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Auf ins neue Diözesanmuseum Freising: eine göttliche Schau!

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Von: Katja Kraft

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„Christus in der Rast“ von Stephan Rottaler im Diözesanmuseum Freising
Das Leiden Christi hat Stephan Rottaler in „Christus in der Rast“ um 1530 dargestellt – und damit das Leid aller Menschen. © Sven Hoppe

Das Diözesanmuseum in Freising erstrahlt nach neun Jahren Generalsanierung in neuem Glanz. Und begeistert mit Kunst, die nicht nur Christen tief berührt. Unser Ausflugstipp!

Arnulf Rainer hat das Kreuz übermalt. Hat blutrote Farbe mit der Hand direkt auf die Kruzifix-geformte Leinwand geklatscht. Geschlagen. Voller Wut. Und Trauer. Und Ohnmacht. Über diesen liederlichen, widerlichen Tod. Nimm das, Sterblichkeit. Nimm das, Hoffnung auf einen Erlöser. „Memento mori“, das heißt ja, dass auch alle anderen geliebten Menschen sterblich sind. Tiere, Pflanzen. Die Natur macht da keinen Unterschied. Gott auch nicht. Oder doch?

Arnulf Rainers „Kreuzübermalung“.
Ein Kreuz mit dem Kreuz: Arnulf Rainers „Kreuzübermalung“. © kjk

Zweifel und Fragen hat Arnulf Rainer in sein Bild gepfeffert. Es hängt nun im – man darf es so sagen – neuen, weil neun Jahre lang generalsanierten Diözesanmuseum Freising. Und da hängt es passend. Zwischen Arbeiten aus Gotik und Barock haben Direktor Christoph Kürzeder und sein Team immer wieder zeitgenössische Werke in die Dauerausstellung integriert. Wie Brücken, die einen Übergang schaffen zwischen dem, was vergangen scheint, und dem heute. Wobei beides in Wahrheit natürlich zusammengehört. Das eine auf das andere nachwirkt.

Ein Werk von Neo Rauch im Diözesanmuseum Freising.
Zeitgenössisches wie hier von Neo Rauch, Jahrgang 1960, haben die Museumsmacher in die Dauerausstellung integriert. © Rainer Lehmann

Genau das ist das Brillante an dieser Schau: Als Betrachter fühlt man sich ein in das, was die Betrachter vor Jahrhunderten gespürt haben müssen. Völlig egal, ob man selbst christlich ist. Kunst trifft direkt ins Herz und sendet von dort eine große Portion Erkenntnis ins Hirn. Angesichts der schier unfassbaren Freisinger Kunstschätze aus mehreren Jahrhunderten versteht man einmal mehr den Ursprung allen religiösen Glaubens. Ob jüdisch, muslimisch, buddhistisch – immer liegt der zutiefst menschliche Wunsch nach Erklärungen zugrunde. Nach Hoffnung, Mutmachern. Einer Lichtgestalt. Die christliche strahlt im Barock-Saal mit all ihrem Glanz. Jesus Christus, der vollkommene Mensch.

Die Gottesmutter Maria steht am Anfang des Rundgangs

Doch den Anfang macht seine Mutter. Raum eins: Maria empfängt uns. Ja, uns alle. Und damit machen Kürzeder und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gleich einmal eine Ansage: Jeder Mensch wird von einer Frau geboren. Das verbindet uns miteinander. Zweitens: Wir müssen alle sterben. Dazwischen – so viel Leben. Im Grunde fasst der erste Saal der sehenswerten Dauerausstellung damit die Essenz der Sammlung mit wenigen Werken zusammen. Die Mondsichelmadonna mit zwei Engeln (Ulm, um 1510) bildet den Ausgangspunkt. Dann geht es einmal im Schnelldurchlauf durch Jesu’ und unser aller Leben. Geburt, Wirken, Passion, Tod. Ja, so ist sie, die Kurzfassung unseres irdischen Daseins. Was ist der Mensch? Einer, der sich dessen bewusst ist.

Caravaggios „Medusa“ ist bis Januar 2023 in der Sonderschau des Diözesanmuseums Freising zu sehen.
Caravaggios „Medusa“ ist bis Januar 2023 in der Sonderschau des Diözesanmuseums Freising zu sehen. © kjk

Der Sammlungsschwerpunkt des Hauses, das nun auf 2500 Quadratmetern Ausstellungsfläche zeigen kann, was es hat, liegt auf alpenländischer Gotik- und Barockkunst; hinzugekommen sind rund 3000 Objekte byzantinischer Zeit. Indem auch die sanft in die Schau integriert werden, wird deutlich, dass Ost und West auf einer gemeinsamen Tradition gründen. Auch hier steht die Gemeinsamkeit im Vordergrund. Sie ist der rote Faden, der sich durch den Rundgang zieht. Architektonisch sind es die großen, rundbogenförmigen Fenster, die die Räume mit Licht fluten und von denen es sich aus bester Lage auf Freising schauen lässt. Weihenstephan grüßt von Ferne. Der heilige Korbinian, Schutzpatron der Stadt, grüßt von Jan Polacks Gemälden aus dem 15. Jahrhundert zurück. In „Tod des hl. Korbinian“ sieht man im Hintergrund eine der ersten Ansichten Freisings. Es ist eine Leihgabe der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Ein Schatz, der ein passendes Zuhause gefunden hat.

Blick in den Saal im Diözesanmuseum Freising mit der eindrucksvollen Tür der Brüder Asam.
Blick in den Saal mit der eindrucksvollen Tür der Brüder Asam. © Lehmann

Im nächsten Raum beeindruckt die einstige Haustür der Gebrüder Cosmas Damian und Egid Quirin Asam. Wer schon einmal in der von ihnen geschaffenen Asam-Kirche in München gestanden hat und schier erschlagen wurde von so viel Zierrat, Pracht und Herrlichkeit, der bekommt diese irrsinnige Handwerkskunst nun fein dosiert serviert. Beeindruckt betrachtet man die Schnitzereien. Rechts unten kauert der Tod; und mag ihm auch ein Engel die Sense entrissen haben – er ist immer noch da. Umringt von Heiligenfiguren anderer Künstler. Man kann die lächerlich finden, kindisch, als Zeugen einer anderen Zeit, der wir so vernünftigen Fortschrittsmenschen längst entwachsen sind. Oder wir geben uns all dem hin und erkennen: Nichts daran ist lächerlich. Sondern zutiefst menschlich. Mein Gott, was für ein Museum.

Diözesanmuseum Freising, Domberg 21. Am 2. und 3. Oktober 2022 ist von 10 bis 18 Uhr Tag der offenen Tür (Eintritt frei); ab 4. Oktober hat das Museum dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

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