Eine Userin schreibt ebenfalls auf Twitter: "Wie? Köln hat jetzt Verhaltensregeln für Frauen? Ist das die "Selbst schuld, wenn.."-Nummer?" Die User sind wütend, dass Rekers Satz suggeriert, die Frauen müssten ihr Verhalten ändern. Dies könne nicht die Lösung des Problems und Angstgefühls sein.
ZDF-"Neo Magazin Royale"-Moderator Jan Böhmermann twittert: "Nur fürs Verständnis, ich frage für eine Freundin: Gilt Henriette Rekers 'Eine Armlänge Abstand'-Trick für normale oder bewaffnete Fremde?" Er fordert seine Fans auf, ein Reker-Foto in Photoshop zu bearbeiten und der Oberbürgermeisterin spaßeshalber einen Fahrrad-Abstandhalter an den Arm zu setzen. Die User verwenden den Hashtag #einearmlaenge.
Die Reaktionen - etwa bei Twitter unter dem Kennzeichen #einearmlaenge - pendelten zwischen Spott und scharfer Kritik. Ein Nutzer des Kurznachrichtendienstes schrieb etwa: „Ich könnte platzen! Bekommen Frauen jetzt eine Mitschuld, wenn sie sich nicht an die Verhaltensregeln halten?“ Ein anderer kommentierte ironisch: „Banken sollten vielleicht besser #einearmlaenge Abstand von Bankräubern halten.“
Nach Angaben der Polizei kamen am Dienstagabend etwa 250 bis 300 Frauen und Männer zu einer Kundgebung vor dem Dom. Sie forderten mehr Respekt und einen besseren Schutz von Frauen vor Gewalt ein. Zur Teilnahme an der Kundgebung war über soziale Netzwerke aufgerufen worden.
Dutzende Frauen sollen in der Silvesternacht auf dem Bahnhofsvorplatz aus einer Gruppe von etwa 1000 Männern heraus angegriffen worden sein. Die Polizei hatte von Sexualdelikten in massiver Form und von einer Vergewaltigung gesprochen. „Es gibt keine tausend Täter“, stellte Kölns Polizeipräsident Albers klar. Es habe eine Ansammlung von Menschen gegeben, aus der heraus Straftaten begangen worden seien. Zum jetzigen Zeitpunkt könne er noch keine Zahl von Tätern oder Tatverdächtigen nennen.
Albers wies Kritik am Einsatz der Polizei zurück. Es seien ausreichend Kräfte auf dem Bahnhofsvorplatz gewesen. „Wir waren an dem Abend ordentlich aufgestellt.“ Die Beamten hätten zwar schon in der Silvesternacht von Übergriffen Kenntnis bekommen. Der volle Umfang - insbesondere der sexuellen Übergriffe - sei allerdings erst am nächsten Tag klargeworden. „Es hat auf der Leitstelle in der Nacht drei konkrete Notrufe zu dem Sachverhalt gegeben.“ Bislang gebe es 90 Strafanzeigen. Er rechne damit, dass es mehr werden, sagte Albers.
Der Einsatz habe damit begonnen, dass sich gut 1000 Männer auf dem Vorplatz und den Treppen zum Kölner Dom aufgehalten und Pyrotechnik gezündet beziehungsweise damit von oben auf Passanten geschossen hätten. Die Beamten hätten erst ab 1 Uhr, als der Platz vor dem Hauptbahnhof längst geräumt gewesen sei, erste Hinweise auf schwere Straftaten erhalten, sagte der Leitende Polizeidirektor, Michael Temme. Das gesamte Ausmaß der Übergriffe sei auch zu diesem Zeitpunkt noch unklar gewesen.
Lesen Sie dazu auch:
Sex-Übergriffe in Köln: Polizeigewerkschaft warnt
Brutale Sex-Übergriffe auf Frauen: Politiker entsetzt
Sex-Attacken auf Frauen in der Silvesternacht nicht nur in Köln
Albers kritisierte jedoch die erste polizeiliche Einschätzung der Lage am Neujahrsmorgen. „Diese erste Auskunft war falsch.“ In einer Pressemitteilung hatte die Polizei die Einsatzlage in der Silvesternacht als entspannt beschrieben.
Als Konsequenz aus den Übergriffen will die Stadt Köln ihre Sicherheitsvorkehrungen für Großveranstaltungen verschärfen. Stadt und Polizei hätten Maßnahmen entwickelt, „die dazu führen sollen, dass es solche Vorfälle hier nie wieder gibt“, sagte Reker. Frauen und Mädchen müssten ohne jedes Unsicherheitsgefühl in der Domstadt Karneval feiern können. „Wir wollen hier keine unkontrollierbaren Orte in Köln.“ Es müsse eine Stadt bleiben, „in der jeder auch feiern kann“.
Albers kündigte mit Blick auf Karneval an: „Nun werden wir deutlich die Präsenz erhöhen.“ Die Polizei werde sowohl uniformierte als auch zivile Kräfte einsetzen und mobile Videoanlagen einrichten.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat die Medien gegen den Vorwurf verteidigt, einseitig Partei für Flüchtlinge zu ergreifen. „Journalisten müssen informieren, aber nicht spekulieren“, teilte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall am Dienstag mit. Es gebe bisher keine polizeilichen Hinweise darauf, dass es sich bei den Tätern um Flüchtlinge handele. „Eine nicht durch solide Recherchen gedeckte Verdachtsberichterstattung ist nicht nur unvereinbar mit den Prinzipien des professionellen Journalismus, sondern auch innenpolitisch brandgefährlich.“
dpa/sah
Liebe Leserinnen und Leser,
wir bitten um Verständnis, dass es im Unterschied zu vielen anderen Artikeln auf unserem Portal unter diesem Artikel keine Kommentarfunktion gibt. Bei einzelnen Themen behält sich die Redaktion vor, die Kommentarmöglichkeiten einzuschränken.
Die Redaktion