Hart und Herzchen: Babymetal kommen zum Rockavaria

München - Babymetal begeistern mit ihrer Kombination von Quietsch-Pop und Heavy Metal nicht nur ihre Heimat Japan – jetzt spielen sie in München.
Glaubt man dem Klischee, müsste das typische Mitglied einer Metalband ungefähr so aussehen: lange Haare, fies bedrucktes T-Shirt, bewusst rustikales Auftreten, stets ein Bier in Reichweite. Aber seit einiger Zeit mischt sich Liebliches in die Szene der angeblich so harten Kerle. Drei schmächtige Japanerinnen, die so niedlich aussehen, dass man sich fürchtet, in ihrer Gegenwart die Musik aufzudrehen.
Su-metal, Yuimetal und Moametal sind zwischen 15 und 17 Jahre alt, ihre Röcke tragen sie kurz, ihre Stimmen sind hoch. Den Metalfan würde das alles wohl nicht interessieren – wenn die drei Mädchen nicht Babymetal wären und als Innovation gelten würden: Denn was als Persiflage auf alles verstanden werden könnte, was Black Sabbath, Judas Priest und Slayer populär machte, hat Millionen Fans weltweit. Babymetal gelten als Erfinderinnen des „kawaii metal“, die Sängerinnen wollen zwei Strömungen zusammenbringen, die bis dato in gegensätzliche Richtungen flossen: Einerseits nutzen sie Elemente des Metal, treten etwa in schwarzroten Kostümen auf, springen zu Gitarren- und Schlagzeugklängen über die Bühne, reißen Anarchoposen. Andererseits klingen sie nach Quietsch-Pop. Eines ihrer bekanntesten Lieder, „ijime, dame, zettai“, heißt übersetzt so viel wie: „Mobbing geht wirklich gar nicht!“ Ein anderer Titel, „ii ne“, bedeutet: „Ach, wie schön.“ Es sind die typischen Themen des in Japan dominanten J-Pop, den unzählige gecastete Gruppen spielen und der immerzu die Sorgen junger Menschen behandelt – absolut jugendfrei, ohne Flüche, Jähzorn oder Aggressionen.
Es mag daran liegen, dass die ausländischen Fans die Texte nicht verstehen – jedenfalls hat das Konzept nicht nur in Japan Erfolg. Im Rahmen ihrer Welttour spielen Babymetal am Freitag bei „Rockavaria“ in der Münchner Olympiahalle. Dabei haben die Mädchen mit der Metalmusik eigentlich wenig gemein. Im Gespräch mit unserer Zeitung gibt die 15-jährige Yuimetal zu: „Als ich zum ersten Mal sah, wie die ganzen großen Männer gegeneinander springen und Crowdsurfing machen, hatte ich ein bisschen Angst.“ Und Su-metal, die Leadsängerin, sagt zu ihrem privaten Musikgeschmack: „Am liebsten höre ich Ariana Grande.“ Teeniepop also. Fragen zum Zigaretten- oder Bierkonsum sind laut Management sowieso tabu. Gesprochen werden darf dafür über die Schuluniform, die sie tagsüber tragen, wenn sie normale japanische Mädchen sind. „Auf dem Schulweg erkennen uns die Leute meistens nicht“, sagt Moametal, die Jüngste.
Seit knapp fünf Jahren sind die Mädchen im Geschäft, haben es in Japan mehrmals an die Spitze der Hitparade gebracht, spielen vor 20 000 Zuschauern in den größten Arenen Tokios. Popdiva Lady Gaga buchte Babymetal bereits als Vorband. Da wundert es nicht, dass die Fachpresse die Gruppe als Sensation begreift. Im japanischen Kontext ist die Idee einer niedlichen Metalband indes einfacher zu erklären: Seit sich das Land vor rund 150 Jahren nach einer zuvor 200-jährigen Isolationspolitik gegenüber der Welt öffnete, entstand immer wieder Verblüffendes. Zwar kamen grundsätzliche Erfindung selten aus Japan, dafür Weiterentwicklungen. Zwei Beispiele: Toyota hat gerade ein Wasserstoffauto auf den Markt gebracht; die Destillerien Nikka und Yamazaki sind für ihren Whisky weltberühmt. Wohl kein Europäer oder Nordamerikaner wäre auf „kawaii metal“ gekommen – in Japan liegt das Genre auf der Hand: Die Werbebranche flutet das Land mit Quietschstimmen, dünnen Beinen und Schulmädchenkostümen. Ein Bub, der einem Mädchen sagt, sie sei „kawaii“, süß, hat gleich bessere Karten. Japans Popkultur, inklusive der Riesenindustrie aus Mangas und Anime, ist ohne große Knopfaugen, die Farbe Rosa und liebliche Grinsegesichter kaum vorstellbar. Gleichzeitig aber haben die bekannten Rock- und Metalbands auch in Japan viele Fans. Und unkonventionellen Ideen gegenüber – ob modisch, kulinarisch, technologisch oder eben musikalisch – ist man hier ohnehin aufgeschlossen. Su-metal, Yuimetal und Moametal sind das beste Beispiel dafür. „Bei den Proben üben wir, gleichzeitig cool, süß und rau zu sein. Manchmal ist das echt schwierig“, sagt Yuimetal und kichert. „Aber es macht richtig Spaß.“
Babymetal spielen am Freitag ab 18.55 Uhr in der Olympiahalle; Telefon 089/ 54 81 81 81.
Felix Lill