Daniel Behle über die Uraufführung seiner Operette „Hopfen und Malz“: Das Baby darf laufen

Das Projekt ist eine Frucht der Lockdowns – als Tenor Daniel Behle Zeit hatte für seine Kompositionsarbeit. Der gebürtige Hamburger ist kein Quereinsteiger, er hat das Tonsetzen studiert. Seine Operette „Hopfen und Malz“ wird am 21. Januar in Annaberg-Buchholz uraufgeführt. Eine schwer kalauernde Story um zwei norddeutsche Dörfer im Bier-Kampf.
Haben Sie wie früher Wehrpflichtige ein Maßband, mit dem Sie die Tage runterzählen? Bis zur Uraufführung?
Gerade hat mir Textdichter Alain Claude Sulzer etwas geschickt – schon für unsere nächste Operette „Der Schmetterling“, die unter anderem mit Bayreuth zu tun haben wird. (Liest:) „Der Tenor Ludwig Schnorr von Carolsfeld starb bekanntlich nur wenige Wochen nach der Uraufführung von ,Tristan und Isolde‘ im Alter von 29 Jahren.“ Also ist meine Idee mit den getöteten Tenören gar nicht so weit hergeholt? Sehr gut! Im „Schmetterling“ wird es die Figuren Petra und Peter von Carolsfeld geben – die Anspielung wird man verstehen. Ideen sind also da. Gestern sprach ein Korrepetitor mir gegenüber aus Versehen von der „Graserzählung“ im „Lohengrin“. Wunderbar! Ich habe ihn darum gebeten, das nutzen zu können. Ein guter Gag. So wie die „Braumeister-Arie“ in „Hopfen und Malz“. Ich weiß noch nicht genau, wie ich die „Graserzählung“ einbaue. Aber so weit sind wir ja noch nicht ... Erst mal „Hopfen und Malz“.
Das heißt, Sie sind über die anstehende Uraufführung im Geiste längst hinaus?
Ja. Wir haben gerade den dritten Akt der neuen Operette umgeworfen, weil es auch eine ernste Basis braucht. Es soll nicht nur amüsieren und unterhalten, sich danach aber irgendwie leer anfühlen. Man soll etwas mitnehmen. Das ist ja genau das, was viele der Operette ganz allgemein vorhalten: dass sie nicht erfüllt. Da muss man gegensteuern.
Warum wird „Hopfen und Malz“ eigentlich mit dem Zusatz „ab 14 Jahren“ versehen?
Da muss ich noch mal nachfragen. An Begriffen wie „Knabenwahl“ kann’s nicht liegen. Vielleicht weil’s um Alkohol geht? Ich gehe der Sache nach, ich war jedenfalls nicht daran schuld. Unsere Operette ist für jedes Alter gedacht.
Wie lästig sind Sie im Probenprozess? Schauen Sie ständig im Theater vorbei?
Nein, ich reiße mich sehr zusammen. Ich lasse das Baby jetzt laufen, bin aber extrem aufgeregt und warte auf jedes Feedback. Angeblich wurde während der Proben schon viel gelacht, auch im Orchester. Das ist eine große Erleichterung.
Wie kam es zur Uraufführung in Annaberg-Buchholz? Kurz danach folgt ja schon eine Produktion in Neustrelitz.
Generalmusikdirektor Jens Georg Bachmann, der vor etwa eineinhalb Jahren eine Gala in Hamburg dirigiert hat, habe ich von dem Projekt erzählt. Er war der Erste, der das gerne realisieren wollte. Er hat Intendant Moritz Gogg angesprochen, der außerdem mein alter Kollege aus Hamburg ist. Annaberg-Buchholz, wo viel Operette gespielt wird, ist einfach eine kultige kleine Stadt. Neustrelitz hatte sich auch relativ schnell gemeldet – aber eben etwas zu spät. Dort kommt es nun im März 2023 zu einer Neu- und zu keiner Koproduktion. Regisseurin in Annaberg-Buchholz ist Jasmin Solfaghari, eine Halb-Iranerin, die sich mit norddeutschem Witz gut auskennt. Diesen trockenen Humor im Zusammenspiel mit bayerischer Laune braucht es hier.
Wie landsmannschaftlich gebunden ist der Humor des Stücks? Ein Bauer aus Machtlfing könnte eventuell auch lachen?
Eigentlich ist die Sache eher bayerisch. Gerade wegen des Bier-Wettkampfes, der Geisterbayern und des Abschlussschlagers ums Maß-Halten im Gasthof „Zum bayerischen Holländer“. Ganz allgemein: Ich habe in der Operetten-Struktur gedacht, aber eigentlich viele Stile reingebracht.
Neulich haben Sie in einem TV-Interview gesagt: „Ich muss keinem etwas beweisen. Ich bin halt ein Tenor, der auch komponiert.“ Ist es wirklich so einfach? Jetzt schaut doch alle Welt mit entsprechenden Erwartungen auf die Uraufführung eines sehr bekannten Sängers.
Sagen wir’s so: Wenn das Stück schwer oder nicht aufführbar wäre, hätte es nicht die Reaktionen von den Theatern gegeben. Ich habe jetzt vier Häuser, die „Hopfen und Malz“ auf die Bühne bringen wollen. Und ich will noch einige weitere Intendanten bearbeiten. Die Idee war, etwas zu schreiben, was ich gerne höre – und nicht was andere hören wollen. Während meines Kompositionsstudiums und später habe ich immer versucht, mich dem Zeitgeist anzubiedern.
Wie hörte sich das an?
Ich habe zum Beispiel absichtlich hässlich geschrieben. Oder in einem Stil, der sich wenigstens ein bisschen mit moderner Kompositionsmethode vereinbaren lässt. Man findet schließlich alles in der Moderne. Anklage, politische Statements, extreme Gefühle – aber seltenst Humor, der wirklich zieht und kein Altherrenwitz ist. Mir schwebte etwas Skurriles à la Monty Python oder wie in der Filmkomödie „Die Nackte Kanone“ vor. Bei Letzterer wird ja viel parodiert und Schräges gebracht. Aber selbst wer das nicht kapiert, bekommt noch immer einen veritablen Krimi serviert. Im Übrigen ändert sich Humor alle 15 Jahre ...
... ist das wirklich so? Otto Waalkes oder Heinz Erhardt mögen out sein. Aber wie ist das mit Loriot? Ist das nicht überzeitlicher Humor?
Loriot hat sich aus der Affäre gezogen, indem er uns den Spiegel vorgehalten hat. Er hat Geschichten erzählt – und mit Worten und Missverständnissen gespielt. Er hat keine Witze erzählt. Genau das ist zeitlos im Humor. Letztlich geht es um Schadenfreude. Denken Sie an „Die Nudel“. Wenn ich mich also wie in „Hopfen und Malz“ lustig mache über Kleingeisterei, Provinztum und Religion, schaffe ich eigentlich absurde Situationen. Und Absurdes halte ich für überzeitlich – hier gehört für mich Heinz Erhardt übrigens dazu. Auch im „Schmetterling“, meiner Folge-Operette, will ich nichts Böses, wenn ich Bayreuth karikiere. Oder einen Kritiker-Chor bringe. Ich halte der Realität nur einen Spiegel vor und möchte vielleicht erreichen, dass wir zwar großartige Musik hören und machen, aber unsere Kunst nicht so bierernst vor uns hertragen.
Das Gespräch führte Markus Thiel.