Überleben als Ziel: Leonardo di Caprio in "The Revenant"

Berlin - Leonardo DiCaprio verschlägt es in "The Revenant" in die Wildnis. Sein einziges Ziel: Überleben.
„Revenant“, das ist nicht einfach ein Rückkehrer. „Revenant“, das ist ein Wiedergänger – einer, der das Jenseits gesehen hat. Hugh Glass ist so einer: Als Anführer einer Truppe von Trappern vor einem Indianerüberfall in die kanadische Wildnis geflohen; nach einer Bärenattacke von seinen Gefährten zum Sterben zurückgelassen. Aber vom schieren Willen ins Leben zurückgekrallt – dem Willen zur Rache am Mörder seines halbindianischen Sohns.
Es ist keine Überraschung, dass bei Alejandro Gonzalez Iñáritu, Spezialist für Passionen, eine solche Leidensgeschichte und Wiederauferstehung stark christliche Obertöne bekommt – während sie andererseits von der nackten, tierischen Existenz erzählt. González Iñárritu hatte sich nach seinem Erfolg „Amores Perros“ recht verschwurbelt („21 Gramm“, „Babel“) – und auf die Schaffenskrise mit dem eingeschnappten Midlife-Crisis-Opus „Birdman“ reagiert: Alle schuld außer dem Künstler – vor allem die Frauen und Kritiker. Mit „The Revenant“ geht er nun wieder in die Offensive, ins künstlerische Wagnis und Extrem.
Von „Birdman“ hat er die Kunst der langen, aber höchst agilen Takes (Kamera-Leistungssport: Emmanuel Lubezki) übernommen. Und oft hat das genau den gewünschten Effekt – dass man sich direkt im Geschehen glaubt. Freilich: Gerade da, wo dann doch der Computer nachhilft, um Fauna, Stunts, Lawinenabgänge ins Bild zu retuschieren, kann es auch distanzierend, ablenkend wirken. Kann zu sehr sinnieren lassen übers „Wie haben sie das gemacht?“
Am stärksten ist der Film, wo die Realität vor der Linse greifbar wird. Wo echte Kälte, Eis, Schnee und die Unerbittlichkeit der Natur spürbar sind. Wo Leonardo DiCaprio als Schmerzensmann Glass (über weite Strecken wortlos) die unmenschlichen Strapazen am eigenen Leib mehr erduldet denn nachspielt, wo sie eine pure, keuchende, stöhnende Physis bekommen.
Schwächer wird’s, wo Gonzalez Iñáritu zu explizit, symbolträchtig die blutige, matschige Härte der Welt inszeniert – eine Vergewaltigung als Deko-Element benutzt oder einer Leiche ein „Wir sind alle Wilde“-Schild umhängt. Und wann immer er das Martyrium spirituell verbrämt, ist der Kitsch nicht fern.
Ironischerweise ist seine menschliche Verkörperung des Bösen die faszinierendste Figur: Als materialistischer Mörder stiehlt Tom Hardy (wieder totalverwandelt – siehe Kritik zu „Legend“) allen die Show. Gegen seine Präsenz kommen alle Naturgewalten nicht an. Und verführerischer als sämtliche religiöse Visionen ist in „The Revenant“ sein Monolog: Gottesgnade ist nichts als ein Eichhörnchen, das einem Verhungernden vor die Flinte läuft.
„The Revenant – Der Rückkehrer“
mit Leonardo DiCaprio
Regie: Alejandro González Iñárritu
Laufzeit: 151 Minuten
Urteil: Hervorragend
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