Kurz vor Lockdown: Heftiger Ansturm auf „verzweifelte“ Friseure - „nicht im Sinne des Erfinders“

Kurz bevor am Mittwoch der Lockdown in Kraft tritt erleben Deutschlands Friseure noch einen regelrechten Ansturm. Die Konsequenzen der beschlossenen Maßnahmen sorgen für Kritik - auch im Einzelhandel.
Berlin - Schon am Mittwoch geht Deutschland zum zweiten Mal in diesem Jahr in einen harten Lockdown. Im Eilverfahren hatten sich Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten am Sonntag auf das Herunterfahren des gesellschaftlichen Lebens verständigt. Am 16. Dezember müssen dann sowohl der Einzelhandel als auch Dienstleister wie Friseure schließen.
Für die Regierenden gab es offenbar keinen anderen Ausweg mehr aus der zweiten Corona-Welle mit stark steigenden Infektionszahlen und einer drohenden Überlastung des Gesundheitssystems.
Corona-Lockdown in Deutschland: Riesiger Ansturm auf Friseure - „nicht im Sinne des Erfinders“
Doch der bevorstehende Lockdown hat nun einen „riesigen Kundenansturm“ auf die Friseure zur Folge. Unzählige Menschen wollen in den letzten beiden Tagen vor der Schließung noch einen Termin ergattern. Viele Friseure verlängerten deshalb an den letzten beiden Tagen ihre Öffnungszeiten, um möglichst viele Kunden zu bedienen, sagte Jörg Müller, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Friseurhandwerks, am Montag. „Das ist natürlich nicht im Sinne des Erfinders, aber die Friseure sind absolut verzweifelt.“
Corona-Lockdown kurz vor Weihnachten - „Existenz unseres Handwerks bedroht“
Normalerweise sei der Dezember für Salons der umsatzstärkste Monat des Jahres, da sich kurz vor den Feiertagen noch mal viele Menschen die Haare schneiden ließen. „Dieser zweite Lockdown bedroht die Existenzen unseres kleinteiligen Handwerks“, sagte Müller. Über das gesamte Jahr rechnet der Verband mit Umsatzeinbrüchen von rund 30 Prozent. Im Frühjahr mussten die Friseure schon einmal für sechs Wochen schließen und durften anschließend unter Auflagen wie Mindestabstand zwischen den Frisierplätzen wieder öffnen.
Über die aktuellen Entwicklungen der Corona-Lage in Deutschland berichten wir im News-Ticker.
Friseure vor Insolvenz bewahren - Wirtschaftshilfen gefordert
Die Friseure wollten alles tun, um Infektionen zu verhindern und seien von der Politik für ihre Hygienekonzepte gelobt worden, sagte Müller. „Es ist aber so, dass wir aufgrund dieser Maßnahmen weniger Kunden bedienen können.“ Um Friseure vor der Insolvenz zu bewahren, müssten die Wirtschaftshilfen jetzt schnell und effektiv fließen. „Beim Friseurhandwerk geht es um Kleinbetriebe. Da ist die Hilfe schon notwendig, um die Miete zu bezahlen für das Ladengeschäft.“
Die Salons hoffen demnach, dass sie ab Mitte Januar wieder Kunden bedienen können. Dann könnten sie auch verunglückte Selbstversuche auf den Köpfen korrigieren, sagte Müller. „Das ist ein Thema, das wir mit Leichtigkeit erledigen. Erst einmal geht es aber darum, Existenzen zu sichern.“
Kurz vor Weihnachts-Lockdown: Volle Innenstädte und „Panikkäufe“
Auch der Einzelhandel bekommt die Konsequenzen des bevorstehenden Lockdown zu spüren. In Baden-Württemberg etwa war von den seit Samstag landesweit gültigen Ausgangsbeschränkungen am dritten Adventswochenende - zumindest tagsüber - in vielen Innenstädten nichts zu sehen gewesen. Unzählige Menschen zogen los, um Weihnachtsgeschenke zu kaufen. Die Folge: Rappelvolle Fußgängerzonen. „Das sind reine Panikkäufe“, sagte die Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands Baden-Württemberg, Sabine Hagmann, am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Wegen Ausnahmen in den neuen Regularien und weil der Handel noch öffnen darf, ist das prinzipiell auch erlaubt.
Kritik an Spahns September-Zusage: „Würde heute keine Friseure und keinen Einzelhandel mehr schließen“
Zwar habe sie Verständnis, dass die Politik wenig Erfahrung im Umgang mit einer Pandemie habe und im Zweifel zügig handeln müsse, so Hagmann. Aber wochenlang hätten Politiker einen Lockdown quasi ausgeschlossen. Erst im September hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ein erneutes Vorgehen wie im Frühjahr ausgeschlossen: „Man würde mit dem Wissen heute keine Friseure mehr schließen und keinen Einzelhandel mehr schließen“., so Spahn im September. Die Schäden, die jetzt entstehen könnten, bedeuten aus ihrer Sicht für manche Händler das Aus. „Das ist irreparabel, wie da mitten im Weihnachtsgeschäft eingegriffen wird.“ (va/dpa)