Aktualisiert:
Interview
Doro Pesch: „Lemmy war wie ein Engel für mich“
- vonDominik Göttlerschließen
Doro Pesch über den verstorbenen Motörhead-Sänger, das Leben als Frau im Metal-Zirkus, Haarspray und Kreuzfahrten.
Ein kurzer Bissen noch vom Burger, den Ketchup von der Lippe tupfen, dann ist die Queen of Metal bereit. Doro Pesch, 51, schwarze Lederjacke, viele Nieten, viel Kajal, empfängt, natürlich, im Münchner Hard Rock Café. Beim Foto-Termin stürmen sofort die Gäste zu ihr, „Doro, Doro“, jeder will ein Bild mit der wohl bekanntesten deutschen Metal-Sängerin. Seit über 30 Jahren steht sie auf der Bühne – in München wieder bei „Rock meets Classic“ in der Olympiahalle. Ein Gespräch über drei Jahrzehnte im Tourbus, Metal-Kreuzfahrten und nasse Küsse von Lemmy Kilmister.
Ich komme gerade von der Amerika-Tour, 20 Nächte im Bus, davon die Hälfte krank, da denkt man sich schon mal: Oh Mann, harter Tobak. Ich lag ganz hinten, der Motor hat gedröhnt wie eine Kreissäge. Duschen kann man auch nicht immer wie man will. Und dann musst du natürlich immer Leistung zeigen. Man kann das Konzert ja nicht einfach absagen. Das haben wir in 30 Jahren nur einmal gemacht – weil die ganze Band einen Virus hatte. Aber sobald ich abends auf die Bühne gehe und die Fans vor mir sehe, ist alles wieder super.
Nein, nie. Der Tourbus ist trotz manch lästiger Begleiterscheinung immer noch mein Zuhause. Die Bühne, Fans, Festivals – da geht nichts ab, auch keine Familie. Ich habe mich schon mit 23, 24 Jahren der Musik verschrieben. Kinder zu haben war für mich nie ein Thema – und das habe ich auch nie bereut. Ich könnte das gar nicht, auf Tour sein und gleichzeitig Kinder versorgen, da würde ich mir nur Sorgen machen.
Mittlerweile sind bis zu 50 Prozent meiner Konzertbesucher Frauen, das war früher natürlich nicht so. Aber eigentlich hatte ich nie das Gefühl, mich durchboxen zu müssen, weil ich eine Frau bin. Man musste damals eher für seine Musik kämpfen. Metal war da noch mit vielen Vorurteilen verbunden. So nach dem Motto: Die bösen Jungs mit ihren langen Haaren und Nietengürteln. Das ist heute gar nicht mehr so, besonders seit das Wacken-Festival jedes Jahr im Fernsehen gezeigt wird. Die Leute sehen, dass es dort gar nicht so aggressiv zugeht. Alle liegen sich in den Armen, die Fans und die Bauern aus dem Ort sind eine Gemeinschaft. Man muss einfach einmal in Wacken gewesen sein.
Ich wusste von gemeinsamen Aufnahmen, dass er nicht nur sehr sensible Texten schreiben, sondern auch gefühlvoll singen kann. Dann habe ich ihm den Song „It still hurts“ zugeschickt und er meinte: „Doro, find’ ich Bombe, lass uns das machen.“ Ganz einfach.
Unsere erste Zusammenarbeit. Ich habe ihm einen Brief geschrieben, ob er nicht Lust hätte, mal was zusammen aufzunehmen. Aber ehrlich gesagt dachte ich gar nicht, dass das überhaupt bei ihm ankommt. Dann ist mein Papa sehr krank geworden und gestorben. Das war ganz übel für mich, ich dachte, ich kann nicht mehr weitermachen. Am nächsten Tag war ich mit meiner Mutter einkaufen, weil sie, im Gegensatz zur mir, keine schwarzen Klamotten hatte. Und dann klingelte das Telefon. Ich wollte gar nicht rangehen, aber sie hat gesagt: „Schau doch mal, wer es ist.“ Es war Lemmy. Er hat gefragt, ob wir was zusammen machen und ich meinte nur, ich weiß nicht, ob ich überhaupt weitermachen will. Da sagte er: „Jetzt erst recht!“ Ich ging nach L. A. und wir waren drei Wochen lang Tag und Nacht im Studio. Lemmy war wie ein Engel für mich. Vor jeder Aufnahme hat er mir ein Küsschen auf die Stirn gedrückt. Und dank der Klimaanlage hab ich den nassen Kuss immer noch den ganzen Song lang gespürt.
Natürlich Ozzy Osbourne. 1989, Metal Hammer Festival in Dortmund. Ozzy kam auf Krücken ins Catering-Zelt, sturzbetrunken. Schon damals fragte man sich, wie lange macht der das noch? Jedenfalls, er und ich, wir hatten beide verdammt viele Haare und viel Haarspray, waren ja die Achtziger. Er hat mich zur Begrüßung gedrückt und ist mit seinen Haaren in meinen hängen geblieben. Seine Frau Sharon hat das gesehen und fand das überhaupt nicht lustig. Die hat Ozzy rausgezerrt – mitsamt meiner Haare. Sein Gitarrist damals, Zakk Wylde, war nicht viel besser. Er hat meine ganze Band abgefüllt, bis sie in der Ecke und unterm Tisch lag. Dabei hatte die Tour gerade erst angefangen.
Manche Songs gewinnen einfach wahnsinnig dadurch – deshalb habe ich auch schon oft mit Orchestern zusammengearbeitet. Mit 30 Streichern bekommt ein Stück eine ganz andere Emotion. Das kann man nicht mit dem Keyboard wettmachen.
Der zweite Film, „Anuk – die dunkle Flut“, startet Ende des Jahres. Da habe ich auch den Soundtrack beigesteuert. Und dann die Kreuzfahrten, die sind ja total angesagt. Ich bin gerade mit Tesla, Steve Vai und 30 anderen Bands durch die Bahamas geschippert. Das ist ganz intim, wie eine Klassenfahrt mit den besten Freunden und viel guter Musik. Und am nächsten Tag muss keiner zur Arbeit – da ist die Stimmung gleich noch zehnmal grandioser. Deswegen habe ich jetzt auch meine eigene Musik-Kreuzfahrt geplant, „Stars at Sea“. Mit nur 70 Leuten geht es im Oktober eine Woche von Italien nach Griechenland – mit Unplugged-Konzerten im Kanal von Korinth und vor der Amalfi-Küste.
„Rock meets Classic“
mit Doro, Joey Tempest (Europe), Steve Walsh (Kansas), Scott Gorham und Ricky Warwick von Thin Lizzy und vielen mehr findet am Samstag, 2. April, in der Münchner Olympiahalle statt. Karten unter 01806/ 999 000 200.
Das Gespräch führte