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"Snow White & The Huntsman": In Grimms Geisterbahn

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Vorsicht, despotische Königin: Charlize Theron spielt zwei Stunden lang wie am Anschlag. © Universal Pictures/AP

Märchenfans aufgepasst: Am Donnerstag startet „Snow White & The Huntsman“ in den deutschen Kinos. Was in Rupert Sanders' Version von Schneewittchen übrig bleibt, erfahren Sie in unserer Filmkritik.

Der finstere Wald – ein Ort der tausend Augen, der Klauen und Schlünde, ein freudianischer Albtraum-Hort inmitten einer primärpsychologischen Fantasie über Mutter-Tochter-Konflikte und das Erwachen des Begehrens. Aber genug von Disneys „Schneewittchen und die sieben Zwerge“! In „Snow White & The Huntsman“ bleibt davon nur noch ein harmloser Geisterbahn-Sumpf mit halluzinogenen Pilzen.

Wirklich gruselig wird’s in dem Film nur dann, wenn er sich an der Idylle versucht: Da tollen einträchtig Dachs, Vöglein, Eichhörnchen und Elfen herum, und auf der Lichtung steht ein weißer Hirsch mit 128-Ender in Birke Furnier. Hallmark-Grußkarten sind dagegen abstrakter Expressionismus.

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Purer Kitsch ist das – aber leider kein großer Kitsch und damit symptomatisch für das Grundproblem: „Snow White“ ist voller Geschichten, Bilder, Ideen aus zweiter Hand, die bei ihm zum kraftlosen Klischee versuppen. Dem ursprünglichen Grimm-Märchen treibt er die archetypischen Tiefen aus und modelt es um zur US-Fantasy. Ein echter Triumph ist bei „Snow White“ nur die Werbekampagne, die es geschafft hat, den Film vermeintlich düster und cool wirken zu lassen.

Worauf Plakate und Trailer nicht vorbereiten, ist, wie altbacken und traditionell die über zwei Stunden dann in Wirklichkeit sind, wie unfreiwillig albern ihr Mittelalterbild, das direkt aus „Ritter der Kokosnuss“ zu stammen scheint.

Der Jäger (ein reiner Tor: Chris Hemsworth) macht Schneewittchen zur Heerführerin eines Aufstands gegen die despotische Königin. Die sonst so nuancierte Charlize Theron spielt sie überdreht, immer am Anschlag, als wäre sie von William Shatner besessen. Doch im Grunde folgt alles sehr brav und langatmig der bekannten Geschichte, angereichert mit ein paar Schnörkeln wie einem rachsüchtigen Bruder der Königin (mit dem Topfschnitt des Bösen: Sam Spruell). Der freilich zu den vielen Ansätzen gehört, die im Reigen der diversen Drehbuchfassungen irgendwann ihren Sinn und Zweck verloren haben.

Kristen „Twilight“ Stewart (mit dem Kinn ewiger Schönheit) schlägt sich immerhin in der Titelrolle durchaus wacker. Dafür, dass sie halt einfach kein Schneewittchen ist, kann sie nichts. Und dass auch sie in der Feudal-Fantasie des Schlussbilds eher peinlich berührt rumsteht, ist verständlich. Die ist so gestrig wie fast alles an dem Kinodebüt des Werbe-Regisseurs Rupert Sanders.

Ja, ällerbätsch: Nachträglich stellt sich Tarsem Singhs vorab verlachtes, sträflichst verkanntes Opus „Spieglein Spieglein“ als der tausendmal subversivere, modernere, anarchischere und märchenhaftere Schneewittchen-Film heraus.

Thomas Willmann

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