RSV-Welle „baut sich auf“: Notfallmediziner beklagen dramatischen Bettenmangel in Kinderkliniken
Die Zahl der RSV-Infektionen nimmt weiter zu – die Zahl der verfügbaren Betten in Kinderkliniken bleibt zu niedrig. DIVI-Experten sprechen von einer „katastrophalen Situation“.
München - Wenn es im Herbst kalt und grau wird, beginnt in der Regel auch die RSV-Saison. In diesem Jahr warnen Ärzte allerdings besonders vor dem respiratorischen Synzytial-Virus. Seit Wochen berichten Experten der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) von einem rasanten Anstieg der Fälle. Insbesondere bei Kindern führen RSV-Infektionen häufig zu Erkrankungen und Krankenhauseinweisungen. Die Lage in den Kinderkliniken ist allerdings „katastrophal“.
Dramatischer Bettenmangel in Kinderkliniken: RSV-Welle „baut sich weiter auf“
Deutsche Intensiv- und Notfallmediziner beklagen einen dramatischen Bettenmangel in den Kinderkliniken. „Die RSV-Welle baut sich immer weiter auf und macht bei vielen Kindern die Behandlung mit Atemunterstützung notwendig. Wir können – Stand heute – davon ausgehen, dass es zu dieser Behandlung nicht genügend Kinder-Intensivbetten gibt“, erklärte Prof. Sebastian Brenner, DIVI-Kongresspräsident und Bereichsleiter der interdisziplinären Pädiatrischen Intensivmedizin im Fachbereich Neonatologie und Pädiatrischen Intensivmedizin der Unikinderklinik Dresden.
Sein Kollege Michael Sasse, leitender Oberarzt der Kinderintensivmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover, wurde bei der DIVI-Pressekonferenz am Donnerstag (1. Dezember) noch deutlicher: „Kinder sterben, weil wir sie nicht mehr versorgen können.“ Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) warnte auf Merkur.de-Anfrage angesichts der RSV-Welle vor „unüberlegten Schnellschüssen“, forderte aber auch „möglichst schnell Lösungswege“.
Respiratorisches Synzytial-Virus (RSV)
An RSV kann man in jedem Alter erkranken, aber vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern ist der Erreger bedeutsam. Es kann sich um eine einfache Atemwegsinfektion handeln, aber auch schwere Verläufe bis hin zum Tod sind möglich. Zu Risikopatienten zählt das RKI zum Beispiel Frühgeborene und Kinder mit Lungen-Vorerkrankungen, aber auch generell Menschen mit Immunschwäche oder unterdrücktem Immunsystem.
Innerhalb des ersten Lebensjahres hätten laut RKI normalerweise 50 bis 70 Prozent und bis zum Ende des zweiten Lebensjahres nahezu alle Kinder mindestens eine Infektion mit RSV durchgemacht. Im Zuge der Corona-Schutzmaßnahmen waren viele solcher Infektionen allerdings zeitweise ausgeblieben.
Bettenmangel in Kinderkliniken: DIVI-Umfrage zeigt „katastrophale Situation“
„Von 110 Kinderkliniken hatten zuletzt 43 Einrichtungen kein einziges Bett mehr auf der Normalstation frei. Lediglich 83 freie Betten gibt es generell noch auf pädiatrischen Kinderintensivstationen in ganz Deutschland – das sind 0,75 freie Betten pro Klinik, also weniger als eines pro Standort“, teilte die DIVI mit. Für die aktuelle Ad-hoc-Umfrage habe der Verband 130 Kinderkliniken angeschrieben. 110 Häuser hätten ihre Daten vom Stichprobentag 24. November bereitgestellt. Bei der Umfrage wurden laut DIVI alle Kinderkliniken angeschrieben, die am bundesweiten „Kleeblattkonzept“ zur Patientenverlegung teilnehmen. Dabei arbeiten jeweils bestimmte Bundesländer zusammen.

„Das ist eine katastrophale Situation, anders ist es nicht zu bezeichnen“, sagte der DIVI-Generalsekretär und Münchner Kinder-Intensivmediziner Prof. Florian Hoffmann. „Deshalb fordern wir die sofortige Optimierung von Arbeitsbedingungen in den Kinderkliniken, den Aufbau telemedizinischer Netzwerke zwischen den pädiatrischen Einrichtungen und den Aufbau von spezialisierten Kinderintensivtransport-Systemen. Wir müssen jetzt endlich handeln“, forderte er in einer Mitteilung.
Jede zweite Klinik habe bei der Umfrage berichtet, dass sie in den vergangenen 24 Stunden mindestens ein Kind nach Anfrage durch Rettungsdienst oder Notaufnahme nicht für die Kinderintensivmedizin annehmen konnte – also der Anfragende nach einem adäquaten Behandlungsplatz weitersuchen musste. „Diese Situation verschärft sich von Jahr zu Jahr und wird auf dem Rücken kritisch kranker Kinder ausgetragen“, so Hoffmann. (ph/dpa)