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Brandner Kaspar: Der Himmel voller Männer

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Theater-Traumpaar im Regen: Maximilian Brückner als Boandlkramer (li.) und Alexander Duda als Brandner Kaspar im Volkstheater. © Arno Declair/ Volkstheater

München - Der Volkstheater-Intendant Christian Stückl spricht im Interview über seinen „Brandner Kaspar“ und Kerschgeist zur 250.Vorstellung am Sonntag:

„Der Brandner Kaspar und das ewig’ Leben“ – der zweite Titelteil von Franz von Kobells und Kurt Wilhelms Stück trifft auch auf die jeweiligen Inszenierungen zu. Das Bayerische Staatsschauspiel zeigte seine Produktion gefühlt endlos, und Christian Stückl setzt diese Tradition mit seiner schwungvollen Version am Münchner Volkstheater fort. Premiere war am 7. April 2005. An diesem Sonntag wird der „Brandner“ zum 250. Mal den Boandlkramer beim Kartln mit Hilfe des Kerschgeists austricksen. Danach lädt Intendant Stückl zum großen Sommerfest am Spielzeitende ein.

-Wird’s bei der Fete an Kerschgeist gebn?

Bei den Oberammergauer Vorstellungen neulich haben wir ihn vergessen. An der Bar hätten wir Kerschgeist ausschenken müssen. (Lacht.) Da gibt’s a schöne Gschicht: Wir machen doch in der Wiesnzeit immer eine „Brandner“-Vorstellung, nach der wir dann mitm Publikum aufs Oktoberfest gehen. Da kam eine ältere Frau daher, die hat an Kerschgeist dabeigehabt und wollte unbedingt mitm Maxi (Maximilian Brückner spielt den Boandl, Anm. d. Red.) trinken. Er hat richtig geblödelt, und sie hat gsagt: „Wissen’S, Herr Brückner, mit Eana trink I gern an Kerschgeist. I bin so krank, i sterb bald, aber wenn i im ,Brandner‘ bin, geht’s mir besser.“ Das war schon rührend.

-Zweimal ist der „Brandner Kaspar“ zur Kult-Inszenierung geworden. Worin liegt das Geheimnis?

Er ist ja so ein bissl ein Münchner „Jedermann“. Was ich an unserem mag, ist, dass er viel komödiantischer ist. In Salzburg sagt man, „wenn der Tod auf die Bühne kommt, werden die Zuschauer still“. Bei uns ist es so: Wenn der Tod auf die Bühne kommt, fangen alle an zu lachen. Die Grundhaltung von dem Stück ist die Sehnsucht danach, den Tod bescheißen zu können – das ist doch die Grundhaltung von uns allen. Wenn die Leut’ ihre Kinder ausm Haus haben, fangen’s an gegen den Tod zu kämpfen. Beim „Brandner“ kommt dazu, dass er mit viel Witz geschrieben ist, ja, auch manche Klischees bedient werden... und die heile Welt im Himmel...

-Wie der „Jedermann“ basiert der „Brandner“ auf einer fröhlichen, bildmächtigen Volksfrömmigkeit.

Na ja... Bei beiden Stücken ist es schon unterschiedlich. Viele mögen den „Jedermann“ nicht, obwohl er genauso begehrt ist. Sie lehnen das Ende ab; das ist ihnen zu einfach: Einer braucht bloß bereuen, dann ist er von seinen ganzen Sünden befreit. Der Brandner will auch ums Fegefeuer herumkommen. Ich weiß nicht – mit der Frömmigkeit? Wichtig ist einfach die Szene mit dem Kerschgeist, weil alle lachen können. Die Leut’ lachen wahnsinnig gern im Theater. Das ist, was du immer wieder hörst: Die Menschen wollen am Abend ins Theater gehen und lachen. Bei uns hängt das ganz stark damit zusammen, wie’s der Maxi macht, zusammen mit dem Alexander Duda (spielt den Brandner Kaspar, Anm. d. Red.). In der alten Inszenierung war Toni Berger der Boandlkramer. Für uns war 2005 die Frage: „Wer toppt den Berger?“ Das haben wir nur mit einem geschafft, der etwas ganz Eigenes aus der Rolle entwickelt hat.

-In beiden Stücken spielt der Tod eine bedeutende Rolle – wir Bayern haben allerdings mehr Glück mit ihm.

Ich habe damals den Glücksgriff getan mit den Riederingern (Musikgruppe, Anm. d. Red.). Wegen ihnen haben wir den Himmel ausgebaut – für viel mehr Engel. Und wir haben andere Geschichten eingebaut, etwa, dass sich die Engel gegen das Hosianna-Singen wehren (Zitat aus Ludwig Thomas „Ein Münchner im Himmel“).

-Was fällt bei den Gastspielen auf? In Rio oder Bozen?

Das ist lustig. In Rio haben wir gedacht, dass die Zuschauer uns trotz Übersetzung – „Boandlkramer“ wurde „Knochenhändler“ – nicht verstehen. Aber der Katholizismus ist dort noch mehr verfestigt als bei uns: Wenn Petrus ausm Himmel zurückkommt und sagt, „alle drei warn’s da und d’Maria“, dann dauert’s bei unserem Publikum: „Wer jetzt, alle drei? Ah, die Heilige Dreifaltigkeit!“ In Rio ham’s sofort losglacht. In Südtirol war die Überraschung, dass man unser Boarisch nicht verstanden hat. In Rio haben die Leut’ allerdings erklärt: „Eines ist bei uns völlig anders – bei uns gibt’s keine männlichen Engel, bei uns schwirrt der Himmel vor lauter Frauen.“

-Wie schwierig ist es, immer wieder die „Brandner“-Schar zusammenzubringen?

Obwohl die 250. Vorstellung naht, spielen alle den „Brandner“ wahnsinnig gern. Wir bringen ihn durchschnittlich zweimal im Monat. Das sind circa 20 Vorstellungen im Jahr. Es ist übrigens fast komplett die Erstbesetzung, und es funktioniert gut.

-Worauf muss man als Regisseur dringen, damit eine so lang laufende Inszenierung nicht verschlampt?

Ja, zwischendurch sag’ ich schon manchmal was. Aber eigentlich lass’ ich den „Brandner“ ziemlich laufen, denn er verändert sich schon auch – und das soll er. Bestimmte Witze funktionieren nicht mehr so: Wenn der Nantwein nach Wolfratshausen nunterschaut und Erzengel Michael sagt, „von Wolfratshausen ist noch nie was Gscheits gekommen“, dann haben die Zuschauer vor sechs Jahren gegrölt. Heute ist der Stoiber schon zu weit weg. Dafür entstehen andere Dinge. In Oberammergau war die Vorstellung eine halbe Stunde länger – so viel haben die Leut’ glacht.

-Wie lange wollen Sie das Stück im Programm halten?

Im Augenblick denken wir nicht ans Aufhören.

Das Gespräch führte Simone Dattenberger.

Die Vorstellung

am Sonntag beginnt wegen des Theaterfests schon um 17 Uhr (ausverkauft, eventuell Restkarten); Telefon 089/ 523 46 55. Die 251. Vorstellung ist am 5. Oktober.

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