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Franz Marc Museum Kochel: „Tierschicksale“-Ausstellung wirkt lange nach

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Von: Katja Kraft

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Franz Marcs „Rote Rehe II“ aus dem Jahr 1912
Friedvoll: Franz Marcs „Rote Rehe II“ (1912). © Franz Marc Museum

Das Franz Marc Museum in Kochel zeigt die Ausstellung „Tierschicksale“. Es berührt, wie der Künstler in seinen Werken den Ersten Weltkrieg vorausgesehen hat. Eine Schau zwischen Idylle und Apokalypse. Stark!

„Sinnloses Blutvergießen.“ Im Grunde ist das ein weißer Schimmel. Weil jedes Blutvergießen sinnlos ist. Oder nicht? Franz Marc (1880-1916) schien das am Ende seines kurzen Lebens infrage zu stellen. Der begnadete Maler und Zeichner, der 1916 in der Nähe von Verdun durch einen Granatsplitter tödlich am Kopf getroffen wurde, glaubte zuletzt daran, dass der Krieg auch eine Art Säuberung sein könne. Er hoffte, dass das durch die Industrialisierung hervorgerufene Elend, die soziale Ungerechtigkeit, die Doppelmoral auf den Schlachtfeldern ihr Ende finden und ein neues Europa aus den Trümmern erwachsen könne. Erst die Apokalypse, dann die Auferstehung. Es war ein verzweifelter Wunschtraum, der zum unzweifelhaften Albtraum wurde.

Franz Marc (1880-1916)
Franz Marc (1880-1916). © Ullstein

ImFranz Marc Museum in Kochel kann man nun in der berührenden Ausstellung „Tierschicksale“ den Wandel des Künstlers vom Mann der Harmonie hin zum Kreuzritter für die gute Sache nachvollziehen. Inspiriert durch Gustave Flauberts (1821-1880) Novelle „Die Legende von Sankt Julian dem Gastfreien“ (1877) schuf Marc ab 1907 immer mehr verstörende Skizzen, Aquarelle und Tuschezeichnungen, die das Leid sterbender Tiere einfangen.

Es ist kein natürlicher Tod, den die Rehe, Füchse und Pferde in diesen Bildern sterben. Der Himmel ist von Blut getränkt, düster die Landschaft, kein Unterstand, keine Fluchtmöglichkeit in Sicht. Das „Getötete Reh“ (1913) etwa starb allein. Und so gekrümmt wie der Kadaver daliegt, so qualvoll muss das Ende des Tieres gewesen sein.

Auch das Postkartenidyll, für das Franz Marc bekannt ist, ist zu sehen

Wie friedvoll wirkt da das Bild, das Museumsleiterin Cathrin Klingsöhr-Leroy bewusst an den Anfang der Schau dem niedergestreckten Wild gegenüberstellt. Statt tote hat Marc hier zwei rote Rehe abgebildet (1912). Es ist das Postkartenidyll, für das die Museumsshops dieser Welt den Künstler lieben: Die Schönheit der Natur spiegelt sich in den brillant ineinandergreifenden Formen der Körper, der Wolken und der Landschaft wider. Friede auf Erden. Das würde den Menschen wohl gefallen.

Je näher der Erste Weltkrieg rückt, desto grausamer werden die Szenen in Marcs Skizzenbüchern. Doch bei all ihrer Brutalität fasziniert, wie genau er schon in diesen Vorstudien die Komposition des späteren Werks vor Augen hatte. Eines seiner Bücher schließt mit einer feuerrot durchzuckten Doppelseite – es ist die Vorstudie zu dem monumentalen Gemälde, das der Schau ihren Namen gibt: „Tierschicksale“ malte Marc 1913 in Öl auf Leinwand. Es bringt den Schrecken dessen, was Menschen der Welt antun, mit Wucht zum Ausdruck.

Franz Marcs „Tierschicksale“ (1913). Das Original hängt heute im Kunstmuseum Basel
Die Apokalypse: Franz Marcs „Tierschicksale“ (1913). Das Original hängt heute im Kunstmuseum Basel. © Kunstmuseum Basel

Flauberts Julian meuchelt die Tiere aus obsessiver Lust am Töten. Das Schicksal, das Marcs Tiere in diesem großen Endzeitstimmungsgemälde durchleben, ereilt sie nicht durch Pfeil und Bogen. Es ist die Apokalypse. Der gewaltige Schlussakkord, in der alle (menschliche) Gewalt kumuliert. Drei Jahre nach Fertigstellung des Bildes schickte ein Sammler dem Künstler eine Feldpostkarte. Auf die Vorderseite hatte er Marcs „Tierschicksale“ drucken lassen. Der Künstler konnte es selbst nicht fassen. „Es ist wie eine Vorahnung dieses Krieges, schauerlich und ergreifend; ich kann mir kaum vorstellen, dass ich das gemalt habe!“, schreibt er am 17. März 1915. Ein Jahr später sollte er sterben. In einem Krieg, dessen Ausbruch seine Bilder vorweggenommen hatten. In diesen Tagen wirken sie besonders eindrücklich nach.

Bis 17. Juli 2022, im Franz Marc Museum in Kochel am See, Di.-So., 10 bis 17, ab April bis 18 Uhr.

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