Duden-Diskussion: Wenn Gender-Sprache zum Schwachsinn wird

Muss die deutsche Sprache weiblicher werden, um mehr Gerechtigkeit für Frauen zu schaffen? Feministische Sprachwissenschaftler:innen fordern genau das. Doch ihre Vorschläge sind mitunter grotesk, nutzlos und reaktionär.
- Der Duden verbannt das generische Maskulinum aus seiner Online-Ausgabe. Im Netz löste das hitzige Diskussionen aus.
- Merkur.de-Autor Sven Barthel findet: Überflüssig! Gegenderte Sprache macht das Leben für Frauen nicht besser.
- Vehement widerspricht Merkur.de-Autorin Anna-Lena Schüchtle, die sagt: Richtig so, warum beschweren sich jetzt wieder alle? Ihren Gegenkommentar „Der Duden gendert endlich und ihr jammert herum - Ihr habt einfach nichts kapiert“ lesen Sie hier.
Gleich vorweg, damit wir uns nicht missverstehen: Die Gleichberechtigung von Männern und Frauen ist ein absolut erstrebenswertes Ziel. Deutschland hat sie längst nicht erreicht und andere Länder sind ebenfalls weit entfernt. Dass Behörden, Hochschulen und Medien seit etwa zwei Jahren die Paarform zur direkten Ansprache verwenden – „Liebe Bürgerinnen und Bürger“, „An die Studentinnen und Studenten“ – ist völlig richtig und tut echten Kerlen auch nicht weh.
Abschaffung des generischen Maskulinums im Duden macht die Welt für Frauen nicht besser
Beim Schreiben erfordern Gender-Sternchen mehr Aufwand und stören den Lesefluss. Halb so wild, weil reine Gewöhnungssache. Was aber gar nicht geht, sind die Forderungen von Vertretern der Gender Studies, so viele Wörter wie möglich zu gendern. Nomen, aber auch Verben und Adjektive, in der Literatur und in der Alltagssprache. Alles in vermeintlich guter Absicht. Ihrer Logik nach führt der Weg zu mehr Gleichberechtigung über den Bürgerinnensteig und das Einwohnerinnenmeldeamt. So ein Schwachsinn!
Dass der Duden vor Kurzem das generische Maskulinum aus seiner Online-Edition entfernt hat, sorgte in den sozialen Medien für hitzige Diskussionen. Ein Fortschritt? Nicht wirklich. Das generische Maskulinum ist geschlechtsneutral – und das bereits seit Jahrhunderten. Generisch bedeutet nämlich „kein spezifisches Geschlecht.“ Ärzte, Lehrer, Richter, Studenten: Frauen sind hier immer mitgemeint, sie selbst aber fühlen sich dabei oft nicht mitgedacht. Einige Frauen fordern deshalb, dass auch von Ärztinnen, Lehrerinnen, Richterinnen und Studentinnen gesprochen wird. Seltsamerweise habe ich ihren Schrei nach einer geschlechtsgerechten Anpassung bei negativ konnotierten Begriffen wie Steuerhinterzieher und Umweltverschmutzer noch nicht gehört. In diesen Fällen scheint das generische Maskulinum auszureichen.
Gender-Sprache: Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht
Eine derartig radikale Reform würde die ohnehin schon komplizierte deutsche Sprache noch komplizierter machen, aber die Welt für Frauen kein bisschen gerechter.
Glaubt jemand ernsthaft, das Lesen eines Benutzerhandbuchs brächte Frauen mehr Spaß, wenn es gender-politisch korrekt als Benutzungshandbuch betitelt wäre? Würden sich Frauen stärker für Technik interessieren, wenn sich diese nutzungsfreundlicher statt nur nutzerfreundlich gäbe? Hätte ein Lehrendenzimmer statt eines Lehrerzimmers einen positiven Einfluss auf den Arbeitsalltag von Lehrerinnen? Heilten verwundete Frauen schneller, wenn sie verärztit statt verarztet würden? Ob es wohl mehr Klempnerrinnen gäbe, wenn der Wasserhahn nicht mehr Wasserhahn hieße, sondern Wasserhenne?
Geschlechtergerechte Sprache: Schon seit dem Start veraltet
Dass es auch ganz ohne Gender-Brimborium geht, beweisen Frauen wie Henrriette Reker, Oberbürgermeisterin von Köln und Petra Roth, ehemalige Oberbürgermeisterin von Frankfurt am Main. Beide haben es bis an die politische Spitze geschafft, lange bevor man darüber nachdachte, Frauen in diesem Amt als „Bürger:innenmeister:in“ zu betiteln.
Es sei nicht mehr zeitgemäß, in binären Geschlechtsmodellen (männlich-weiblich) zu denken, heißt es von Feministinnen oft. Doch betont gendergerechte Sprache diese Spaltung in Frau und Mann nicht noch? Sie lässt zudem außer Acht, dass es nicht nur Mann und Frau gibt. Fortschrittlicher wäre die totale Vermeidung des grammatischen Geschlechts, denn dadurch wäre jeder inkludiert - auch Trans- und Intersexuelle. Schreiben wir also bald „de Tonke“ statt „Tante und Onkel“? Wer weiß.
Einfachheit und Verständlichkeit sollten in der Sprachentwicklung höchste Priorität haben, doch viele Arten zu gendern, erfüllen diesen Anspruch nicht
Nicht die Sprache muss sich ändern, sondern die sozialen Rahmenbedingungen
Bei der Geschlechtergerechtigkeit ist die englische Sprache der Deutschen weit voraus. Bei der Mehrheit der Nomen macht sie keinen Unterschied zwischen maskulin und feminin und bietet mit dem Wörtchen „the“ einen einzigen bestimmten Artikel. The teacher, the doctor, the driver ... . Ob männlich oder weiblich erschließt sich nur im Kontext und die ganze Welt ist fein damit, findet die englische Sprache cool und leicht zu erlernen.
Sind Frauen in englischsprachigen Ländern also bessergestellt als hierzulande? Das ist mit einem Blick auf den Gender-Gap-Report schnell und wissenschaftlich fundiert beantwortet: Nein, sind sie nicht. Das könnte man als Beleg dafür sehen, dass eine geschlechtsneutrale Sprachregelung eben auch kein Garant für bessere gesellschaftliche Bedingungen ist. Und dass das bislang in Deutschland verwendete generische Maskulinum doch keine so große Benachteiligung bedeutet, wie die Befürworter der gegenderten Sprache behaupten. Für mich ein Jammern auf sehr hohem Niveau. Frauen, die auf der Hierarchieebene ihres Landes tatsächlich unter dem Mann stehen (Indien, Pakistan...) würden die Causa „gegenderte Sprache“ vermutlich als typisches „first world problem“ betrachten. Dem schließe ich mich an: Much a do about nothing.