Bayerns Corona-Kulturpolitik im Vergleich zu Berlin: ein Ärgernis!

Bayern erhöht die Auslastung der Theatersäle auf 50 Prozent. Doch das ist immer noch zu wenig. In Berlin darf der Publikumssaal komplett besetzt sein. Ein Besuch von „Mein Name sei Gantenbein“ mit Matthias Brandt im Berliner Ensemble zeigt: Die Luft ist rein!
Nun gut, einen Vorteil hat die Entscheidung der bayerischen Landesregierung, bei Kulturveranstaltungen nur eine Auslastung von 50 Prozent zu erlauben: Bei der Bestellung ist die Suche nach den richtigen Plätzen angesichts fast leerer Reihen deutlich einfacher. Und so schaut man sich als Besucherin aus Bayern durchaus gerührt das Schauspiel an, das im Berliner Ensemble beginnt, noch ehe ein Schauspieler auf die Bühne getreten ist.
In Reihe fünf scheint man sich nicht einig. „Entschuldigen Se, ich glaube, Sie sitzen auf meinem Platz.“ „Aber ich bin Platz sieben!“ „Nein, Platz sieben bin ich. Sie müssten acht sein.“ Der Herr neben einem findet’s nicht so lustig. „Meine Güte, haben wir’s jetzt?“, raunt er laut genug, dass die Herrschaften es hören können. Und fährt dann demonstrativ seine Ellbogen aus. Immer schön seiner Sitznachbarin in den Oberarm. In Ordnung, noch ein Vorteil bei geringerer Sitzkapazität: Der Kampf um die Armlehne fällt auch weg, wenn kein Mensch neben einem sitzt.

Aber all dies ist völlig egal, wenn man die Alternative kennt. Das ist: der traurige Anblick von etlichen Lücken, die in den Reihen klaffen. Oder dass ganze Reihen wie im Residenztheater ausgebaut werden müssen, um die gebotenen Sicherheitsabstände zu gewährleisten. Das mag zwar schön sein für die Beinfreiheit, doch nichts wiegt auf, was stattdessen fehlt. Am meisten ist es dieser Moment, kurz bevor die Vorstellung beginnt. Wenn gespannte Stille eintritt. Eine Stille, wie sie sich nur in einem Raum voller Menschen anhört.
Matthias Brandt begeistert in „Mein Name sei Gantenbein“
Im Berliner Ensemble klingt sie besonders schön. Matthias Brandt steht auf der Bühne. Wie berichtet, wird er gerade Abend für Abend in der Hauptstadt gefeiert für seine phänomenale Darbietung des Max-Frisch-Klassikers „Mein Name sei Gantenbein“ (1964). Entsprechend erwartungsvoll richten sich die Blicke der 700 Zuschauer im voll besetzten großen Haus gen Bühne. Das erkennt man trotz Gesichtsmasken. Sorge wegen einer möglichen Corona-Ansteckung scheint hier keiner zu haben.
Warum auch? Wer vorher noch im Restaurant ums Eck etwas gegessen und getrunken hat, mundschutzlos, der kann aus guten Gründen nicht verstehen, warum es im Theatersaal mit FFP2-Maskenpflicht und 2G-plus wahrscheinlicher sein sollte, sich mit Corona anzustecken. Eine Theaterdurchsage verkündet, dass ein modernes Filterungssystem zusätzlich dafür sorgt, dass jede Stunde die Raumluft mehrmals erneuert wird. Mehr geht nun wirklich nicht.
Max Frischs „Mein Name sei Gantenbein“ funktioniert auf der Bühne wunderbar
Nur auf der Bühne. Da löst Matthias Brandt jedes der von den Presse-Lobliedern gemachten Versprechen ein. Wie er sich Oliver Reeses Bearbeitung von Max Frischs (1911-1991) Roman draufgeschafft hat und dieses kluge Stück über Identität, Sinnsuche, Liebe und Treue, vor allem zu sich selbst, über fast zwei Stunden im Alleingang stemmt, ist spektakulär. Es ist sein Comeback auf den Brettern, die die Welt bedeuten, und es ist ein Fest. Kein Wunder, dass die Karten innerhalb kürzester Zeit – trotz erlaubter voller Hütte – ausverkauft waren. Ab März wird es weitere Vorstellungen geben. Schnelles Zugreifen sei jedem sehr empfohlen, der Theater liebt. Die Luft ist rein.
Informationen: Monatlich werden neue Vorstellungen von „Mein Name sei Gantenbein“ in den Spielplan des Berliner
Ensembles aufgenommen. Karten gibt es im Internet hier.