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Genervt von Prinz Harrys Memoiren „Reserve“? Lesen Sie lieber diese hier!

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Von: Michael Schleicher, Stefanie Thyssen, Katja Kraft

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Hollywood-Diva Sophia Loren
Gutes Essen wird bei Sophia Loren großgeschrieben. Auch ihre Autobiografie wird Filmfans schmecken. © STARTRAKS PHOTO

Der Hype um Prinz Harrys Autobiografie „Reserve“ nervt viele. Hier stellen wir Ihnen Autobiografien vor, die wirklich lohnen. Unsere Lesetipps.

„Für Harry ist jetzt der Moment gekommen, endlich seine Geschichte zu erzählen.“ Mit diesen Worten kündigt der Penguin Verlag die Autobiografie des Herzogs von Sussex an. Jetzt ist „Reserve“ weltweit offiziell im Handel – sehr viel länger läuft bereits die mediale Kampagne zur Veröffentlichung, etwa mit einer aufwendig produzierten Netflix-Serie über Harry und Meghan. Verständlich, wenn bei derart viel „unverstellter, unerschrockener Offenheit“ (so die Verlagsangaben) dem ein oder anderen Leser die Lust auf die Lektüre vergeht. Dabei kann die Autobiografie ein spannendes Genre sein. Als Alternativen zu „Reserve“ haben wir einige Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit zusammengestellt. Hier lohnt sich das Lesen wirklich.

Sophia Loren

„Alles, was Sie sehen, verdanke ich Spaghetti“ – allein für diesen Satz über ihre Figur muss man Sophia Loren lieben. 2014 brachte die heute 88-Jährige ihre Autobiografie heraus. Der wenig kreative Titel „Mein Leben“ macht nun vielleicht nicht unbedingt Appetit darauf, doch der Inhalt schmeckt Kinofans wie italienische Pasta in Neapel. Hier ist die Diva einst zur Welt gekommen – „ein Mädchen mit dünnen Beinen, riesigen Augen, einem lebhaften Mund“. Aus dem Mädchen wurde ein Star, von den Beinen, Augen und dem Mund haben schon viele Männer geträumt. Es sind bekannte Stationen, die die Schauspielerin in „Mein Leben“ aus persönlicher Sicht, aber niemals zu intim erzählt. Macht Lust, Klassiker wie „Schade, dass du eine Kanaille bist“ mal wieder anzuschauen. Dazu eine Portion Spaghetti. Delizioso! (Sophia Loren: „Mein Leben“. Piper Verlag, München, 368 S.; 22,99 Euro.)

Regisseur Werner Herzog
Ein legendärer Regisseur: Werner Herzog. © Herbert Neubauer

Werner Herzog

Ja, man muss ihn mögen, den Stil des Werner Herzog. So wie die Filme des Regisseurs sind, so schreibt er auch: Nichts ist hier zufällig, alles ist mit Bedeutung aufgeladen. Der 80-Jährige versteht einfach, wie Geschichten funktionieren. Ob sie nun auf der Leinwand spielen und „Cobra Verde“, „Grizzly Man“ oder „Rescue Dawn“ heißen – oder ob es die Erzählung seines Lebens ist. Während er in „Die Eroberung des Nutzlosen“ (2004) ausschließlich von den Dreharbeiten zu „Fitzcarraldo“ 1979 im Dschungel Südamerikas mit einem wahnwitzigen Klaus Kinski schrieb, berichtet Herzog in seinen im vergangenen Jahr erschienenen Erinnerungen „Jeder für sich und Gott gegen alle“ sehr viel umfassender über sein Dasein und Schaffen: „Ich wollte immer Außenposten halten, die von allen anderen schon fluchtartig verlassen worden sind.“ Ein Fest, ihm dabei zu folgen. Einen weiteren wunderbaren Werner-Herzog-Buchtipp finden Sie hier (Werner Herzog: „Jeder für sich und Gott gegen alle“. Hanser Verlag, München, 350 Seiten; 28 Euro.)

Regisseur Claude Lanzmann
Regisseur, Autor, Franzose und Lebemann: Claude Lanzmann. © JOEL SAGET

Claude Lanzmann

Ein anderer legendärer Filmemacher, ebenfalls ein spannendes Buch – und doch setzt Claude Lanzmann (1925-2018) in seinen Erinnerungen den Schwerpunkt ganz anders als Werner Herzog: Der Franzose, der mit dem Mammut-Film „Shoah“ 1985 ein fulminantes, schwer auszuhaltendes und gerade deshalb besonders wichtiges Zeitdokument geschaffen hat, verrät viel über seine Arbeit, über das Wer, Wie, Was, Warum. Lanzmann, der mit Jean-Paul Sartre befreundet und mit Simone de Beauvoir zudem einige Jahre liiert war, blättert in „Der patagonische Hase“ aber auch europäische (Geistes-)Geschichte auf. (Claude Lanzmann: „Der patagonische Hase“. Rowohlt Verlag, Hamburg, 688 Seiten; 16 Euro.)

Günther Maria Halmer mit seiner Autobiografie „Fliegen kann jeder“
Dem Autor gefällt’s: Günther Maria Halmer mit seiner Autobiografie „Fliegen kann jeder“. © Roman BABIRAD

Günther Maria Halmer

Gerade ist er 80 Jahre alt geworden (Lesen Sie hier: Günther Maria Halmer wird 80!), auf sein Leben hat der große bayerische Schauspieler Günther Maria Halmer literarisch aber bereits 2017 zurückgeblickt. In seiner Autobiografie mit dem vielsagenden Titel „Fliegen kann jeder. Ansichten eines Widerborstigen“ verarbeitet Halmer vor allem die schwierige Beziehung zu seinem herrischen Vater. Der konnte, das wird in dem lesenswerten Buch deutlich, nicht aus der eigenen Haut, geprägt von seiner katholischen Herkunft. Es ist eine deutsche Geschichte, die Halmer erzählt. Beiläufig lässt er historische Ereignisse in den Text einfließen, die ihn und eine ganze Generation prägten. Das macht diese Autobiografie empfehlenswert auch für jeden, der mit Filmkunst nichts am Hut hat. (Günther Maria Halmer: „Fliegen kann jeder“. C. Bertelsmann Verlag, München, 384 Seiten; 19,99 Euro.)

Wolf Biermann
Bissig – auch als Autor seiner Autobiografie: Wolf Biermann. © Jörg Carstensen

Wolf Biermann

Wat für ’ne Schnauze! Dabei ist Wolf Biermann gar nicht in Berlin geboren, sondern 1936 in Hamburg. Schnuppe. Denn „Warte nicht auf bessre Zeiten!“ – seine Autobiografie trägt den Titel eines Lieds, das er 1974 geschrieben hat – knallt beim Lesen richtig schön. Biermann blickt auf ein wildes, buntes Leben – nicht nur, weil ihn das DDR-Regime 1976 aus dem Land geschmissen hat. Das wiederum macht dieses Buch auch zu einem Zeugnis der deutsch-deutschen Geschichte. Die Schreibe des 86-Jährigen ist, geschult an zig Songtexten, immer auf Punkt und Pointe hin. Und dass dieser Wolf bissig ist, versteht sich von selbst. Hat er erst vor Kurzem bei seinem Besuch in München einmal mehr bewiesen. (Wolf Biermann: „Warte nicht auf bessre Zeiten!“. Ullstein Verlag, Berlin, 544 Seiten; 16,99 Euro.)

Michelle Obama mit ihrer Autobiografie
Mehr als die „First Lady“ der USA: Michelle Obama schreibt eindrücklich und unterhaltsam. © Getty Images

Michelle Obama

Klar, die meisten reden über Barack. Aber Michelle Obama war immer mehr als „nur“ die „First Lady“ der USA. Wie sie wurde, was sie ist, hat die heute 58-Jährige in ihrer Autobiografie aufgeschrieben, die so eindrücklich wie unterhaltsam ist und vor allem eines klarmacht: Wer an sich glaubt und die Hauptrolle im eigenen Leben spielt, ohne dabei egoistisch zu werden oder die Empathie zu verlieren, hat schon eine Menge gewonnen. (Michelle Obama: „Becoming – Meine Geschichte“. Goldmann Verlag, München, 544 Seiten; 26 Euro.)

Marcel Reich-Ranicki
Ein bewegtes Leben: Marcel Reich-Ranicki. © Goetzfried

Marcel Reich-Ranicki

Er ließ sich sehr häufig bitten. Zuerst von seiner Teofila. 1943, wenige Tage nach ihrer gemeinsamen Flucht aus dem Warschauer Getto, bat Marcel Reich-Ranickis Frau ihn, das alles aufzuschreiben. All die Gräuel, die ihnen und ihrer Familie widerfahren waren. Aber auch die Menschlichkeit, die in diesen unmenschlichen Zeiten aufflammte. Er tat es erst ein halbes Jahrhundert später, nachdem ihn immer wieder Menschen gefragt hatten, wann denn er, der Großkritiker, sein Leben notieren werde. Auch dies: eine deutsche Geschichte. Und ein Einzelschicksal, das bei jedem Lesen neu erschüttert. (Marcel Reich-Ranicki: „Mein Leben“. Pantheon, 576 Seiten; 16 Euro.)

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