Nur 200 Saalbesucher erlaubt: Bayerns einsamer Weg

„Mia san mia“ bezogen auf den Sektor Kultur: Bayern isoliert sich mit seiner Besucherregelung.
München - Zwei Tage müssen noch überstanden werden an diesem Wochenende. Doch sollte auch dann kein Corona-Alarm ausgelöst werden, hätten es die Salzburger Festspiele geschafft: Sie hätten der Kulturwelt, vor allem aber der Politik demonstriert, dass Saalveranstaltungen mit bis zu 1000 Besuchern möglich sind. Andernorts gibt es ähnliche Regelungen: In Nordrhein-Westfalen sind grundsätzlich 300 Teilnehmer erlaubt und mehr mit einem besonderem Hygiene- und Schutzkonzept. Baden-Württemberg gestattet wie Berlin bis zu 500, die Schweiz 1000, Frankreich will ab 1. September sogar 5000 Personen zulassen. Immer vorausgesetzt, die Veranstalter können Abstände und Maskentragen überwachen.
Die Zahlen zeigen, wie sehr sich der Freistaat Bayern nicht nur national isoliert hat. Noch immer gilt hier eine Besucher-Obergrenze von 200 – egal ob es sich um die Olympiahalle, die Staatsoper, die Kammerspiele oder die Münchner Philharmonie handelt. Dabei gäbe es längst ausgefeilte Hygiene-Konzepte, für den Gasteig zum Beispiel eines, das auf vollkommen nachvollziehbare Art bis zu 700 Besuchern Platz bietet.
Wer sich diesbezüglich beim Bayerischen Kunstminsterium erkundigt, erhält nur eine beschwichtigende, allgemeine Auskunft. Minister Bernd Sibler (CSU) sei sich bewusst, „dass die Kunst- und Kulturszene im Freistaat Perspektiven braucht, damit die kulturelle Vielfalt in Bayern erhalten bleibt“. Er setze sich „mit aller Kraft dafür ein, möglichst viele Handlungsspielräume im Einklang mit dem Infektionsschutz für unsere Kunst- und Kulturschaffenden zu eröffnen“. Dazu sei er in intensivem Austausch mit den übrigen Kabinettskollegen. Wie die künftigen Lösungen im Detail aussehen, hänge vom weiteren Infektionsgeschehen ab.
Widerstand regt sich - wenn auch spät
Vieles und Vielsagendes lässt sich aus den Zeilen herauslesen. Die Optimisten glauben, dass sich langsam etwas bewegt, weg von der 200er-Grenze. Die Realisten meinen: Sibler kommt nicht an gegen die mauernden Kollegen, vor allem gegen Ministerpräsident Markus Söder. Und die Pessimisten denken: Solange die Corona-Zahlen so bleiben, solange auch kein Impfstoff in Sicht ist, wird sich an der rigiden bayerischen Politik nichts ändern – auch weil sich Söder sein Image als oberster Corona-Feldherr nicht beschmutzen lassen möchte. Letzteres wäre ein rein politischer Grund, der nichts mit Gesundheitsvorsorge zu tun hat.
Doch der Widerstand regt sich, wenn auch spät. Wie am Freitag berichtet, haben sich die Münchner Philharmoniker und das BR-Symphonieorchester in einem offenen Brief an den Ministerpräsidenten gewandt. Sie schreiben stellvertretend für eine Kulturszene, der vor allem im Bereich der privaten Veranstalter das Aus droht. Andreas Schessl, Chef von Münchenmusik, hat gegenüber unserer Zeitung schon betont, er könne nur Konzerte veranstalten, bei denen rund 70 Prozent der Plätze belegt werden dürfen. Schessl ist bekannt als kunstsinniger, aber auch knallharter, vorausschauender ökonomischer Denker. Er wird die Krise wohl mit Blessuren überstehen. Anders sieht es aus bei kleineren Veranstaltern, viele werden für immer vom Markt verschwinden.
Dabei gäbe es genügend Konzepte, die allerdings in Bayern – aus welchen Gründen auch immer – kein Gehör finden. Man nehme nur das des Gasteig-Chefs, aber auch die österreichischen Gepflogenheiten: die vielen Desinfektionsspender, die Maskenpflicht bis zum Erklingen des ersten Tons, personalisierte Karten und eine ausgeklügelte Besucherlenkung: Im Innsbrucker Landestheater und im dortigen Haus der Musik bekommt man während der derzeitigen Festwochen genau mitgeteilt, durch welche Türen und Aufgänge man zu den Plätzen gelangt. Gerade die Bayerische Staatsoper mit ihren Treppenhäusern böte hierfür beste Möglichkeiten. Derzeit wird dort, so ist zu erfahren, das Personal geschult. Falls sich Söder & Co. irgendwann doch erweichen lassen.