„Die Situation ändert sich gerade wieder“: Drosten fürchtet hohe Corona-Welle noch in diesem Jahr
Laut Drosten ist die Pandemie nicht überwunden, noch vor Dezember erwartet uns eine neue Corona-Welle. Wie steht der Virologe zum Oktoberfest und Kontaktbeschränkungen?
München - Aktuell scheint es in Deutschland etwas ruhiger hinsichtlich Corona zuzugehen. Einige hoffen, dass die Pandemie nun womöglich sogar überstanden sein könnte. Virologe Drosten ist anderer Meinung - trotz dessen, dass er aktuell selbst keine Maske trägt.
Gegenüber der SZ verriet Christian Drosten in einem Interview, dass er aufgrund der geringen Infektionszahlen aktuell selbst auch kaum zur Maske greife. „Ja, ich trage im Moment fast keine Maske – weil die Infektionszahlen relativ niedrig sind, weil es nicht auferlegt ist und weil es gesellschaftlicher Konsens ist“, sagte er der Zeitung. Treffe er jedoch auf Personen in seinem Umfeld, denen das Tragen wichtig ist, schließe er sich selbstverständlich an.
Drosten rechnet mit neuer Corona-Welle noch vor Dezember
Spätestens im Winter greife der Virologe aber ebenfalls wieder auf die Maske zurück. Denn im Gegensatz zu anderen wissenschaftlichen Meinungen rechnet er durchaus mit einer neuen Corona-Welle im Herbst. Während einige Wissenschaftler es für wahrscheinlich halten, dass uns die Welle im Sommer dieses Jahres etwas mehr Zeit bis zur nächsten verschafft haben könnte, rechnet Drosten mit stark ansteigenden Infektionszahlen noch vor Dezember. „Die Situation ändert sich gerade wieder“, sagt er.

Dafür würden zum Beispiel „Daten etwa aus Gefängnissen in Kalifornien, aber auch unsere eigenen Labordaten sprechen, dass der Schutz vor Weiterübertragung bei einer Infektion mit Omikron nicht lange anhält.“ Das bedeutet, wenn eine Infektion über drei Monate her ist, kann ein Mensch bei erneuter Infektion genauso ansteckend wie ein Erstinfizierter sein. Es spiele dabei ebenfalls keine Rolle, ob man bereits geimpft ist.
Im Bundestag wurde am Donnerstag (8. September) das neue Infektionsschutzgesetz beschlossen. Es sieht erneut weitergehende Regeln zu Masken und Tests vor.
Corona: Warum wir eine neue Welle laut Drosten nicht einfach ignorieren können
Insgesamt helfe laut Drosten die Impfung selbstverständlich immens gegen schwere Verläufe, aber die Gesellschaft könne deshalb neue Infektionswellen nicht automatisch ignorieren und einfach austragen. „Die Abwesenheit von der Arbeit wird zum Problem“, sagt er im Interview weiter. Das Problem sei damit zwar glücklicherweise nicht mehr primär, dass Menschen sterben, aber aus einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive betrachtet, stellt allein die Abwesenheit von zahlreichen Menschen zur gleichen Zeit aufgrund eines Verlaufs mit Symptomen ein Problem dar.
Wie sollte die Politik im Herbst Drostens Ansicht nach also reagieren? Zunächst zeigt sich der Virologe zuversichtlich, dass eine Kontaktbeschränkung nicht von Seiten der Politik notwendig ist, sondern bei zahlreichen Krankheitsfällen automatisch stattfinden wird. „Bei den hohen Inzidenzen, die wir im Winter wahrscheinlich haben werden, sieht man eben, dass es die Krankheit wirklich gibt“, prognostiziert er und setzt deshalb auf Eigenverantwortlichkeit. Es sei aber trotzdem wichtig, dass die Politik die Situation genau beobachte und gegebenenfalls eingreife. Und: „Das Maskentragen in Innenräumen wird sicherlich wieder notwendig werden.“
Virologe Drosten über Corona-Ansteckungsgefahr auf dem Oktoberfest
Einen etwas kritischen Ton schlägt er derweil gegenüber der Ansteckungsgefahr während des anstehenden Oktoberfests an. „Viele Menschen ohne Masken in schlecht durchlüfteten Räumen werden Infektionen befördern, das hat sich ja auch schon bei anderen Volksfesten gezeigt“, sagt er gegenüber der SZ weiter.
Auf lange Sicht könnte sich die Corona-Situation laut Drosten in mehrere Richtungen entwickeln. „Mit der Zeit ist davon auszugehen, dass der Übertragungsschutz in der Bevölkerung besser wird.“ Das würde bedeuten, dass nur noch Kinder krank werden, da ihr Körper das Virus noch nicht richtig kennt. Ebenfalls möglich sei es laut dem Experten aber auch, dass Corona sich ähnlich wie die saisonale Wintergrippe entwickelt. (nz)