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Dolores O’Riordan – die Frau mit der Monsterstimme

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Wer ihren Hit „Zombie“ einmal gehört hat, wird ihn nicht mehr los: Dolores O’Riordan (1971-2018). © Guillaume Souvant/AFP

„Zombie“ war der größte Hit der Band The Cranberries. Völlig überraschend ist Sängerin Dolores O’Riordan jetzt mit 46 Jahren gestorben. Unser Nachruf:

München – Vielleicht sagt der Name Dolores O’Riordan nicht jedem auf Anhieb etwas. Aber ihre Stimme kennt jeder, der sich auch nur ein bisschen für populäre Musik interessiert. Spätestens seit 1994, als die Irin mit ihrem atemberaubend dringlichen Gesang gegen den Irrsinn des Nordirland-Konfliktes anschreit. „Zombie“, ein radikaler Abgesang auf die Mythen katholischer und protestantischer Eiferer, stürmt weltweit die Hitparaden, unterstützt von einem spektakulären Videoclip, in dem Kinder in Ruinen Krieg spielen.

„Zombie“ bohrt sich wie eine Rakete ins Hirn

Der Song ist widerborstig genug, um auf der damaligen Grunge-Welle mitzuschwimmen – und doch auch so melodiös, dass er im Radio rauf und runter läuft. Der herausgebrüllte Refrain „What’s in your Head“ bohrt sich wie ein Raketenwurm ins Gehirn. Wer das Lied gehört hat, wird es nicht mehr los.

„Zombie“ ist der größte Erfolg der Band Cranberries, aber es ist vor allem O’Riordan, die das Lied zum Monster macht. Bei den Cranberries hat die Sängerin die Hosen an. Sie singt nicht nur, sie schreibt und komponiert auch die meisten Lieder. Und sie ist natürlich das Aushängeschild der Gruppe. Mit den damals wasserstoffblond gefärbten kurzen Haaren signalisiert sie Rabaukentum, trotz der eher zierlichen Erscheinung.

Erst mit Dolores O’Riordan werden die Cranberries bekannt

Im Jahr 1990 stößt die Frau aus Limerick zu den bis dahin herzlich unbekannten Cranberries, und mit ihr kommt der Durchbruch. Bald wird ein Plattenvertrag ergattert und es folgen erste Hits wie das poppige „Dreams“. Nach „Zombie“ sind die Cranberries mit einem Mal die heißeste Sache aus Irland seit U2, und O’Riordan ist das Postergirl einer neuen Generation von Musikerinnen. Neben einfühlsamem Herzschmerz und folkigen Klängen gibt es immer mal wieder sehr ernste, mitunter düstere Lieder wie „Bosnia“ über den seinerzeit tobenden Bruderkrieg auf dem Balkan. Bei O’Riordan geht das alles zusammen: Protest, Weltschmerz, starke Frau, loyale Gattin und Mutter von vier Kindern. Eine Powerfrau, die weiß was sie will, so wirkt das von außen.

Aber der Druck ist mächtig, der nächste ganz große Hit nach „Zombie“ mag nicht glücken, und Anfang des neuen Jahrtausends kann O’Riordan nicht mehr. Offiziell sind die schwere Krankheit und der Tod der Schwiegermutter der Anlass, die Band zu verlassen. In Wahrheit hat das Kleinstadtmädchen O’Riordan Schwierigkeiten mit dem Ruhm und paradoxerweise auch mit dem nachlassenden Erfolg, wie sie später einräumt – die Soloplatten floppen. „Ich bin eine extreme Person, bei mir gibt es nur oben oder unten“ erzählt sie damals einer britischen Zeitung. Und beweist es 2014, als sie in einem Flugzeug eine Stewardess tritt und einem Wachmann am Flughafen eine Kopfnuss versetzt.

Spät spricht Dolores O’Riordan von Depressionen

Dabei läuft es gar nicht so schlecht für die Sängerin, aber auch die Wiedervereinigung mit den Cranberries kann die eigenen hohen Erwartungen nicht erfüllen, obwohl die Band insgesamt stolze 38 Millionen Tonträger verkauft. O’Riordan flieht vorübergehend nach Kanada, lernt Französisch, tritt im Fernsehen auf und ist doch unzufrieden. Sie selbst spricht spät von Depressionen und Hilfe, die sie brauche.

Nun ist Dolores O’Riordan völlig überraschend mit nur 46 Jahren verstorben. Man hätte ihr ein glücklicheres Leben gewünscht. Und ein längeres.

Zoran Gojic

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