1. Startseite
  2. Deutschland

Krebserregende Chemikalie überall in Deutschland nachgewiesen – „Nur die Spitze des Eisberges“

Erstellt:

Von: Fabian Müller

Kommentare

Die sogenannten Ewigkeitschemikalien PFAS gelten als hochgiftig und wurden nun an 1500 Orten in Deutschland nachgewiesen. Die EU prüft ein weitreichendes Verbot.

Berlin – Sie kleben an Pizzakartons, stecken in Kosmetika, Fische und Wildfleisch sind damit kontaminiert, Regenjacken beschichtet. Weit verbreitet, langlebig, potenziell giftig und in der Breite noch gar nicht untersucht: So in etwa könnte man ganz knapp die sogenannten Ewigkeitschemikalien PFAS beschreiben. Die von der Industrie breit genutzten Substanzen werden derzeit intensiv diskutiert, denn sie sollen einem Vorstoß zufolge in der EU weitgehend verboten werden. Dabei geht es Schätzungen zufolge um insgesamt mehr als 10.000 einzelne Stoffe. 

Die extrem stabilen Chemikalien, die auf natürliche Weise nicht vorkommen, können sich in der Umwelt anreichern, auch in Deutschland. Viele mit PFAS, kurz für Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, verunreinigten Orte sind nach Einschätzung des Umweltbundesamtes (Uba) noch unbekannt. Die wichtigsten Infos zum gefährlichen Schadstoff finden Sie hier im Überblick.

Kläranlage
Ein Detail eines Belebungsbeckens in einem Klärwerk. Einige PFAS finden unter anderem über Kläranlagen ihren Weg in Flüsse, Seen und Meere. © Corinna Schwanhold/dpa

Giftige Chemikalie PFAS überall in Deutschland nachgewiesen: „Spitze des Eisberges“

„Was wir sehen ist vermutlich die Spitze des Eisberges“, heißt es in einer Antwort von Uba-Präsident Dirk Messner an die Süddeutsche Zeitung. Am Donnerstag veröffentlichten Recherchen von SZ, NDR und WDR zufolge lassen sich an mehr als 1500 Orten in Deutschland PFAS nachweisen. Messner sprach von einem „wichtigen Beitrag, um das Mosaik weiter zusammenzusetzen“.

Einige PFAS finden unter anderem über Kläranlagen ihren Weg in Flüsse, Seen und Meere. Im vergangenen Jahr ergab eine Studie, dass PFAS selbst in den entlegensten Weltregionen im Regenwasser nachweisbar sind. „Mit der Aufnahme von PFAS aus verunreinigten Böden und Wasser in Pflanzen und der Anreicherung in Fischen werden diese Stoffe auch in die menschliche Nahrungskette aufgenommen“, schreibt das Uba. Menschen können PFAS zudem über die Luft und Trinkwasser aufnehmen.

Chemikalie weit verbreitet: PFAS gelten als „mittel- bis hochtoxisch“

Aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften – die Stoffe sind unter anderem sehr stabil und öl- wie auch wasserabweisend – werden sie breit verwendet. Sie finden sich in Alltagsgegenständen wie Anoraks, Pfannen und Kosmetik, sind aber auch Teil von Industrieprozessen und technischen Anwendungen.

Einige PFAS sind bereits weitgehend verboten, weil sie als gefährlich gelten. „Von den relativ wenigen gut untersuchten PFAS gelten die meisten als mittel- bis hochtoxisch, vor allem für die Entwicklung von Kindern“, schreibt die Europäische Umweltagentur (EEA).

Behörden mehrerer Länder, darunter Deutschland, streben ein weitgehend vollständiges Verbot der Stoffgruppe in der EU an. Dabei handelt es sich um eine Art Vorsichtsmaßnahme. Der Gedanke dabei: Wenn einige der Substanzen nachweislich schädlich sind, könnten es viele andere Vertreter der Stoffgruppe auch sein.

Aus Sicht des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) ginge ein Komplettverbot zu weit, da dann auch viele Anwendungen untersagt wären, von denen gar keine Gefahr ausgehe. „Ich gehe davon aus, dass die Auswirkungen der Beschränkung für viele Industriezweige erheblich wären“, sagte Mirjam Merz, Expertin für Chemikalienpolitik und Gefahrstoffrecht beim BDI, der dpa.

Erfüllt der Behörden-Antrag alle Formalitäten, sollen am 22. März öffentliche Konsultationen starten. Dabei können sich beispielsweise Industrievertreter für Ausnahmen stark machen. Die Entscheidung trifft am Ende die Europäische Kommission gemeinsam mit den EU-Mitgliedsstaaten. Mit einem Entschluss wird 2025 gerechnet. (dpa/fmü)

Auch interessant

Kommentare