Krankenpfleger Niels Högel gesteht 100 Patientenmorde - Oberarzt will nichts wissen

Zum Auftakt seines Prozesses hat Krankenpfleger Niels Högel 100 Patientenmorde gestanden. Ein Oberarzt beruft sich jedoch weiterhin auf mangelnde Erinnerung.
+++Update vom 6. Juni 2019+++: Das Landgericht Oldenburg hat den Ex-Pfleger Niels Högel (42) wegen Mordes in 85 Fällen zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.
Update vom 22. Februar:
Ein ehemaliger Oberarzt des Klinikums Oldenburg hat sich im Prozess gegen den Patientenmörder Niels Högel in seiner Aussage mehrfach auf mangelnde Erinnerung berufen. Der 42-jährige Mediziner konnte sich am Freitag vor Gericht weder an eine interne Konferenz noch eine Diskussion über den erhöhten Verbrauch von Kalium an der Klinik in Oldenburg erinnern. Ein zuvor von Zeugen erwähntes Zusammentreffen mit Högel, bei dem der Arzt dem Pfleger eine Spritze aus dem Kittel gezogen haben soll, bestätigte er ebenso wenig: „Es kann sein. Ich weiß es nicht genau“, sagte der Zeuge.
Högel arbeitete von Mitte 1999 bis Oktober 2002 am Klinikum Oldenburg. Er soll Patienten auch mit Kalium zu Tode gespritzt haben. Wegen des erhöhten Verbrauchs an Kalium wurde deshalb eine Konferenz mit Pflegern und auch Ärzten abgehalten, um den Verbrauch zu thematisieren. „Wie kann es sein, dass Sie von alldem behaupten, keine Kenntnis zu haben?“, fragte Richter Sebastian Bührmann den Zeugen, der inzwischen in den Niederlanden arbeitet.
Auch an konkrete Verdächtigungen gegen Högel konnte er sich nicht erinnern. Wenn über Högel geredet worden sei, dann sei das an den Chefarzt weitergegeben worden. „Damit ist es zur Chefsache geworden“, betonte der Zeuge. Högel habe die Abteilung dann verlassen und man habe sich nicht weiter darum gekümmert. „Es ist schwierig zu erzählen, wie es war und nicht war. Ich habe ein total verschwommenes Bild“, sagte der Zeuge. Allerdings beschrieb er ein Wochenende im September 2001, bei dem es auf der Intensivstation sehr viele - „11 oder 14“ - Reanimationen gegeben habe. Damals starben vier Patienten.
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Fall Niels Högel: Richter mit eindringlichem Appell
Update vom 21. Februar: Im Prozess um den 100-fachen Mord an Patienten hat der Richter eindringlich an den angeklagten Ex-Pfleger Niels Högel appelliert, die volle Wahrheit zu sagen. „Es ist für die Wahrheit nie zu spät“, sagte Richter Sebastian Bührmann am Donnerstag am Landgericht Oldenburg. Es sei auch jetzt nicht zu spät, nachdem zwei Drittel der Zeugen ausgesagt hätten.
Der 2015 wegen Mordes verurteilte Högel (42) sitzt schon wegen des Todes von sechs Patienten lebenslang in Haft. Er soll Patienten mit Medikamenten zu Tode gespritzt haben. Bührmann hält weitere Taten Högels grundsätzlich für möglich. Diese hätten „fast suchtartige Züge“ aufgewiesen, sagte der Richter am zwölften Prozesstag. Für ihn sei deshalb nur schwer vorstellbar, dass Högel nach der Versetzung in eine andere Abteilung im Klinikum Oldenburg von Januar bis September 2002 nur stillgehalten habe.
Am Donnerstag sagte ein Ex-Kollege Högels aus, der sich an den Spitznamen „Sensen-Högel“ erinnerte. Der 48-Jährige berief sich aber wie viele Zeugen zuvor trotz intensiven Nachfragens und des Vorhaltens früherer Aussagen von 2014 in vielen Punkten auf Erinnerungslücken. „Es fällt mir schwer, dass Sie sich 2014 an solche intensiven Sachen erinnern und 2019 nicht mehr“, sagte Bührmann.
Krankenpfleger Niels Högel gesteht 100 Patientenmorde
Oldenburg - Der wegen 100 Morden an Patienten angeklagte Ex-Krankenpfleger Niels Högel hat die Vorwürfe vor Gericht gestanden. Diese träfen weitgehend zu, sagte er am Dienstag vor dem Landgericht Oldenburg. Auf die Frage des Gerichts, ob die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zuträfen, antwortete Högel am Dienstag mit "ja". "Das was zugegeben worden ist, so ist es auch", fügte der 41-Jährige hinzu.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, von 2000 bis 2005 immer wieder Patienten an den Kliniken Oldenburg und Delmenhorst zu Tode gespritzt zu haben. Wegen sechs Taten sitzt er bereits lebenslang in Haft.
Krankenpfleger Niels Högel gesteht 100 Patientenmorde
Er habe aus niedrigen Beweggründen und heimtückisch gehandelt, sagte Oberstaatsanwältin Daniela Schiereck-Bohlmann in der Anklageverlesung. Högel soll Patienten nicht verordnete Medikamente gespritzt haben, die tödliche Komplikationen verursachten. Anschließend versuchte er, seine Opfer wiederzubeleben - was in vielen Fällen misslang. Das Motiv: Langeweile und Geltungssucht vor den Kollegen.
Die Zahl der vorgeworfenen Morde hat sich erst bei einer Befragung Högels durch einen Psychiater um einen auf 100 erhöht. Der Fall war bisher gar nicht angeklagt.
Krankenpfleger Niels Högel gesteht 100 Patientenmorde: „Alle ihre Angehörigen haben es verdient“
Wegen der vielen Nebenkläger und des großen Medienandrangs hat das Gericht die Verhandlung in eine Kongresshalle verlegt. Am Dienstag erschienen jedoch nicht alle der mehr als 120 Nebenkläger. In den reservierten Platzreihen blieben viele Stühle leer. Der Prozess ist komplex und aufwendig. Die Staatsanwaltschaft benannte 23 Zeugen und 11 toxikologische und rechtsmedizinische Sachverständige.
Vor Beginn des Prozesses bat der Vorsitzende Richter Sebastian Bührmann alle Anwesenden, zu einer Schweigeminute aufzustehen. „Alle ihre Angehörigen haben es verdient, dass man ihnen in Ehren gedenkt“, sagte Bührmann. Dies sei unabhängig davon, ob Högel etwas mit deren Tod zu tun habe oder nicht. „Wir werden uns bemühen und mit allen Kräften nach der Wahrheit suchen“, versprach Bührmann.
Außerdem: Eine Krankenschwester soll Ende 2019 mehrere Frühchen mit Morphium vergiftet zu haben.
dpa/AFP