„Deutlich dramatischer geworden“: Apotheken gehen immer öfter und länger Medikamente aus
In Deutschland sind Apotheken immer häufiger und länger von Lieferengpässen betroffen. Die Entwicklung bereitet Experten Sorgen, denn teils gibt es keine Produkt-Alternative.
München - Deutschland hat in einigen Lebensbereichen zunehmend mit Lieferengpässen zu kämpfen. Dabei bereiten insbesondere Ausfälle von Medikamentenlieferungen aus dem Ausland Experten sorgen, wie der Deutsche Apothekerverband mitteilt. Bereits im Juli beklagten Apotheker die Lieferschwierigkeiten von Erkältungsprodukten. Doch die Engpässe häufen sich, und damit auch die Anzahl der Produkte. So seien alltägliche Medikamente wie Fiebersaft, aber spezielle und äußerst wichtige Produkte wie Krebstherapeutikum immer öfter und immer länger nicht erhältlich. „Über 250 Mittel sind aktuell als nicht lieferfähig gemeldet“, sagte der Vizevorsitzende des Verbands, Hans-Peter Hubmann, der dpa bereits im September. „Das Problem ist schon sehr bedeutend, das muss man klar sagen.“
Apotheker beklagen Lieferengpässe von Medikamenten nach Deutschland
Dabei sei es grundsätzlich erst einmal normal, dass es bei der Belieferung von Apotheken mal zu Engpässen käme. Was Apothekern jedoch Sorgen bereitet, ist das zunehmende Ausmaß. „Die Menge und die Länge ist deutlich dramatischer geworden“, so Hubmann weiter. Aktuell seien mehr als doppelt so viele Produkte wie vor fünf Jahren betroffen. Dazu zählen einerseits Alltagsprodukte wie beispielsweise Ibuprofen oder Mittel gegen Bluthochdruck, andererseits aber auch speziellere Medikamente. Besonders letzterer Fall kann dabei für Patienten ein hohes Risiko bedeuten. Denn während sich bei vielen Produkten ein Ausweichmittel finden lässt, gibt es manchmal schlichtweg keine Alternative. Im Mai wurde demnach ein „absoluten Mangel“ am Brustkrebsmittel Tamoxifen verzeichnet. Eine ernste Lage für betroffene Frauen: „Sie wissen nie, wann die Zeitbombe hochgeht, deswegen ist da schon die Gesundheit gefährdet.“

Der Vizevorsitzende nannte zwei Hauptgründe für die Lieferengpässe. So könne man zum einen einen Rückgang der Produktionsvielfalt in Europa beobachten. Ein Beispiel dafür sei Fiebersaft. Fast alle Anbieter hätten die Produktion eingestellt, da diese sich aufgrund der Festbeträge und des Drucks der Krankenkassen wirtschaftlich nicht mehr gelohnt habe. „Jetzt gibt es noch einen, und der kann die Menge nicht schultern.“
Lieferengpässe von Medikamenten: Ausbau der Produktion in Europa würde helfen
Der zweite Grund hängt laut Hubmann mit „Lieferkettenabrissen“ zusammen. Ein Großteil der Medikamente werden in China und Indien, aber auch anderen Ländern in Fernost hergestellt. Wenn wegen des Coronavirus Fabriken geschlossen werden müssen oder Frachter die Häfen nicht mehr anlaufen dürfen, fehlen die Produkte am Ende in Deutschland. Dazu käme es, dass manche Lieferungen verunreinigt seien und deshalb nicht verwendet werden können. „Deshalb ist unsere Forderung seit längerem, dass auch die Wirkstoffproduktion wieder in Europa stattfinden muss“, betonte Hubmann.
Doch selbst wenn die Politik die Voraussetzungen dafür schaffen würde, wäre eine Verbesserung der Situation erst in etwa fünf bis zehn Jahre in Aussicht. So lange dauere es, bis entsprechende Strukturen für eine verbesserte europäische Produktion vorhanden wären. (nz/dpa)