint und mitunter einen Faktor für das Zunehmen der Infektionszahlen darstellen könnte.
Wenn es darum geht, wie man mit den zunehmenden Infektionen umgehen sollte, gibt sich Streeck abgeklärt: „Durchseuchung ist etwas, das wir nicht vermeiden können.“ Die Frage, die man sich stellen müsse ist, wie man einer Infektion am besten begegnet. Die beste Antwort hierauf ist laut dem Virologen: „Sich impfen zu lassen, um vorbereitet auf die Infektion zu treffen.“
„Da sträuben sich mir die Nackenhaare“ - Streeck kritisiert falsche Auffassung von Geimpften
Den besten Schutz hätte man dem Virologen zufolge, wenn man geimpft wurde und dann Kontakt zum Coronavirus hatte. „Dadurch baut sich nach und nach eine robustere Immunantwort an den Schleimhäuten auf.“ Problematisch findet er aber die Auffassung, dass Geimpfte oftmals meinen, ihr milder Corona-Verlauf wäre wegen der Impfung mild gewesen.
„Da sträuben sich bei mir alle Nackenhaare, weil wir nicht den Vergleich haben, wie der Verlauf wäre, wenn man ungeimpft gewesen wäre.“ Hierfür gebe es auch keine guten Studien. Die genaue Symptomatik von dreifach Geimpften bei Omikron im Vergleich zu Ungeimpften ist wenig gesichert.
Streeck sieht bei Maskenpflicht Bedarf für mehr Eigenverantwortung
„Masken sind das Mittel, von dem wir wissen, dass sie am besten eine Infektion verhindern“, erklärt Streeck. Selbst wenn es zu einer Infektion kommen sollte, könnte die Infektionsdosis niedriger sein und so ein milderer Verlauf möglicherweise die Folge sein. Allerdings fehlen hier laut Streeck die Vergleichsmöglichkeiten.
Wenn das Infektionsgeschehen hoch ist, sollte man auf die Maske zurückgreifen, meint er. Die Unterscheidung zwischen einem Sommermodus und einem Wintermodus - auch in der offiziellen Kommunikation - sei Streecks Ansicht nach wünschenswert. Wenn das Infektionsgeschehen abnimmt, kann die Maske auch wegfallen: „Langfristig müssen wir aber dahin kommen, dass die Leute selber für sich entscheiden, wie sie mit diesem Virus umgehen und ob sie beispielsweise eine Maske tragen wollen. Und genau so sollten wir es auch den Geschäften und Einrichtungen überlassen, ob es eine Maskenpflicht geben soll.“
Modelle sollen verschiedene Szenarien erfassen und Vorbereitung ermöglichen
Der Ausblick auf die kommende Zeit mit Corona bedürfe verschiedener Modelle, so Streeck. Diese müssten erfassen, was passieren könnte wenn etwa die Delta-Variante zurückkommt oder was es bedeutet, wenn Omikron bleibt. Weitere Fragen müssten geklärt werden. Etwa wie auf eine weitere massive Welle reagiert wird, wenn dies eintreten sollte.(mda)