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„Die Geschichte meiner Frau“ ist trotz drei Stunden Filmlänge sehenswert

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Von: Marco Schmidt

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In dem neuen Kinofilm „Die Geschichte meiner Frau“ heiratet der grimmige Jakob (Gijs Naber) die flippige Lizzy (Léa Seydoux) als Ergebnis einer Wette.

Nomen est omen: Der niederländische Schiffskapitän Jakob Störr (Gijs Naber) ist ein störrischer, scheuer, introvertierter Brummbär, der sich bewusst von Passagieren und der Besatzung fernhält. Sogar zu den Mahlzeiten zieht er sich stets allein in seine muffige Kajüte zurück. Im Prinzip ist er ständig auf der Flucht vor dem Leben im Allgemeinen und seinen Mitmenschen im Besonderen. Mit anderen Worten: „Die Geschichte meiner Frau“ könnte auch „Der fliehende Holländer“ heißen.

In „Die Geschichte meiner Frau“ spielt Gijs Naber den Ehemann von Lizzy (Léa Seydoux)

Mitte der Zwanzigerjahre wettet Jakob bei einem Geschäftsessen an Land, er werde kurzerhand die Frau heiraten, die als Nächstes das Restaurant betritt. Als daraufhin die lebenslustige, launenhafte Lizzy (Léa Seydoux) zur Tür hereinkommt, macht er der fremden Dame ohne Umschweife einen Heiratsantrag. Zu seiner (und unserer) Verblüffung nimmt sie tatsächlich an, doch schon in der Hochzeitsnacht zeigt sie ihm (und uns) bei einer Partie Strip-Poker, wer in dieser Ehe die Hosen anhat.

Sinnliche Salonlöwin zähmt introvertierten Brummbär: Jakob (Gijs Naber) heiratet Lizzy (Léa Seydoux) als Ergebnis einer Wette. Schon in der Hochzeitsnacht zeigt sie ihm, wer die Hosen anhat.
Sinnliche Salonlöwin zähmt introvertierten Brummbär: Jakob (Gijs Naber) heiratet Lizzy (Léa Seydoux) als Ergebnis einer Wette. Schon in der Hochzeitsnacht zeigt sie ihm, wer die Hosen anhat. © Alamode film

Lizzy entpuppt sich als selbstbewusste, sinnliche, schillernde Salonlöwin. Der krankhaft eifersüchtige Jakob, oft monatelang auf den Weltmeeren unterwegs, schwankt zwischen Faszination und Verzweiflung: Mehr und mehr steigert er sich hinein in die fixe Idee, Lizzy betrüge ihn mit dem dekadenten Dandy Dedin (Louis Garrel). Derweil lässt sich Jakob selbst mit anderen Frauen ein, etwa mit der blutjungen Grete (Luna Wedler).

Kinofilm „Die Geschichte meiner Frau“ ist sehenswert, allerdings redundant und repetitiv

Szenen einer Ehe geprägt von Misstrauen und Missverständnissen: In diesem feinsinnigen Liebesdrama seziert die ungarische Meisterregisseurin Ildikó Enyedi genüsslich Geschlechterrollen und Machtmechanismen in einer Beziehung. Bei ihrem 2017 auf der Berlinale völlig zu Recht mit dem Goldenen Bären ausgezeichneten Vorgängerfilm „Körper und Seele“ hatte sie mit originellen, poetischen Bildeinfällen bezaubert; diesmal belässt sie es vorwiegend beim Schwelgen in schönen Schauplätzen und prächtigen Kostümen.

Dabei scheint der im Mittelpunkt des Geschehens stehende Kapitän mit seiner sperrigen Steifheit und frappierenden Humorlosigkeit ein wenig auf die sonst so pfiffige Filmemacherin abgefärbt zu haben. Sie hat es vor allem versäumt, die ausufernde Romanvorlage ihres Landsmanns Milán Füst ordentlich zu kürzen. Denn Jakobs permanente paranoide Zweifel an der Treue seiner Gattin sind alles andere als abendfüllend: Der gediegen inszenierte, fast drei Stunden lange Film wird zusehends repetitiv und redundant.

Sehenswert ist er trotzdem – nicht zuletzt dank der exzellenten Darstellerriege, angeführt von der wandlungsfähigen Léa Seydoux, die man momentan auch in „James Bond: Keine Zeit zu sterben“ und „The French Dispatch“ auf der Leinwand erleben kann. Ihre flirrende, mondäne, so scharfsinnige wie eigensinnige Lizzy wäre eigentlich die interessantere Hauptfigur, doch sie bleibt bis zum Schluss völlig undurchsichtig, weil die Geschichte – anders als es der Filmtitel suggeriert – konsequent aus Jakobs Sicht erzählt wird. In Mini-Rollen agieren weitere Schauspiel-Größen wie Ulrich Matthes, Udo Samel oder Josef Hader. Letzterer macht aus seinem Kurzauftritt als kauziger Hamburger Hausmeister ein köstliches kleines Kabinettstück. „Die Geschichte meienr Frau“ mit Gijs Naber, Léa Sedoux; Regie: Ildikó Enyedi: Laufzeit: 169 Minuten. Dieser Film könnte Ihnen gefallen, wenn Sie „Der seidene Faden“ mochten. Sehenswert ★★★★☆

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