Bruno Jonas: „Ich möchte nicht Politiker sein“

München - Politikerbeschimpfung war gestern – heute werden Deutschlands führende Köpfe von Kabarettisten beraten und ihr Handeln optimiert: Kabarettist Bruno Jonas spricht im Interview über die neue Satire „Die Klugscheißer“ im Ersten.
Politikerbeschimpfung war gestern – heute werden Deutschlands führende Köpfe von Kabarettisten beraten und ihr Handeln optimiert. Natürlich (noch?) nicht in Wirklichkeit, sondern in der Fantasie von Bruno Jonas (60), Monika Gruber (41) und Rick Kavanian (42). Vor zweieinhalb Jahren gründete das Trio die fiktive Politikberatungsagentur „Die Klugscheißer“ im Bayerischen Fernsehen – eine Geschäftsidee, die sich nun auch bundesweit durchsetzen soll. Von 23. Mai an zeigt das Erste wöchentlich jeweils donnerstags um 22.45 Uhr nach den „Tagesthemen“ fünf Folgen des Satireformats. Reinhold Beckmann und seine Sendung haben so lange Pause.
Ist Ihr Wechsel ins Erste ein lange geplanter Coup auf dem Weg, DIE Satiresendung der ARD zu werden?
Wieso – gibt’s denn noch eine andere?
Den „Satiregipfel“!
Ach so! (Lacht.) Nein – wir wollten und wollen natürlich vor allem ein möglichst großes Publikum erreichen. Und wenn man bei einem ARD-Sender wie dem BR beheimatet ist, dann liegt es nahe, dass man irgendwann auch im Ersten ein Fenster sucht, um die ganze Republik zu beglücken. Der Wechsel war eigentlich schon früher geplant. Aber erst jetzt hat uns die ARD das passende Angebot gemacht – und da haben wir nicht lange gezögert.
Nehmen Sie noch Maß am legendären „Scheibenwischer“, den Sie ja lange mitverantwortet haben?
Nein. Der „Scheibenwischer“ war gestern. Heute machen wir „Die Klugscheißer“!
Welche Änderungen muss man vornehmen, wenn man mit einem Satireformat vom Dritten ins Erste wechselt?
Sie meinen, ob wir den Dialekt weglassen? Nein! Der bairische Dialekt wird in der ganzen Republik gerne gehört, wenn auch vielleicht nicht überall hundertprozentig verstanden. Aber wir werden uns nicht verbiegen. Monika Gruber ist im Bairischen daheim, ich auch, nur hatte ich das Glück, dass ich einen ostpreußischen Vater hatte, sodass ich auch aufs Standarddeutsche zurückgreifen kann. Und Rick Kavanian ist ein Allrounder, der kann alles – darstellerisch und sprachlich. Man wird uns folgen können, davon bin ich überzeugt.
Die Grundsituation des Formats ist der Alltag einer Politikberatungsagentur...
Genau. Kabarett war bisher immer eine Veranstaltung, in der Politiker abgewatscht wurden. Alle bekamen ihr Fett weg. Darum geht es uns nicht. Unser satirischer Ansatz ist die Analyse der Wirklichkeit aus der Sicht einer Beratungsagentur. Wir „Klugscheißer“ treten einen Schritt zurück und beobachten Politik aus der Perspektive derer, die dieses Geschehen mutmaßlich inszenieren. Wir kontrollieren das Konzept und prüfen, ob und wie wir es optimieren können.
Wenn Politik inszeniert ist, sind dann auch die Skandale inszeniert? Oder sind Skandale Pannen, die passieren, wenn man schlecht beraten ist?
Das lässt sich nicht immer unterscheiden. Wenn ich an das Geschehen um den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff denke – man hatte am Anfang schon das Gefühl, dass da ein ganz dicker Fisch verendet ist am Strand der Medien und am Strand der Satire. Und heute sieht es so aus, als ob ganz wenig übrig bleibt. Dass das gar nicht der Skandal war, den man uns da verkaufen wollte. Aber das wäre jetzt wieder die Aufgabe der „Klugscheißer“, zu überlegen, welche Strategie dahinterstand, Wulff zu stürzen. Welche Instinkte wurden da aktiviert? Die Funktion der Medien scheint mir heutzutage die zu sein, Erregungsgemeinschaften zu rekrutieren, Empörungsangebote zu machen.
Satire also nicht nur Politik-, sondern auch als Medienkritik?
Ja.
Sind Politiker heute ungeschickter als früher?
Aus der Sicht des Satirikers können Politiker gar nicht ungeschickt genug sein. (Lacht.) Aber was heißt ungeschickt oder geschickt? Verhält sich Peer Steinbrück geschickt? Oder ist er nur schlecht beraten? Politik wird heute konfektioniert und häppchenweise serviert, um das Vertrauen des Wählers zu gewinnen. Gleichzeitig werden die Gewählten dem Wähler gegenüber immer misstrauischer.
Stürzen Politiker heute leichter als früher? Hätte sich einer wie CSU-Ex-Franktionschef Georg Schmid unter Franz Josef Strauß halten können?
Kann schon sein, dass diese Geschichte unter FJS anders gelaufen wäre. Aber die Frage ist müßig. Heute sehen wir, dass das politische Personal, das wir ja selbst gewählt haben beziehungsweise das uns von den Parteien zur Wahl angeboten wurde, nicht zu unserer Zufriedenheit agiert.
Nur noch „zweite Wahl“ an der Macht?
Naja – möchten Sie Politiker sein? (Lacht laut heraus.) Ich nicht!
Aus Angst vor den Medien, die keinen Fehler zu verzeihen scheinen?
Die Kontrollfunktion der Medien wird nicht immer verantwortungsvoll wahrgenommen. Es werden Politiker erst rauf- und dann wieder runtergeschrieben. Das hat sicher auch mit dem stärker gewordenen Konkurrenzkampf zu tun. Man könnte das mit großen Wellen vergleichen, die sich in den Weiten des Ozeans aufbauen und auf den Strand donnern. Dann wird es ruhig, das Wasser zieht sich zurück, dann kommt die nächste Welle.
Im Internetzeitalter kann sich jeder seine eigene Öffentlichkeit schaffen. Ist das nicht eine Gefahr fürs klassische Kabarett? Wie die Medien hatten ja auch die Kabarettisten früher eine Art Meinungsmonopol.
Ich würde das nicht als Gefahr sehen, eher als Chance. Satire steht seit jeher jedem offen, satirische Darstellungsformen sind ja auch uralt, denken Sie an Diogenes, der zu Alexander sagt: „Geh’ mir aus der Sonne!“ Ein großer Kabarettist! Ich glaube, dass die Vielfalt der Möglichkeiten, sich zu Wort zu melden, zu mehr satirischer Kompetenz führt.
Und zu mehr Konkurrenz...
Die Konkurrenz ist groß, das stimmt, es gibt aber auch eine große Nachfrage nach guter Satire, man muss sich halt durchsetzen am Markt. Man macht ein Angebot – und wenn die Leute kommen, ist es gut. Wenn nicht, muss man vor denen spielen, die da sind.
Haben sich schon einmal Politiker bei Ihnen beschwert, weil sie sich unfair behandelt fühlten?
Nein, das habe ich nie erlebt. Ich habe aber schon erlebt, dass ein Redakteur gefragt hat: „Können wir das dem Zuschauer zumuten? Wird er das verstehen?“ Aber ein kritisches Feedback ist wichtig. Satire spielt ja bewusst mit Doppeldeutigkeiten. Trotzdem behaupte ich: Satire zielt darauf ab, richtig verstanden zu werden. Deswegen ist die Formulierung „Beifall von der falschen Seite bekommen“ Blödsinn. Auch wenn ich falsch verstanden werde, ist, was ich sage, richtig.
Was haben Sie dem Redakteur gesagt, wenn er Bedenken geäußert hat?
Dann haben wir darüber diskutiert. Häufig ging und geht es natürlich um die Frage, ob religiöse Gefühle verletzt werden könnten. Da bin ich auch sehr sensibilisiert, ich bin ja selbst mal angezeigt worden wegen Religionsbeschimpfung. Ein Frühwerk! Heute differenziere ich mehr. Es gibt Bereiche, da ist Verständigung nicht möglich, wie beispielsweise bei Glaubensinhalten. Und wenn ich verstanden werden will, aber schon weiß, dass ich von einem bestimmten Publikum missverstanden werde, dann ist das relativ witzlos. Wenn ich also – wie damals in Passau – die Jungfräulichkeit der Gottesmutter bezweifle, dann ist eine Kommunikation mit einem gläubigen Katholiken unmöglich. Er fällt wegen mir nicht vom Glauben ab.
Das heißt, Glaube und Kirche sind für Sie auf der Bühne tabu?
Ich unterscheide zwischen Glaubensinhalten, über die ich heute keine satirischen Pointen mehr machen würde, und politischen und gesellschaftlichen Positionen, die Glaubensgemeinschaften einnehmen, übrigens auch Juden und Muslime. Wenn Glaubensgemeinschaften in unsere Gesellschaft hineinmissionieren, dann ist das natürlich immer ein Thema für mich.
Das Gespräch führte Rudolf Ogiermann.