Sabotage bei der Deutschen Bahn: ARD-Terrorismusexperte geht von einer neuen Tätergruppe aus
Wichtige Kabel durchtrennt, an empfindlichen Stellen – nach der Sabotage auf die Deutsche Bahn sind noch viele Fragen offen. Die Suche nach den Tätern und Motiv läuft auf Hochtouren.
Berlin – Der Bahnverkehr ist am Samstag (8. Oktober 2022) plötzlich gestört. Züge können nicht mehr abfahren. Das Kommunikationssystem der Deutschen Bahn ist gestört. Die Ursache für das Bahnchaos ist schnell gefunden. An zwei Standorten sind wichtige Kabel durchtrennt worden. Zwischen den beiden Tatorten in Herne (Nordrhein-Westfalen) und Berlin-Hohenschönhausen (Berlin) liegen mit dem Auto je nach Route etwa 519 Kilometer – ein Sabotageakt. Inzwischen ermittelt die Bundesanwaltschaft.
Die Polizei stellten am Tatort in Berlin DNA-Material sicher. Nach Informationen des Spiegel haben Bahnmitarbeiter offenbar wichtige Spuren zerstört. Als die Polizei am Samstagmorgen am Berliner Tatort eintrafen, hatten die Mitarbeiter der Bahn schon begonnen, den Schaden zu reparieren.

Sabotage bei der Deutschen Bahn: Das ist bisher zu den Tatorten und Uhrzeit bekannt
Unbekannte hatte nach Angaben erst in Nordrhein-Westfalen die Kabel zerstört und dann später in Berlin sogenannte Lichtwellenleiterkabel beschädigt. Die Leitungen in Berlin habe als Back-up für die bei Herne durchtrennte Datenleitung gedient. Nach der Sabotage ist das Kommunikationssystem zusammengebrochen. Der Zeitablauf der Bahn-Sabotage nach Angaben der Polizei:
- Tatort Herne (Nordrhein-Westfalen): Am 8. Oktober 2022 wurden gegen 2.30 Uhr mehrere Kabel im Bereich der Gleisanlagen zwischen der Fabrikstraße und dem Beien-Weg durchtrennt.
- Tatort Berlin-Hohenschönhausen (Berlin): In den frühen Morgenstunden, laut Polizei, wurden am 8. Oktober 2022 zwischen den S-Bahnhöfen Gehrenseestraße und Hohenschönhausen Kabel der Deutschen Bahn beschädigt. Die Berliner Polizei fragt zudem: Wer hat an dem besagten Tag gegen 6.30 Uhr Personen beobachtet, die sich im Ortsteil Neu-Hohenschönhausen im Bereich der Bahnanlagen oder in der näheren Umgebung in verdächtiger Weise aufgehalten haben?
Der Angriff auf das Kommunikationssystem der Bahn legte den Zugverkehr für drei Stunden in weiten Teilen Norddeutschlands lahm. Die Polizei in Berlin und der Staatsschutz in Bochum suchen Zeugen und Hinweise. Laut Spiegel gibt es trotz des sichergestellten DNA-Materials am Tatort in Berlin zunächst keine heiße Spur zu den mutmaßlichen Tätern.
Bahn-Sabotage: Wer steckt dahinter?
Sicher ist, dass es sich um einen gezielten Anschlag handelt. Das mutmaßliche Motiv der Sabotage ist zunächst noch unklar – Stand Donnerstag (13. Oktober). Nach Einschätzungen aus Sicherheitskreisen setze das Vorgehen Insiderwissen über die Bahn voraus, berichtet die Deutsche Presse-Agentur einen Tag nach der Sabotage. Gegen einen Angriff aus der linksextremistischen Szene spricht ein fehlendes Indiz: Bislang liegt kein Bekennerschreiben einer linksextremen Gruppe vor. Die hat es aber bei Angriffen auf das Bahnnetz in den vergangenen Jahren immer gegeben.
ARD-Terrorismusexperte Holger Schmidt geht von einer neuen Tätergruppe aus. Es gäbe eine Reihe von Akteuren, die zu so einer Tat fähig wären. Es sei so kurz nach der Sabotage schwierig zu sagen. Das Ziel sei jedoch klar, Infrastruktur der Deutschen Bahn anzugreifen. Schmidt glaube auch nicht, dass der Anschlag vom Samstag auf das Konto von Linksextremen geht. Das Vorgehen wirke deutlich professioneller.
In NRW gehen die Ermittler von einem politischen Hintergrund aus. Der Staatsschutz Bochum vermutet nach eigenen Angaben „eine politische Motivation“ der Tat. Nach den Explosionen an den Gaspipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 scheint vieles möglich. Die Bild-Zeitung hatte am Sonntag (9. Oktober 2022) berichtet, das Bundeskriminalamt (BKA) halte in einer internen Einschätzung auch staatliche Sabotage für denkbar. BKA und Bundesinnenministerium kommentierten den Bericht auf Nachfrage jedoch nicht.
„Verfassungsfeindliche Sabotage“: Generalbundesanwalt übernimmt Ermittlungen zu Bahn-Sabotage
Der Generalbundesanwalt ermittelt jetzt wegen der Sabotage am Kabelnetzwerk der Deutschen Bahn. „Wir haben heute die Ermittlungen gegen Unbekannt übernommen“, sagte ein Sprecher am Donnerstag (13. Oktober) in Karlsruhe auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP. Es gehe um den Anfangsverdacht der verfassungsfeindlichen Sabotage, das Bundeskriminalamt sei mit den polizeilichen Ermittlungen beauftragt. Zuerst hatte der Spiegel darüber berichtet. (ml)