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Buchheim Museum am Starnberger See prüft Sammlung: NS-Raubkunst?

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Von: Katja Kraft

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Lothar-Günther Buchheim
Lothar-Günther Buchheim hat alle Werke seiner Kunstsammlung nach dem Zweiten Weltkrieg gekauft. Doch wie erging es den Vorbesitzern während der NS-Zeit? Das prüft das Buchheim Museum. © Buchheim Museum

Das Buchheim Museum in Bernried hat die Sammlung ihres Stifters Lothar-Günther Buchheim auf ihre Herkunft untersucht. Die Frage, ob es sich auch um NS-Raubkunst handeln könnte, stand im Fokus.

Er war begeisterter Kunstsammler. Aber woher kamen eigentlich all die Werke von Ernst Ludwig Kirchner bis Emil Nolde, die Lothar-Günther Buchheim (1918-2007) im Laufe seines Lebens gekauft hat und die vor rund 20 Jahren im Buchheim Museum Bernried eine traumhaft schön am See gelegene Heimat fanden? Der Mann, der „Das Boot“ schrieb, war bekanntlich nicht unumstritten. In Kriegszeiten versorgte er die Propagandamaschine der Nationalsozialisten mit Bildern, Texten, Fotos. Und hat er möglicherweise bei seiner Sammelleidenschaft einstige jüdische Vorbesitzer übervorteilt oder gar bestohlen? Ein klares „Nein“ von Daniel J. Schreiber, Direktor des Museums in Bernried. „Das Bild, dass Buchheim in Soldatenstiefeln durch jüdische Villen gegangen ist, um Kunst zu stehlen, ist falsch“, betont er. Alles aus der Sammlung sei von ihm „mit klarer Rechtslage nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem Kunstmarkt erworben“ worden.

Das Buchheim Museum in Bernried am Starnberger See.
Das Buchheim Museum in Bernried am Starnberger See. © Buchheim Museum

In gewisser Weise sieht Schreiber in der Sammlung des einstigen NS-Propagandisten sogar eine Form der Bereinigung früherer Fehltritte. „Buchheims Fokussierung auf die expressionistische Kunst ist sicher auch von einem Wunsch getragen, etwas wieder gut zu machen. Er wendet sich der Kunst zu, die in der NS-Zeit als entartet angesehen wurde. Da spürt man den Willen, die Lücken zu schließen, Versöhnung herzustellen. Er spricht selber vom Aufgreifen und Weiterspinnen der Fäden.“

Das Buchheim Museum scheut kein Risiko, um Gerechtigkeit herzustellen

Schreiber und sein Team nehmen diese Fäden nun ihrerseits auf und spinnen sie weiter. Mit einem für eine private Stiftung außergewöhnlichen Projekt, das 2017 begann – und vielleicht nie ganz abgeschlossen ist. Sie widmen sich der Provenienz für die Zeit des Nationalsozialismus. Prüfen also, ob die Kunstwerke zwischen 1933 und 1945 unrechtmäßig den Besitzer gewechselt haben. Das birgt ein gewisses Risiko. Einmal muss man die aufwendige Forschungsarbeit finanzieren – und wenn tatsächlich ein Raubkunstfall festgestellt wird und das Werk zurückgegeben, sprich: restituiert werden muss, entsteht ein mitunter riesiger Vermögensschaden. Viele private Sammlungshäuser scheuen deshalb diese Forschung. Warum trieb Schreiber das Projekt in seinem Haus voran? „Weil wir uns gesellschaftlich in der Verpflichtung sehen. Ich bin der tiefen Überzeugung, dass wir die Wunden, die die NS-Zeit geschlagen hat – menschlich, sozial, kulturell –, nur heilen können, wenn wir uns dieser Verantwortung stellen.“

Eine feste Mitarbeiterin wurde für die Provenienzforschung eingestellt

Enttäuscht ist er jedoch, dass es keinen Restitutionsfonds gibt, aus dem Häuser, die ein Werk den vormaligen Besitzern oder deren Erben zurückgeben, Schadensausgleich erhalten. „Speziell bei der Provenienz zwischen 1933 und 1945 wäre die Wiedergutmachung eigentlich eine staatliche Aufgabe. Das Unrecht ist vom Staat ausgegangen, deshalb dürfen wir zu Recht davon ausgehen, dass das Unrecht vom Staat ausgeglichen wird.“

Doch auch ohne diese Sicherheit im Rücken unterschrieben die Stiftungsvorstände vor Projektstart eine Erklärung, in der sie versprachen, eine gerechte Lösung zu garantieren, im Extremfall auch zu restituieren. Das war die Voraussetzung dafür, zumindest Komplementärmittel zur Forschung vom Bund zu bekommen. „Rund 70 Prozent der Kosten konnten wir damit abdecken.“

Provenienzforschung: eine detektivische Spurensuche

2017 begann die neu eingestellte Forscherin mit ihrer detektivischen Spurensuche. Anders als staatliche Museen, die auf einem kontinuierlich fortgeführten Archiv über Neuerwerbungen verfügen, geht es bei privaten Sammlungen meist nicht so geordnet zu. „Aber es gibt Korrespondenzen, Erinnerungsberichte von Buchheim, die Auskünfte über Provenienzen gegeben haben. Rechnungen. Notizen in Auktionskatalogen.“ Und dann erzählen auch die Bilder selbst ihre Geschichten. „Rückseitenautopsie“ heißt der Fachausdruck. Dazu schaut man sich den Rahmen an, darauf sichtbare Aufkleber oder Bleistiftnotizen zeugen von vormaligen Besitzern, Ausstellungen, in denen das Werk zu sehen war – oder Händlern, über deren Theke sie gegangen sind.

Alle Forschungsergebnisse sind online einsehbar

Die Geschichte von 108 Werken hat die Mitarbeiterin untersucht. Für acht davon konnte die Provenienz zwischen 1933 und 1945 nicht vollständig recherchiert werden, zusätzlich ergaben sich Hinweise, dass es sich möglicherweise um NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut handeln könnte. Weil sie beispielsweise einmal in Besitz eines Händlers waren, der auch mit NS-Raubkunst zu tun hatte. Zwei dieser Objekte hat Schreiber im „Lost Art Register“ gemeldet, der weltweit größten Datenbank verlorener und gestohlener Kunstwerke. Denn bei beiden gab es einen jüdischen Vorbesitz vor 1933. „Hier müssen wir in Betracht ziehen, dass es möglicherweise NS-Raubkunst ist.“

Alle Forschungsergebnisse hat das Haus online gestellt. Mögliche Anspruchsteller könnten sich an die Stiftung wenden. Transparenz aus Verantwortungsgefühl. „Als Kunsthistoriker spüre ich, was der Nationalsozialismus für irrsinnige Löcher in die kulturelle Entwicklung geschlagen hat“, sagt Schreiber. „Innere Versöhnung kann nur mit Aufklärung einhergehen. Das möchten wir erzielen.“

Die Forschungsergebnisse sind hier einsehbar.

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