Gerhard Polt live: Geburtstagssause zum 80. in den Kammerspielen

Gerhard Polt feierte seinen 80. Geburtstag da, wo er hingehört: auf der Bühne der Münchner Kammerspiele, mit den Well-Brüdern. Ein herrlicher Abend!
Der Karl Well kann kaum noch. Sein Kopf hochrot, die Augen feucht. Muss man sich Sorgen machen? Muss man nicht. Es ist nicht ein gefährlich erhöhter Blutdruck, sondern Gerhard Polt, der den Musiker wirken lässt wie ein lebendig gewordenes Lachgummi. Weil der Karl nicht anders kann als sich auszuschütten über das, was Polt am 7. Mai 2022 auf der Bühne der Münchner Kammerspiele treibt. Dabei haben er und seine Brüder Stofferl und Michael das doch schon Hunderte Male so erlebt. Seit Jahren – Stofferl und Michael gar seit vier Jahrzehnten – singen, spielen und gstanzln die Wells mit dem Kabarettisten. Deshalb liegt die Antwort auf die Frage, wie gut der Jubilar, der an diesem Abend seinen 80. Geburtstag feiert, auch noch im vorgerückten Alter ist, in den drei lachenden Gesichtern seiner Weggefährten. „Selbst wenn ich eine Nummer schon 200-mal gehört hab, ich find’s immer wieder komisch. Jeden Abend. Des is’ a Phänomen. Vielleicht, weil’s der Gerhard nie gleich rausbringt“, hat Stofferl Well kürzlich in einem der vielen Interviews zu Gerhard Polts 80. Geburtstag erzählt.

Wie er’s rausbringt, genau das ist der Clou. Am Anfang ist ein „Ja“. Eher: ein „Jo“, so klingt das auf Schwedisch. Und mit einer schwedischen Ansprache beginnt das ewige (Geburtstags-)Kind Gerhard Polt den Abend. Wer kein Schwedisch spricht – und das dürfte ziemlich jeder im ausverkauften Theater sein –, versteht nur „Kammerspiele“ und „Well“, „Katolsk“ und „Protestant“, und doch kringeln sich hier alle. Polt könnte Arabisch oder Chinesisch sprechen – die Typen, die er mit Intonation, Mimik und Gestik heraufbeschwört, die hat man auch ohne Übersetzer gleich vor Augen. Die politischen Redenschwinger und Selbstdarsteller, die Großkopferten und kleinen Revoluzzer; all jene, die sich hinter ihren Funktionen verstecken und deren Charakter doch immer durchmenschelt. Im Grunde: jeden von uns.
Gerhard Polt rechnet mit Amigo-Affären ab
Als einziges Requisit steht ein Geschenkkorb auf dem Rednerpult. Unvermeidlich am 80. Geburtstag. In Zellophan verpackt, die obligatorische Flasche Wein blitzt durch die Folie. Und: „Was ist das für a Mayonnaise?“ Kichern im Publikum. „Interessiert’s?“ Klar interessiert’s. Der Geehrte neigt sein Gesicht wenige Zentimeter vor die Glückwunschkarte, liest vor, die Augen über den Brillenrand auf das Papier gerichtet. Es ist ein Gruß von „Ihrem Sparkassenteam“. Sparkasse Miesbach. „Das hätt’ ich nicht gedacht, dass der Bromme immer noch so großzügig ist!“ Die meisten hier wissen natürlich, dass er Georg Bromme, den ehemaligen Vorstandschef der Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee,meint. Aber mit dieser so simpel wie genial trockenen Nummer über das einfallsloseste Geschenk seit es Geburtstagsfeiern gibt, hebt Polt ab auf jede Amigo-Affäre dieser Republik. Der Ort Miesbach ist so austauschbar wie das, was in den Körben liegt – ob die Pralinen von Dallmayr oder Leysieffer kommen: Wo Geld und Macht sind, da gibt’s immer die, die noch ein bisserl mehr davon haben wollen.
Gerhard Polt: der Meister der Andeutung!
Auch über Deutschlands Grenzen hinaus. Unnachahmlich, wenn Polt ins Tirolerische wechselt. Und sich als Leiter der österreichischen Gebietskrankenkasse darüber mokiert, dass der ADAC mit Helis die Verunglückten „wie die Geier von der Piste weg nach Garmisch-Partenkirchen entführt“. Wenn er dann noch für die neue Saison „Hals- und Beinbruch“ wünscht und die Well-Brüder mit ihrem „Skigebiet, Skigebiet, Skigebiet. Wir singen dir ein Liebeslied“ einsetzen, ist alles gesagt über Strukturwandel, Umweltzerstörung, Massentourismus. Polt, der Meister der Andeutung.
In ihrer musikalischen Laudatio („Sie ham’ die Instrumente nicht bloß so mitgebracht!“) singen die drei Brüder: „Wir wünschen dem Gerhard wirklich von ganzem Herzen ein langes Leben.“ Dazu Jubel, stehende Ovationen des Publikums und vom Theater ein großer Blumenstrauß. Möge er uns weiter blühen, der große Gerhard Polt.