„Avatar: The Way of Water“: So gut ist James Camerons Rückkehr nach Pandora

„Avatar: The Way of Water“ startet in den Kinos. 13 Jahre nach dem ersten Film kehrt Regisseur James Cameron nach Pandora zurück. Unsere Filmkritik:
James Cameron ist ein Mann der Widersprüche. Ein Veganer und Öko-Botschafter mit ausgeprägtem Militär- und Waffenfetisch. Ein egomaner Macho, der in „Aliens“ und „Terminator 2“ die Mütter als wahre Action-Heldinnen etablierte. Ein einstiger B-Picture-Regisseur, der am Titanischen, Mythischen rührt. Und er ist einer der Letzten, die Blockbuster noch als pures Autorenkino betreiben. Der dafür auch – in Tradition von den Brüdern Lumière bis Stanley Kubrick – die für seine Visionen benötigte Kinotechnik selbst erfindet.
„Avatar“ gilt als finanziell erfolgreichster Film aller Zeiten
Sein „Avatar“ aus dem Jahr 2009 galt (begünstigt durch Inflation, 3D- und Überlängen-Zuschlag) lange als finanziell erfolgreichster Film. Er verpuffte im kollektiven Popkultur-Bewusstsein aber erstaunlich rückstandslos. Cameron ist berühmt dafür, Fortsetzungen seiner Regiearbeiten nochmals auf eine ganz neue Ebene zu hieven, jetzt liefert er aber erstmals mehr vom Gleichen.
War „Avatar“ noch ein sehr klassischer „Ein Weißer wird zum Wilden“-Western im Kostüm von Science-Fiction, taucht „The Way of Water“, der bereits heute in die deutschen Kinos kommt, nun ganz in die Fantasy-Welt ab. Die erste Stunde verbringt der Film damit, eher ungelenk Figuren und Geschichte in Stellung zu bringen. Der Bösewicht Colonel Quaritch feiert in Avatar-Gestalt Wiederauferstehung und kehrt nach Pandora zurück, um alte Rechnungen zu begleichen. Jake Sully, Neytiri und ihre mittlerweile vier Kinder fliehen aus dem Space-Regenwald, suchen Zuflucht beim maritimen Na’vi-Stamm der Metkayina, quasi in Pandoras Polynesien. Kurz: Das ist Tiki-„Avatar“. Es ist erstaunlich, dass Cameron jetzt noch bedenkenloser sehr konkret irdische, nicht-weiße Kulturen plündert, um damit seine animalischen Aliens auszustaffieren.
James Cameron setzt „Avatar“ mit vier Filmen fort
Sobald sich’s der Film im Inseldorf gemütlich macht und auf Sullys Kinder fokussiert, findet er seinen Groove. Wieder erzählt er von Fremden, von Außenseitern, die sich in einer neuen Welt zurechtfinden müssen. Doch diesmal ist das die typische Perspektive von Teenagern. Zum emotionalen Zentrum wird – „Free Willy“ lässt grüßen – die Freundschaft zwischen einem Jungen und einem einsamen Wal. Wer vor 13 Jahren bei „Avatar“ Probleme hatte mit der Ästhetik, dem Mix aus Schwarzlicht-Poster, Computerspiel und Vietnamkriegsfilm, wird hier nicht wesentlich glücklicher. Immerhin sorgt der technische Fortschritt dafür, dass die Welt einheitlicher wirkt, die Figuren nicht mehr aussehen, als seien sie bloß in die Hintergründe kopiert. Ihre Bewegungen und die Mimik sind natürlicher, Haut und Haar leiblicher. Doch das engagierte, schätzenswerte Ensemble liefert nun vollends nur mehr die Malvorlage für den Computerzeichentrick und wird digital überpinselt, obwohl die Tauchszenen tatsächlich unter Wasser gedreht wurden. Cameron nutzt zudem „HFR“ – das heißt doppelt so viele Bilder pro Sekunde wie die kinoüblichen 24. Das macht das 3D flüssiger, verträglicher, kann aber auch leicht in den Vorabendserien-Videolook kippen. Deshalb behält er diese Technik Unterwasserszenen und schnellen (Kamera-)Bewegungen vor. Das dauernde Hin- und Herspringen zwischen den Formaten ist jedoch arg störend.

Der Regisseur – selbst Vater von fünf Kindern – kehrt inhaltlich bei diesem Film zurück zum patriarchalen Schema von „True Lies“: „The Way of Water“ ist die Geschichte zweier Väter, Quaritch und Sully, und erzählt davon, dass es die Bestimmung von Papas ist, ihre Familie zu schützen. Doch Camerons ureigentliche Art, Emotionen auszudrücken, war immer die Action – die Bewegung und Kollision größtmöglicher Massen.
Die erste Sequenz in „The Way of Water“, die wahrhaft packt, ist ein brutaler Walfang, ein Kampf Kreatur gegen Technik. Und obgleich man im Pixelmeer die Physis von „Terminator 2“ vermisst: Wenn im Finale der Weltraum-Moby-Dick und die Na’vi zurückschlagen und die irdische Invasoren-Flotte platt platschen, weiß man wieder, was James Cameron groß gemacht hat. Und man erinnert sich, was Action-Kino vermag, wenn es einer mit Verstand, Herz und ein bisserl Wahn betreibt. Schiffe versenken, das kann Cameron!