ARD: Anne Will nicht mehr – die Hintergründe des Talk-Abschieds

Nach 16 Jahren wird Anne Will zum Ende 2023 mit ihrer Talk-Sendung in der ARD aufhören. Die 56-Jährige will sich neuen Projekten widmen. Lesen Sie hier die Hintergründe der Entscheidung:
Am Sonntag (15. Januar 2023, 21.45 Uhr, ARD) kommt sie aus der Winterpause zurück, um über die wichtigsten Themen der Woche zu diskutieren – zuvor katapultierte sie sich selbst in die Schlagzeilen: Anne Will macht Schluss mit dem Sonntagstalk im Ersten. Das kündigte der NDR am Freitag (13. Januar 2023) an. Ein Paukenschlag.
Wann ist Schluss bei Anne Will?
Das ganze Jahr über wird die 56-Jährige noch aus Berlin senden. Ende 2023 wird Anne Will Servus sagen – nach dann 16 Jahren, die sie das Format fürs Erste moderiert und übrigens mit ihrer Firma auch produziert hat.
Warum hört Anne Will auf?
Es ist wohl eine sehr persönliche Entscheidung, die Anne Will hier getroffen hat. Ihr Vertrag läuft Ende des Jahres aus. Dem Vernehmen nach hätte die ARD gern verlängert. Das aber schloss die gebürtige Kölnerin aus – zugunsten neuer Aufgaben. „2024 ist Neustart angesagt!“, erklärt sie in einer Mitteilung des Senders. Dann sei Zeit für Veränderung, andere Projekte, neue Perspektiven. Anne Will: „Ich habe die Sendung immer außerordentlich gern gemacht und bin unendlich dankbar für das Vertrauen in meine journalistische Arbeit und den großen Erfolg.“ Jetzt sei ein guter Zeitpunkt, um aufzuhören.
Wie lief die Sendung zum Schluss?
Sehr gut. Die Quoten jedenfalls können nicht der Grund für den Abschied sein. „Anne Will“ ist die meistgesehene politische Diskussionssendung im deutschsprachigen Fernsehen. Und: Die zurückliegenden beiden Jahre waren die erfolgreichsten in der Geschichte der Sendung. 2022 schalteten im Schnitt mehr als 3,6 Millionen Zuschauer ein.
Was sagt der Sender?
Ihr Chef beziehungsweise Auftraggeber, NDR-Intendant Joachim Knuth, hat nur lobende Worte für seine Talklady übrig: „Anne Will hat die politische Diskussion im Land über viele Jahre mit großem Erfolg geprägt: Sie informiert, überrascht, manchmal provoziert sie auch.“ Für diese konstante Leistung sei er „Frau Will“ sehr dankbar.
Wie geht es für Anne Will weiter?
Anne Will, so scheint es, will weiter journalistisch arbeiten. Und ist, was die eingangs zitierten „neuen Projekte“ betrifft, bereits im Gespräch mit dem NDR. Dass sie als Moderatorin ein neues Format präsentieren wird – unwahrscheinlich. Dann hätte sie ja gleich beim Talk bleiben können. Näherliegend sind etwa Dokumentationen oder Porträts. Dass die ARD hingegen weiterhin sonntags um 21.45 Uhr eine politische Talkshow senden wird, steht nach Informationen unserer Zeitung fest.
Wer könnte für Anne Will übernehmen?
Die Frage ist nicht so einfach zu beantworten – was wahrlich kein gutes Licht auf die Nachwuchsarbeit der ARD in diesem Bereich wirft. In den Dritten Programmen gibt es jedenfalls keinen jungen politischen Talker, der sich aufdrängen würde. Wer eine Sonntagssause sicher im Kreuz hätte, ist Ingo Zamperoni. Bei den „Tagesthemen“ hat er zuletzt gezeigt – man denke nur an das Gespräch mit Robert Habeck –, dass er Interviews führen kann. Marietta Slomka aus dem „heute-journal“ natürlich ebenso. Der Name Markus Lanz gehört auch in die Diskussion. Er ist selbstbewusst genug, es sich zuzutrauen, handwerklich mit allen Talk-Wassern gewaschen und hat vor nicht allzu langer Zeit offen gegen seinen Sender, das ZDF, gestänkert, als es um die ewig unterschiedliche Anfangszeit seiner Talkrunde ging. Die „Kollegen im Ersten“ bekämen „komischerweise ein verlässliches Sendeschema hin“, so der 53-Jährige damals.
Man könnte auch an Linda Zervakis denken. Sie macht ihre Sache bei ProSieben nicht schlecht, hat vor der Bundestagswahl im vergangenen Jahr – übrigens gemeinsam mit Neu-ARD-Talker Louis Klamroth – Gespräche mit Olaf Scholz, Annalena Baerbock und anderen geführt – und dürfte beim Privatsender unglücklich sein angesichts der Tatsache, dass ihr Magazin „Zervakis & Opdenhövel. Live“ fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit läuft.
Fazit zum Ende von Anne Will
Dass Anne Will mit der Ankündigung ihres Abschieds eine Überraschung gelungen ist, dürfte sie freuen. Ihr Timing war auch klug: Der Wechsel bei „Hart aber fair“ von Frank Plasberg zu Louis Klamroth ist in der Presse ausgiebig zu Ende diskutiert, da gehören die Schlagzeilen nun ihr allein. Und die selbst gewählten Zeitpunkte zum Gehen sind ja sowieso die Besten. Insofern – alles richtig gemacht. Der ARD möchte man an diesem Tag zurufen, dass nun ein Jahr (!) Zeit ist, etwas Neues zu entwickeln – und vielleicht kommt am Ende mal etwas wirklich Neues dabei raus. Die Idee – ein Moderator und fünf Gäste – hat sich langsam doch auch überholt.