Ich bekomme Hasskommentare von Rechten, weil mein Kinderbuch „Ali und Anton“ heißt

Ahmet Özdemir wurde als Sohn türkischer Einwander in Deutschland geboren, er ist Marketing Manager, Autor und Integrationsbeauftragter eines CDU-Stadtverbands. Von seinem Kinderbuch „Ali und Anton. Wir sind doch alle gleich“ fühlen sich Rechte provoziert. Lesen Sie den Gastbeitrag.
Mein Name ist Ahmet Özdemir, ich wurde am 7. Juni 1975 als jüngster Sohn türkischer Einwanderer in Aachen geboren. Nach der Schulausbildung absolvierte ich das Studium der Kommunikationswissenschaften und arbeite als Marketing Manager, Buchautor und als Dozent an zwei Fachhochschulen in Köln. Ich bin politisch im CDU-Stadtverband aktiv und leite dort den Arbeitskreis Integration. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer gelungenen Integration ist für mich ein einheitlicher Religionsunterricht für alle Schüler, egal welcher Glaubensrichtung.
Ich bin verheiratet und Vater zweier Töchter. Meine kleine Familie gibt mir den Antrieb, zu schreiben und mit dem Geschriebenen auf Missstände in der Gesellschaft hinzuweisen und mögliche Lösungsansätze zu bieten. So auch bei dem Thema Integration. Viele Menschen in meinem unmittelbaren Umfeld, mit denselben türkischen Wurzeln, haben in Sachen Integration ähnliche Erfahrungen gemacht. Während wir uns auf der einen Seite für die Öffnung zur Mehrheitsgesellschaft aussprechen, kämpfen wir auf der anderen Seite für die Akzeptanz und Toleranz unserer Andersartigkeit durch die Mehrheitsgesellschaft. Ein ständiges Hin und Her, sodass man am Ende der Bemühungen feststellt, ich bin „irritiert, statt integriert“. So lautet der Titel meines ersten Buches, das 2015 erschien.
Als ich dann beobachtete, dass sich auch meine Tochter so allmählich dieser Thematik in ihrer naiven, kindlich süßen Art annähert, entstand das Kinderbuch „Ali und Anton. Wir sind doch alle gleich“. Die Hauptfiguren dieses Kinderbuches sind Ali, Anton und Rudy. Anton mag Ali mit den schwarzen Haaren nicht. Ali findet den „blonden Engel“ Anton doof. Und dann ist da Rudy, ein dunkelhäutiges Mädchen mit schwarzen Zöpfchen, die den Jungen mit einem Rollenspiel in der Puppenecke in der Kita vorführt, wie man auch ohne Ablehnung und in Freundschaft miteinander umgehen kann. Das Buch beschreibt die ersten Begegnungen von Kindern aus unterschiedlichen Ländern, wobei die Kinder ihr Anderssein oder ihre Unterschiedlichkeit über die Äußerlichkeit wahrnehmen. Am Ende stellen sie fest: „Du siehst zwar anders aus als ich, aber ein bisschen gleich sind wir schon!“
Wir müssen die Zukunft mit dem Thema Integration verstärkt konfrontieren und unsere Kinder so früh wie möglich dazu sensibilisieren, einander mit Verständnis und Toleranz zu begegnen. Je früher die Kitas und Grundschulen mit der Thematik der Integration in Verbindung kommen, umso einprägsamer und nachhaltiger ist das für die Kinder.
Ich habe niemals damit gerechnet, dass das Kinderbuch „Ali und Anton“ Zielscheibe der AfD und deren Anhänger wird. So habe ich bereits seit November 2017 Hass-Mails und Hasskommentare erhalten, die Beleidigungen auf rassistischer Ebene und Diskriminierungen übelster Art enthalten. Die Politik redet darüber, dass Menschen mit Migrationshintergrund sich für das Thema der Integration einsetzen sollen und werden aber dabei zu Hassobjekten, weil der Titel des Buches „Wir sind doch alle gleich“ der rechten Szene eine Angriffsfläche bietet.
Auch der Inhalt des Buches missfällt einigen, die sich im Internet auf Twitter und Facebook dazu äußern – etwa ein Twitter-Nutzer, der wohl aus Norddeutschland kommt: „Ein derartiger Kinderbuchautor sollte hier unsere Kinder nicht infiltrieren mit dem so friedsamen Islam. Er sollte seine Koffer packen und dort schreiben, wo sozialisierte Gewalt vorherrscht. Unsere Leitkultur hat den Namen dagegen verdient.“
(weitere hier gezeigte Tweets wurden inzwischen von den Nutzern entfernt)
Vor allem geht’s darum, dass diese Menschen das Buch nicht kennen und vor allem auch nicht gelesen haben. Der Autor heißt: Ahmet Özdemir – der Titel: Ali und Anton – Wir sind doch alle gleich. Das ist der Grund warum das Buch zu einem Hassprojekt geworden ist. Ferner schreiben mir die Menschen, Abstand von den deutschen Schulen und Kitas zu nehmen. Mit einer Lesung, die ich mir als Ziel gesetzt hatte, deutschlandweit alle Schulen und Kitas zu erreichen, würde ich angeblich in den deutschen Schulen „Gehirnwäsche“ verbreiten.
Wenn ein Mensch beschimpft und beleidigt wird, weil er es gewagt hat, ein Kinderbuch zu schreiben, das zeigt, wie Ali und Anton in der Kita Freunde werden – dann ist unsere Gesellschaft ganz unten angekommen. Dort, wo sie bei Pegida-Demonstrationen, AfD-Ergebnissen und Echo-Verleihungen schon austickte, schlägt sie nun ganz und gar mitten im braunen Sumpf der Stumpfsinnigkeit auf.
Ich wünsche mir sehr, dass Kinder nicht für politische, rassistische und islamistische Zwecke benutzt werden. Lasst die Kinder in Ruhe und Frieden. Kinder brauchen keine Hassstimmung und schlechte Vorbilder. Kinder brauchen Mut, sich frei zu entfalten, Motivation und die Freiheit, frei zu denken. Für die Zukunft wünsche ich mir von allen Menschen mehr Haltung und Charakter, insbesondere Frieden in allen Ländern.
Hass, Diskriminierung, Faschismus und Rassismus erleben auf der ganzen Welt eine Renaissance. Lasst uns gemeinsam dagegen kämpfen. Für unsere Zukunft. Für unsere Kinder!
Diesen Gastbeitrag schrieb Ahmet Özdemir.
Merkur.de* hat weitere Gastbeiträge zum Thema Intoleranz und Diskriminierung gesammelt:
(*Merkur.de ist Teil des deutschlandweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks.)
- Münchner Comedian Simon Pearce: An alle Münchner, die glauben, in einer toleranten Stadt zu leben.
- Münchner Schülerin und Bloggerin Livia Kerp (16) schämt sich für das, was ein fremdenfeindliches Paar seinem Kind beibringt.
- Schauspielerin Sushila Sara Mai: Ich bin Oberbayerin. Macht aus mir bitte keine Fremde!