Eine elektronische Fußfessel offenbarte seinen Aufenthaltsort rund um die Uhr. Doch die legte er nun ab, als das Urteil nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshof vor wenigen Tagen rechtskräftig wurde. Was für den Mann den zeitnahen Gang hinter Gittern zur Folge gehabt hätte.
Am Dienstag wollte die Staatsanwaltschaft den Haftbefehl vollstrecken, doch am Abend hatte sich der in Münster lebende H. von seiner Fußfessel getrennt. Ganz im Gegensatz zu seiner Lebensgefährtin, die laut Ermittlern als Fluchthelferin zu fungieren scheint. Nach dpa-Informationen werde daher von der Staatsanwaltschaft Münster geprüft, ob auch gegen die Frau ein Haftbefehl zu erwirken sei. Einen offiziellen Kommentar dazu gab es zunächst nicht.
Die Polizei ruft H. zur Fahndung aus. Dabei wird auch auf die Mithilfe der Bevölkerung gesetzt - entsprechende Informationen zum Aufenthaltsort können unter der Telefonnummer 0251/2752222 an die Polizei Münster oder auch an jede andere Polizeidienststelle weitergegeben werden.
Zwar seien bereits zahlreiche Hinweise über den Aufenthaltsort des Flüchtigen eingegangen, doch er sei unauffindbar, teilte die Polizei mit. H. wird wie folgt beschrieben: Er sei 1,80 Meter groß, wiege etwa 80 Kilogramm, sei schlank, trage braune, schüttere Haare, seine Augenfarbe sei blau-grau.
Nicole Schalla war am 14. Oktober 1993 unweit ihres Elternhauses tot aufgefunden worden. Ihr Slip war zerrissen, ihr Intimbereich entblößt. Der Täter soll ihr nahe einer Bushaltestelle aufgelauert und sie von hinten gepackt haben. Die Obduktion ließ darauf schließen, dass die Jugendliche fünf bis acht Minuten um ihr Leben gekämpft hatte, ehe sie das Bewusstsein verlor.
Erst 25 Jahre später konnten dank neuer Technik gefundene DNA-Spuren H. zugeordnet werden. Weil während des Prozesses eine Richterin erkrankte, musste dieser jedoch neu starten. So saß der Angeklagte vor dem Richterspruch bereits zwei Jahre in U-Haft - weil ihm nicht mehr Zeit hinter Gittern ohne Urteil zugemutet wurde, kam er auf freien Fuß. Dort blieb er schließlich auch, solange die Revision lief.
Die Fußfessel war jedoch nötig, weil von H. weitere Gefahr für schwere Straftaten gegen Frauen ausgehen könnten. So berichtet es die Bild, die auch darauf verweist, dass der Bundesgerichtshof lediglich die Staatsanwaltschaft und den Verteidiger darüber informiert habe, dass das Urteil nun rechtskräftig sei. Die Polizei habe dagegen nichts davon gewusst.
Gegen 20.10 Uhr am Dienstabend soll H. dem Bericht zufolge in einem Gewerbegebiet in Münster-Gremmendorf seine Fußfessel und sein Handy abgelegt haben, ehe er spurlos verschwand. Die Polizei habe alle Anlaufadressen, seine Wohnung und auch eine Laube, die ihm als Übernachtungsmöglichkeit diente, aufgesucht - ohne Ergebnis.
Es deute einiges darauf hin, dass die Flucht länger geplant gewesen sei. Wahrscheinlich sind H. und seine Verlobte per Auto oder per Zug unterwegs.
„Es war zu erwarten, dass der Angeklagte und jetzt Verurteilte die lebenslange Haft nicht freiwillig antreten wird“, zitiert die Boulevardzeitung die Nebenklage-Anwältin Dr. Arabella Pooth, die die Eltern von Nicole Schalla vertritt: „Meinen Mandanten kann ich das auch nicht mehr erklären, dass der Mörder ihrer Tochter jetzt weg ist. Das ist ein Albtraum.“ (mg)