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Fischsterben in der Oder: Neue Erkenntnisse zur Ursache – Vorgehen macht Experten ratlos

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Von: Bettina Menzel, Stefanie Fischhaber, Martina Lippl, Fabian Müller

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Was ist die Ursache für das Fischsterben im deutsch-polnischen Grenzfluss Oder? Eine spezielle Algenart rückt immer mehr in den Fokus der Untersuchungen. Der News-Ticker.

Update vom 28. August, 10 Uhr: Es ist eine Umweltkatastrophe mit unvorhersehbaren Folgen. Tonnenweise Fische, Muscheln und andere Weichtiere sind seit dem 9. August in der Oder verendet. Die Ursache für das Fischsterben in dem deutsch-polnischen Grenzfluss ist zunächst noch unklar.

Fischsterben in der Oder: Erste Ergebnisse von Experten sollen vorliegen

Experten gehen davon aus, dass ein hoher Salzgehalt im Fluss ein wesentlicher Grund für die Umweltkatastrophe ist, verbunden mit Niedrigwasser, hohen Temperaturen und einer giftigen Algenart. Beim deutsch-polnischen Umweltrat werden am Montag (29. August) nach Angaben aus Brandenburg erste Ergebnisse einer bilateralen Expertengruppe zum Oder-Fischsterben vorgestellt. 

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) trifft sich in Bad Saarow in Brandenburg mit ihrer polnischen Amtskollegin Anna Moskwa, dabei soll es auch um das Fischsterben und die Folgen gehen. An dem Rat nehmen auch die Länder Brandenburg, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern teil.

Morgenstimmung an der Oder: Rätsel um Fischsterben geht weiter -  Folgen der Umweltkatastrophe sind unklar.
Umweltkatastrophe an der Oder: Ursache für das massenhafte Fisch- und Muschelsterben ist zunächst noch unklar. © Patrick Pleul

Oder-Fischsterben: „Ursachen sind noch nicht endgültig geklärt“ – Lemke befürchtet großen Schaden im Ökosystem

Update vom 27. August, 11.12 Uhr: Bundesumweltministerin Steffi Lemke erwartet für die von der Umweltkatastrophe betroffene Oder langfristige Schäden. Ob der Grenzfluss sich wieder vollständig erholen werde, lasse sich noch nicht sagen, so die Grünen-Politikerin im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „In der Oder als Ökosystem entstand weit größerer Schaden als das Fischsterben allein“, so Lemke. Die ersten Untersuchungsergebnisse ließen befürchten, dass es gravierendere Schäden geben könnte.

„Die Ursachen sind noch nicht endgültig geklärt“, sagte Lemke. Dennoch würde sie das Fazit ziehen, dass es sich um eine menschengemachte Gewässerverschmutzung handele – „vermutlich in Kombination mit der Hitze, die niedrige Wasserstände und hohe Wassertemperaturen verursachte“, so die Ministerin.

Angesichts der Oder-Katastrophe müsse man prüfen, ob es auch anderswo genehmigte Einleitungen in Gewässer gibt, die künftig wegen steigender Temperaturen gefährlicher werden, erklärte die Umweltministerin. „In viele Flüsse werden permanent und legal chemische Substanzen, Salze und Nährstoffe eingeleitet. Dass das bei niedrigen Wasserständen und hohen Temperaturen ein größeres Problem für ein Gewässer sein kann als bei niedriger Wassertemperatur und größerer Verdünnung, legt der gesunde Menschenverstand nahe.“

Oder-Katastrophe: Naturschutz- und Umweltverbände drängen auf Rettungsplan

Update vom 26. August, 12.32 Uhr:  Mehrere Naturschutz- und Umweltverbände dringen angesichts des Fischsterbens in der Oder auf einen umfassenden Rettungsplan für den deutsch-polnischen Grenzfluss. „Der dramatische Verlust an Fischen, Muscheln und anderen Weichtieren, sowohl in absoluter Zahl als auch bei der Artenvielfalt, sowie die unvorhersehbaren Konsequenzen für das Ökosystem der Oder erfordern rasches, umfassendes politisches Handeln“, verlangte der Deutsche Naturschutzring am Freitag. Die Katastrophe müsse als Chance für eine Wiederbelebung genutzt werden, an der sich Tschechien, Polen und Deutschland beteiligen müssten.

Zu den Verbänden zählen auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), die Deutsche Umwelthilfe, der Naturschutzbund (Nabu), der WWF Deutschland, die Stiftung Euronatur und die Heinz Sielmann Stiftung. Sie halten einen sofortigen Stopp des von Polen geplanten Ausbaus der Oder für notwendig. Die Oder müsse geschützt und umweltfreundlich genutzt werden, dafür seien langfristige Geldmittel nötig. Außerdem müsse die Überwachung des Gewässers verbessert werden. 

Fischsterben in der Oder: Neue Erkenntnisse zur Ursache – Vorgehen macht Experten ratlos

Update vom 25. August, 22.20 Uhr: Wie geht es weiter mit dem Fischbestand der Oder? Vor der Naturkatastrophe zählte der deutsch-polnische Grenzfluss zu den artenreichsten Gewässern seiner Art. Der Gewässerökologe Christian Wolter geht davon aus, dass ein Teil der Fische die mutmaßliche Vergiftung des Wassers überlebt hat. Allerdings könnte der Sauerstoffmangel, der beim Abbau der besagten Algen noch entstehen werde, den Tieren gefährlich werden. 

Generell, so Wolter, käme der Oder aber „zugute, dass sie zum Meer hin keine Barriere hat. Fische können ohne unser Zutun ein- und auswandern.“ Auch der Fischbestand werde sich erholen, das „hohe[…] Reproduktionspotenzial“ dazu führen, dass man „in zwei bis drei Jahren das Fischsterben nur noch an der Alterspyramide erkennen“ werde, so der Gewässerökologe.

Einer Erholung der Oder zuwiderlaufen würde Wolter zufolge jedoch der geplante Ausbau der Schifffahrt. Der Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Klement Tockner, schloss sich dieser Einschätzung an, da der Bau einer tieferen Fahrrinne in den angrenzenden Bereichen das Absinken des Grundwasserspiegels bewirken würde. Gemeinsam mit dem Bau weiterer Staudämme würde das eine massiven Verschlechterung des ökologischen Zustands der Oder bedeuten. „Der Fluss bietet Erholung, ist ein wertvolles Ökosystem und hält das Wasser in der Landschaft zurück – bei Niedrig- und bei Hochwasser. All das wird bei einem Ausbau leiden und dies kann zu deutlich größeren Schäden führen“, so Tockner.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke kündigte indes an, sich mit ihrer polnischen Amtskollegin Anna Moskwa am kommenden Montag (29. August) im Rahmen des deutsch-polnischen Umweltrates besprechen zu wollen. Im Fokus stünde insbesondere auch die Frage nach einer Regeneration des Flusses, die Lemke zufolge ein Ende des Oder-Ausbaus verlange. „Wir brauchen jetzt die Flachwasserbereiche für die Regeneration der Fischbestände. Das sollte aus meiner Sicht jetzt absolute Priorität haben. Und deshalb keine Baumaßnahmen, weil die der Regeneration entgegenstehen würden“, so die Ministerin am Donnerstag (25. August).

Fischsterben in der Oder: Vermutlich keine Auswirkungen auf andere Tiere

Update vom 25. August, 20.40 Uhr: Eisvogel, Seeadler oder Otter – eine Menge seltener Arten besiedelt das Gebiet der Oder. Inwiefern diese Tiere von dem Fischsterben mittelbar betroffen sind und eventuell durch das Fressen von Aas ebenfalls in Lebensgefahr geraten, beschäftigt den Leiter des Nationalparks Unteres Odertal, Dirk Treichel. Man gehe davon aus, dass sterbende Fische bzw. deren Kadaver von den anderen Flussan- und bewohnern zwar gefressen würden, es gäbe aber „keine Funde von toten Exemplaren“ anderer Tiere, so Treichel. 

Lediglich zwei Kormorane und fünf Enten hätten Ornithologen entdeckt, es sei aber nicht erkennbar, dass deren Ableben „einen ursächlichen Zusammenhang zum Fischsterben“ aufweise, fügte Christian Wolter vom Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei hinzu. Einige Arten könnten zur Futtersuche außerdem „in umliegende Gewässer ausweichen, ohne dass sich ihr Anflugrevier groß verändern muss“, beziehungsweise würden, wie der Seeadler, generell kein Aas fressen, erklärte Wolter.

Fischsterben in der Oder: Neue Erkenntnisse zu Salz im Fluss – Ist doch die Industrie schuld?

Update vom 25. August, 19.50 Uhr: Es gibt neue Erkenntnisse zu der, womöglich für die Naturkatastrophe ursächlichen Algenart Prymnesium parvum. Das immense Wachstum der Pflanze sei nur durch die hohe Salzkonzentration im Flusswasser möglich gewesen und dieses Salz wurde nun näher untersucht. „Kollegen von mir haben festgestellt, dass es sich um Kochsalz handelt. Es ist gut geeignet für die Algenentwicklung“, so Christian Wolter vom Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei.

Die Nahaufnahme zeigt tote Muscheln und Wasserschnecken am Ufer des Flusses bei Sonnenaufgang.
Tote Muscheln und Wasserschnecken sammeln sich am Ufer der Oder. Seit mehreren Tagen beschäftigt das massive Fischsterben die Behörden und Anwohner des Flusses in Deutschland und Polen. © picture alliance/dpa | Patrick Pleul

Er gehe davon aus, dass es sich dabei um ein Abfallprodukt aus der Industrie handele. „Ich weiß aber nicht, bei welchem Prozess solche Mengen an Kochsalz anfallen und warum man sie ausgerechnet bei Niedrigwasser loswerden muss.“ 

Oder-Katastrophe: Entwarnung für Anwohner – trotz zirka 170.000 illegalen Einleitungen

Update vom 25. August, 16:30 Uhr: Zwar gab es am Donnerstag die erste Entwarnung an der Oder: Anwohner und Touristen können im Stettiner Haff/Im Kleinen Haff an der Odermündung wieder ohne Beschränkungen baden gehen, hieß es von Seiten der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns. Dennoch könne man sich jetzt nicht einfach zurücklehnen, mahnte Umweltminister Till Backhaus (SPD). „Ich fordere, dass aus der Katastrophe die richtigen Lehren gezogen werden“, so der SPD-Politiker.

Die Katastrophe sei nicht vorbei. „Die Nachwirkungen werden die Oder für Jahre oder gar Jahrzehnte verändern. Wie heute durch die Medien bekannt wurde, gibt es neben den genehmigten Einleitungen in die Oder bis zu 170.000 ungenehmigte Einleitungen.“ Deshalb werde er sich in einem Brief an Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) wenden, teilte Backhaus mit. Kopien werde er an Landwirtschaftsminister Özdemir, Außenministerin Baerbock und Verkehrsminister Wissing senden.

Fischerdorf  Insel Usedom Kleinen Haff (Stettiner Haff) Grenze Polen.Anwohner  Touristen  baden  angeln.
Das Fischerdorf Kamminke liegt direkt am Kleinen Haff (Stettiner Haff) und der Grenze zu Polen. Dort dürfen Anwohner und Touristen nun wieder baden und angeln. © Stefan Sauer/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Umweltminister von Mecklenburg-Vorpommern: „Oder-Katastrophe wäre vermeidbar gewesen“

Die Katastrophe in der Oder wäre vermeidbar gewesen, so Backhaus. „Die Indizien weisen darauf hin“, sagte der Umweltminister Mecklenburg-Vorpommerns laut einer Mitteilung des Regierungsportals vom Dienstag. Offenbar hätten mehrere Umstände in fataler Weise zusammengespielt. Insbesondere ein hoher Salzgehalt im Wasser, die Algenblüte und Gifte. Diese drei Faktoren hätten möglicherweise den Cocktail ergeben, der zu der Katastrophe führte, fasste der Minister zusammen.

„So ist inzwischen bekannt, dass in Polen regelmäßig salzhaltige Abwässer in die Oder geleitet werden. Die wasserrechtlichen Genehmigungen dafür sind aber offenbar nicht an die niedrigen Wasserstände angepasst, die wir zurzeit aufgrund der geringen Niederschläge in weiten Teilen Deutschlands und Europas verzeichnen“, so der Minister weiter. Bislang wurden Angaben des Nachrichtenportals The Pioneer vom Donnerstag unter Berurfung auf Zahlen des Bundesumweltministeriums 300 Tonnen tote Fische aus der Oder geholt.

Entwarnung im Kleinen Haff an der Odermündung: Menschen dürfen wieder baden und angeln

Update vom 25. August, 15.10 Uhr: Am Donnerstag gab es gute Nachrichten von der Oder - zumindest im Bereich im Kleinen Haff an der Odermündung. Dort darf wieder bedenkenlos gebadet und geangelt werden. Die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns hob am Donnerstag die vorsorgliche Badewarnung auf und nahm auch die Empfehlung zurück, auf Angeln und Fischen zu verzichten. Die Untersuchungen der zuständigen Umwelt- und Veterinärbehörden hätten keine auffälligen Konzentrationen von Schadstoffen ergeben.

Auch die Goldalgen, deren Gift als eine Ursache für das massenhafte Fischsterben in der Oder angenommen wird, wiesen im Haff nur sehr geringe Konzentrationen auf. „Damit ist das Vorkommen als ungefährlich einzustufen“, sagte Umweltminister Till Backhaus (SPD) in Schwerin. Dennoch werde das Haff weiterhin regelmäßig beobachtet und es würden Wasserproben von dort genommen.

Oder-Katastrophe: Riesiger Teppich toter Wasserschnecken in Ufernähe entdeckt

Update vom 25. August, 7.04 Uhr: Erst tote Fische, nun sind in Ufernähe auch riesige Teppiche toter Wasserschnecken zu beobachten, zudem treiben viele Muscheln an der Wasseroberfläche, berichtet die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf Dirk Treichel, Leiter des Nationalparks Unteres Odertal.

Oder-Katastrophe wegen Algengift: Experten sehen keine direkte Gefahr für Vögel und Säugetiere

„Nach bisherigen Erkenntnissen sind nur kaltblütige Tierarten betroffen, wie Fische, Muscheln und Schnecken“, sagte Dirk Treichel. Zu den sogenannten kaltblütigen Tieren gehören unter anderem Fische, Amphibien und Reptilien, nicht aber Vögel und Säugetiere. Das massive Fischsterben in der Oder bedeute dem Experten zufolge keine direkte Gefahr für viele Landtiere.

 „Bei ähnlichen Katastrophen wurde nicht berichtet, dass auch warmblütige Tiere betroffen sind“, sagt Christian Wolter vom Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB). Weltweit habe es bereits verschiedene andere Fälle von massenhaftem Fischsterben durch das in der Oder gefundene Algengift gegeben, so Wolter.

Algengift im Oderwasser

In den Wasserproben der Oder konnte ein Algengift nachgewiesen werden. Es ist das Gift einer Algenart (wahrscheinlich Prymnesium parvum), die ausschließlich im Brackwasser und bei erhöhtem Salzgehalt im Wasser vorkommt.

Unnatürliche massiv erhöhte Salzfrachten konnten, laut dem IGB, seit rund zwei Wochen am offiziellen Messpegel des Landesamtes für Umwelt in Frankfurt an der Oder gemessen werden. Die müssten ihren Ursprung stromaufwärts haben.

Das Massenwachstum der Algen bewirkte demnach auch deutlich erhöhte Messwerte bei Sauerstoff, pH und Chlorophyll.

Das Algengift (Prymnesium-Toxine) greift und zersetzt die Schleimhäute und feinen Blutgefäße von Kiemenatmer, wie Fische, Weichtiere, Muscheln und Amphibien.

Nach Umweltkatastrophe an der Oder: Experten fordert „Kur“ für den Fluss

Update vom 23. August, 16.51 Uhr: Nach der Umweltkatastrophe in der Oder muss nach Ansicht des Leiters des Nationalparks Unteres Odertal, Dirk Treichel, die Widerstandsfähigkeit der Oder gestärkt werden. „Wir brauchen eine Kur für die Oder“, sagte Treichel am Dienstag beim Umweltausschuss des Landtags in Potsdam. Es müsse alles unternommen werden, um den Stress des Ökosystems zu minimieren. Dazu gehörten die Verhinderung von Gewässereinleitungen und gewässerbauliche Maßnahmen, so Treichel.

Es gebe bereits viele Ideen für aktives Tun, damit sich der Fluss wieder erholen könne, etwa die Schaffung von Flutrinnen und das Anschließen von Nebengewässern oder Altarmen der Oder. Zudem sei es wichtig, die Auen weiter als natürliche Hochwasserschutzflächen zu revitalisieren.

Update vom 23. August, 6.13 Uhr: 200 Tonnen Fischkadaver sind bis Samstag in Polen und Deutschland eingesammelt worden. Die verendeten Fische müssen sicher entsorgt werden, heißt es auf der Seite des Landes Brandenburg. Das Fischsterben gibt weiter Rätsel auf. Am Dienstag trifft sich der Umweltausschuss im Brandenburger Landtag zu einer Sondersitzung (14.00 Uhr). Das Landesumweltministerium in Potsdam berichtet über die bisherigen Erkenntnisse.

„Fake News“-Vorwurf aus Polen: Deutschland kontert im Zusammenhang mit Fischsterben

Update vom 22. August, 14.13 Uhr: Die Bundesregierung hat polnische Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Fischsterben in der Oder zurückgewiesen. „Wir bedauern, dass es zu dieser Bewertung von polnischer Seite gekommen ist“, sagte ein Sprecher des Bundesumweltministeriums am Montag in Berlin mit Blick auf den Vorwurf aus Warschau, Deutschland verbreite „Fake News“ (Falschnachrichten). Die Suche nach den Ursachen für das Fischsterben in der Oder sei nach wie vor nicht abgeschlossen.

„Von keiner Seite und zu keiner Zeit wurde in Deutschland aber behauptet, dass die Pestizide allein ursächlich für das Fischsterben gewesen seien. Dass entsprechende Laborergebnisse vom polnischen Umweltministerium jetzt als Schuldzuweisung verstanden wurden, ist bedauerlich.“ An diesem Montag tage erstmals die eingesetzte deutsch-polnische Expertengruppe. Man hoffe, dass eine „mögliche Missstimmung“ ausgeräumt werde, wenn dort die Laborergebnisse vorgelegt und besprochen werden.

Mittlerweile gebe es mehrere organische und anorganische Substanzen, die dafür verantwortlich sein könnten, sagte der Sprecher weiter. „Es scheint sich da wirklich um einen Chemie-Cocktail zu handeln. Keine dieser Substanzen hat nach unseren bisherigen Erkenntnissen allein zum Fischsterben geführt.“ Es könnte sich um ein „multi-kausales Ereignis“ handeln.

Fischsterben in der Oder: Behörde hält mehrere Ursachen für möglich

Update vom 22. August, 13.17 Uhr: Das Fischsterben in der Oder ist eine Umweltkatastrophe. Das gesamte Ökosystem an der Oder – Muscheln, Mollusken (Weichtiere), Algen und Bakterien – sind betroffen. Vieles ist zunächst noch unklar. Die Folgen noch nicht absehbar. Wasserproben werden in Laboren noch untersucht, dabei ist schon viel Zeit vergangen. In Brandenburg hatte das Landesamt für Umwelt (LfU) nach eigenen Angaben erste Hinweise auf eine Umweltverschmutzung am 9. August 2022 erhalten. Ein Schiffsführer hatte über das Fischsterben berichtet und sich demnach an das Landeslabor Berlin-Brandenburg (LLBB) gewandt. Möglicherweise mehrere Ursachen kommen für das Fisch- und Artensterben laut der Behörde infrage – Stand 22. August 2022. Analysen haben demnach zunächst Folgendes ergeben:

Update vom 21. August, 19.49 Uhr: Die Ursachenforschung zum Fischsterben in der Oder gestaltet sich weiterhin schwierig. Mit Ergebnissen der aktuellen Wasserprobenuntersuchungen rechne man bis Ende August, hieß es dazu nun vonseiten des Bundesumweltministeriums. Demnach laufen Untersuchungen in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Die Umweltkatastrophe solle auch im deutsch-polnischen Umweltrat am 29. August 2022 in Bad Saarow auf der Tagesordnung stehen.

Bekannt ist bereits, dass Quecksilber nicht der Auslöser ist. „Neueste Ergebnisse des IGB und der Universität Wien erhärten den Verdacht, dass es in der Oder eine Massenentwicklung von giftigen Brackwasser-Algen gab, die mit für das Fischsterben verantwortlich sein könnten“, so das deutsche Umweltministerium. Das Fischsterben könne aber auch durch ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren verursacht worden sein.

Fischsterben am Fluss Oder: Ein toter Blei liegt am frühen Morgen im flachen Wasser vom deutsch-polnischen Grenzfluss Oder.
Fischsterben am Fluss Oder: Ein toter Blei liegt am frühen Morgen im flachen Wasser vom deutsch-polnischen Grenzfluss Oder. © Patrick Pleul/dpa

Umweltkatastrophe an der Oder: Polen kurbelt in Westpommern Sauerstoffversorgung im Wasser mit Pumpen an

Polen arbeitet indes offenbar daran, die Sauerstoffversorgung der Fische im Fluss anzukurbeln. Das teilte Gebietschefs der Woiwodschaft Westpommern, Zbiegniew Bogucki, am Sonntagabend auf Twitter mit. Es seien zu diesem Zweck bereits 17 Pumpen im Wasser, am Sonntag sollen demnach zwei weitere folgen.

Am Samstag hatte Bogucki bereits davon gesprochen, dass viele Fische aufgrund des Sauerstoffmangels im Wasser an der Oberfläche schwimmen würden und kurz vor dem Ersticken wären. Der Politiker postete dazu ein entsprechendes Video. Doch gleichzeitig machte er auch Hoffnung: „Dort, wo wir vor ein paar Tagen tonnenweise tote Fische geborgen haben, sind jetzt lebende Fische gesichtet worden“, hatte Bogucki am Samstag auf Twitter geschrieben.

Ausmaß der Umweltkatastrophe in der Oder: 200 Tonnen toter Fische eingesammelt

Tote Fische
Die Gründe für das massenhafte Fischsterben in der Oder sind weiter unklar. © Patrick Pleul/dpa

Update vom 21. August, 15.35 Uhr: Die Ursache für die Umweltkatastrophe bleibt auch am Sonntag weiter unklar. Doch das Ausmaß wird immer deutlicher: Bis zum Samstag wurden in Polen und Deutschland rund 200 Tonnen toter Fische eingesammelt. Die polnische Feuerwehr bezifferte die Menge am Samstag mit 158 Tonnen. In Polen waren nach Angaben des Innenministeriums in Warschau zur Bergung der Kadaver mehr als 3000 Feuerwehrleute, mehr als 2000 Polizisten sowie 1300 Soldaten beteiligt. Brandenburg hatte bereits in einer früheren Mitteilung des Umweltministeriums mindestens 36 Tonnen toter Fische gemeldet.

Umweltkatastrophe in der Oder: Vergifteteter Fluss tötete vom Aussterben bedrohte Störe

Update vom 21. August, 14.55 Uhr: Die Ökokatastrophe in der Oder hat nach Angaben des WWF enorme Auswirkungen auf die Wiederansiedlung des Störs in den Gebieten. Die vom Aussterben bedrohten Fische werden in Deutschland in der Elbe und in der Oder wieder angesiedelt, um ihre Art zu erhalten. Durch die Giftwelle in der Oder seien in einer Aufzuchtanlage des Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei 20.000 junge Störe verendet, wie der WWF am Sonntag in Berlin berichtete.

„Die toten Jungstöre sind nur ein kleiner Teil des Umweltdramas“, erklärte Finn Viehberg vom WWF Deutschland. Sie versinnbildlichten aber, „wie menschliche Achtlosigkeit zum Verlust von Natur und Artenvielfalt führt“. Es müsse nun geprüft werden, ob nach dem massenhaften Fischsterben das Nahrungsangebot für die überlebenden oder rückkehrenden Störe überhaupt ausreiche.

Polens Regierung wirft Deutschland „Fake News“ vor

Erstmeldung vom 21. August: Warschau/ Frankfurt - Noch immer ist die Ursache für das massive Fischsterben in der Oder nicht bekannt. Mehr als 36 Tonnen tote Fische wurden mittlerweile allein in Deutschland aus der Oder gezogen. Das Landeslabor Berlin-Brandenburg fand nun erhöhte Pestizid-Werte in der Oder. Polens Regierung spricht deshalb von Falschmeldungen aus Deutschland.

Fischsterben in der Oder: Polen widerspricht Erkenntnissen aus Deutschland

Am Samstag (20. August) teilte das Brandenburger Umweltministerium mit, dass hohe Konzentrationen eines Pestizids mit dem Wirkstoff 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure in der Oder gefunden worden seien. Der Wirkstoff wird etwa zur Bekämpfung von Unkraut eingesetzt. Die nachgewiesene Dosis sei jedoch nicht unmittelbar tödlich für die Fische. Das Umweltministerium geht weiterhin von mehreren Ursachen für die Umweltkatastrophe aus.

Polens Regierung widerspricht diesen Erkenntnissen und warf Deutschland die Verbreitung von Fake News vor. „Achtung, eine weitere Fake News wird in Deutschland verbreitet!!! Pestizide und Herbizide. In Polen wurde der Stoff getestet und unterhalb der Bestimmungsgrenze nachgewiesen, d. h. ohne Auswirkungen auf Fische oder andere Tiere, und ohne Verbindung zum Fischsterben“, schrieb Polens Umweltministerin Anna Moskwa am Samstagabend auf Twitter.

Polen kritisiert Deutschland: „Ungerechtfertigter Angriff auf die Landwirtschaft“

Die Substanzen seien in Fischen nicht entdeckt worden, so Moskwa in einem weiteren Tweet, „Ein ungerechtfertigter Angriff auf die Landwirtschaft. Erst die Industrie, jetzt die Landwirtschaft? Was kommt als Nächstes?“ Polens nationalkonservative PiS-Regierung steht nicht nur im Inland unter Druck, weil polnische Behörden nur zögerlich auf erste Hinweise zu dem Fischsterben reagierten.

Auch aus Deutschland kam Kritik, dass polnische Behörden die international vereinbarten Informationsketten nicht eingehalten hätten. Vertreter der PiS reagierten darauf wiederholt mit antideutschen Tönen - und mit Attacken gegen die polnische Opposition. (sf/dpa)

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