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Gerhard Polt mit „A scheene Leich“ an den Münchner Kammerspielen: Humor durch die Hintertür

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Von: Astrid Kistner

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Gerhard Polt und die Well-Brüder mit dem Bühnen-Chor in der Kammerspiel-Komödie „A scheene Leich“
Karli Well, Gerhard Polt, Michael und Stofferl Well (v. li.) freuen sich über den Chor in ihrem Stück ©  Münchner Kammerspiele/M. Korbel

Wenn Kabarettist Gerhard Polt und die Well-Brüder die Münchner Kammerspiel-Bühne entern, kann das eigentlich nur heiter werden. Am 28. Januar feiert ihre neu erdachte, rabenschwarze Komödie um einen verstorbenen Bestatter Premiere. Wir haben sie zum Interview getroffen.

Mit einem Jodler kündigt sich Gerhard Polt an. Laut hallt er durch die Gänge der Münchner Kammerspiele, in denen wir gemeinsam mit den Well-Brüdern und dem Schweizer Regisseur Ruedi Häusermann zum Zwölf-Augen-Gespräch verabredet sind. Gerade hat das Ensemble noch geprobt. Die theatralische Erblast-Komödie „A scheene Leich“, die den Tod oder besser gesagt, diejenigen, die ihr Geld mit ihm verdienen wollen, auf die Schippe nimmt.

Was die Zuschauer erwartet? Eine traurig-komische Geschichte um einen Bestatter, der das Zeitliche gesegnet hat. Die Blaskapelle probt die Trauermusik, die Ex-Frau tobt, und die neue Alleinerbin will nix abgeben. Das kann ja heiter werden! Gerhard Polt, das dienstälteste Mitglied des Kammerspiele-Ensembles, und seine musikalischen Seelenverwandten, die Well-Brüder aus dem Biermoos, freuen sich auf die Uraufführung dieser morbiden Posse, die den Tiefsinn durch die Hintertür schmuggelt.

Für mich als Nicht-Bayerin – was ist „A scheene Leich“?

Michael Well: Außenstehende nehmen das gern wörtlich und verwechseln das mit einer schönen Leiche – was natürlich ganz und gar nicht stimmt.
Stofferl Well: A scheene Leich – das ist ein würdiger Ablauf vom letzten Geleit. Das ganze Ritual zwischen Trauer und Lebensfreude: Es ist das letzte Hochlebenlassen des Verstorbenen.
Gerhard Polt: Dazu gehört Musik, gut zu essen, zu trinken bis zur Raserei, und am Ende vielleicht noch a Messerstecherei im Wirtshaus.
Stofferl: Die gab’s nur ganz früher. (Lacht.)

Apropos früher: Als Kind hat es mich beim Begriff „Leichenschmaus“ geschüttelt...

Stofferl: (Lacht.) Ja, da hatte man gleich verrückte Bilder im Kopf.
Karli Well: Für uns waren Begräbnisse immer ganz toll, weil’s da an Schweinsbraten gab. Sonst hat’s ja selten Fleisch gegeben.
Polt: So ein Begräbnis war schon eine Sensation im Ort. Ich hab Leute gekannt, die ham immer gewusst, wo einer beerdigt wird. Die waren gar nicht eingeladen, aber man wurde ja nicht rausgeschmissen. Und das Menü war damals fast immer gleich: Da gab’s an Schweinsbraten ohne Soß’, a Voressen, also saures Lüngerl oder so, bestimmte Suppen und viel Alkohol.
Stofferl: ...und oft wurde schon im Wirtshaus besprochen, wer wohl was erbt.
Michael: Also a Leich, die am Münchner Ostfriedhof im Viertelstundentakt beigesetzt wird, ist genau das Gegenteil, von dem, was wir meinen.

Wie kommt man auf die Idee, so eine Geschichte auf die Bühne zu bringen?

Ruedi Häusermann: Wir hatten ganz viele Ideen und die schon lange. Nach und nach hat sich daraus dieses theatralische Stück geformt, in das wir einiges einbauen wollten: Den Skandal, wie man mit alten Leuten heute umgeht, die Privatisierung der Pflege. Eigentlich schwere und traurige Themen, die wir aber mit Humor und Leichtigkeit erzählen.
Polt: Es ist ja eine Erblast-Komödie. Erblast – das heißt, dass wir in eine Gesellschaft geboren werden, die bestimmte Werte und Rituale hat. Und die tragen wir weiter. Meine Enkelin erbt gerade, dass man schnell mit Handys umgehen kann. Aber sie erlebt auch einen Umgang mit alten Menschen, der mir nicht erst seit dem Skandal in unserem Altersheim in Schliersee aufstößt.
Michael: In unserem Stück geht’s ja um einen Bestatter, der zugleich das kommunale Altenheim gekauft hat und da eine recht gewinnbringende Synergie bildet.
Polt: Was übrigens kein Witz ist, das gibt’s tatsächlich.

Wenn man so ein Szenario entwirft, denkt man dann auch über das eigene Ableben nach?

Karli: Ja, freilich – gerade weil der Tod in unserer Gesellschaft immer mehr verdrängt wird.
Michael: Wir sind ja alle in einem Alter, wo die Einschläge näher kommen.
Häusermann: Aber wir haben uns auch erst daran gewöhnen müssen, dass da ein Sarg auf der Bühne steht und man zwischendrin immer wieder denkt: Da werde ich auch mal drin liegen. Der Schweizer Zeichner Adolf Wölfli hat mal gesagt: „Alle Menschen müssen sterben – und vielleicht auch ich.“ (Lacht.) Das bringt es für mich auf den Punkt.

Welches Begräbnis wünschen Sie sich?

Stofferl: Den musikalischen Ablauf hab ich genau im Kopf und auch schriftlich hinterlegt. Schon vor Jahren haben wir eine CD mit Beerdigungsmusik und dem Titel „A scheene Leich“ gemacht. Weil’s wichtig ist, was da erklingt. Mit dem Klang beerdigt man einen Menschen, und mit dem Klang erinnert man sich auch an ihn.
Polt: Ich will nur, dass jeder, der kommt, auch a gute, frisch gezapfte Halbe kriegt. Tegernsee Südlage.
Michael: Wichtig ist ja nicht, dass der Verstorbene glücklich ist, weil dem ist es ja gleich, aber die Angehörigen müssen lernen, mit der Situation und der Trauer umzugehen – und da hilft a scheene Leich.
Häusermann: Ich käme nicht auf die Idee, etwas anzuordnen. Das mache ich ja schon den ganzen Tag als Regisseur. Wenn man es den anderen überlässt, dann zeigt sich, welche Erinnerung du in deinem Leben gesetzt hast.
Stofferl: Und wenn der Ruedi mal stirbt, dann spiel ich mit meiner Trompete, aber nur, wenn er auch auf meine Beerdigung kommt. (Lacht.)

Sie sind alle auch Väter. Welches emotionale Erbe hinterlassen Sie Ihren Kindern?

Häusermann: Ich hab mich immer bemüht, die Haltung, die ich meinen Kindern vermitteln will, selbst zu leben. Ich glaube, das ist so entscheidend, weil sie sonst nichts haben, an dem sie sich orientieren oder von dem sie sich absetzen können.
Stofferl: Mir war’s immer wichtig, zu den Kindern so nett zu sein, dass sie im Alter auch zu mir nett sind. Da sieht man dann, wie gut die Erziehung wirklich war.
Michael: Das stimmt, aber ich bin auch davon überzeugt, dass je freier und souveräner ein Mensch aufwächst, umso besser entwickelt er sich. Und ich bin mir sicher: Was du gibst, kriegst du immer zurück.
Polt: Ich glaub, du musst gar nicht immer geben, a Kind holt sich selber, was es braucht. Ich erinnere mich noch gut an den Quirin Roth, den Sohn eines Holzschnitzers, der in Kriegsgefangenschaft war. Der Vater war trotzdem ein sehr lustiger und fideler Mann. Und der Bub hat ein Leben lang darunter gelitten, dass der Papa nie ernst sein konnte. Drum sag ich: Lass Kinder das von dir nehmen, was sie wollen. Und den Rest behältst du einfach selbst.

Das Gespräch führte Astrid Kistner.

Interviewfoto mit Gerhard Polt, den Well-Brüdern, Regisseur Ruedi Häusermann und Redakteurin Astrid Kistner
Zwölf-Augen-Gespräch: Gerhard Polt, die Well-Brüder, Ruedi Häusermann (Mi.) und Redakteurin Astrid Kistner © Privat

Premiere

28. Januar 2023, 20 Uhr, in den Münchner Kammerspielen
weitere Vorstellungen
vorerst bis 27. Februar (alle ausverkauft, Restkarten
mit etwas Glück unter www.kammerspiele.de). Die März-Termine werden spätestens Mitte nächster Woche bekannt gegeben.

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