Thomas Pigor über seine „Drei Männer im Schnee“ am Gärtnerplatztheater

„Ein bisschen Rössl, ein bisschen Weill“, so charakterisiert Thomas Pigor seine Bühnenfassung von Erich Kästners Roman „Drei Männer im Schnee“. Uraufführung ist am 31. Januar im Gärtnerplatztheater. Ein Gespräch mit dem Kabarettisten.
München - Ein junger, arbeitsloser Werbetexter gewinnt bei einem Preisausschreiben einen Urlaub im Luxushotel in den Bergen, der schwerreiche Chef der Firma, die das Preisausschreiben veranstaltet hat, reist inkognito ebenfalls dorthin. Dort kommt es zu einer folgenschweren Verwechslung – der junge Mann wird hofiert, der echte Millionär dagegen schikaniert. „Drei Männer im Schnee“, Erich Kästners Roman aus den Dreißigerjahren, wurde schon oft verfilmt, nun wagt sich das Münchner Gärtnerplatztheater an eine Bühnenbearbeitung des Stoffs. Als Autor der Revueoperette gewann Intendant Josef Köpplinger den Autor, Komponisten und Musikkabarettisten Thomas Pigor (62), einem größeren Publikum vor allem durch das Duo Pigor & Eichhorn bekannt. Der Hausherr selbst inszeniert.

Wie kam es zu der Zusammenarbeit – und wieso gerade dieses Stück?
Pigor: Ganz einfach – weil mich Josef Ernst Köpplinger gefragt hat, ob ich dieses Stück schreiben will. Meine erste Reaktion war übrigens: Nein! Warum „Drei Männer im Schnee“, warum diese harmlose Geschichte? Dann habe ich aber noch mal den Roman gelesen und mir den Kurt-Hoffmann-Film von 1955 angeschaut. Dabei habe ich festgestellt, dass sich die Handlung eigentlich gut fürs Musiktheater eignet. Die Hauptgeschichte ist schnell erzählt, dadurch hat man Platz für Revue-Nummern und für Nebengeschichten, die man ausführlicher erzählen kann, als sie im Roman angelegt sind. Dann dieser ganz eigene, ironische Erich-Kästner-Ton – das alles hat mich dazu bewogen, Ja zu sagen. Und die Arbeit hat mich dann mitgerissen.
Was haben Sie gegenüber der Vorlage verändert?
Pigor: Wir haben die Frauenrollen aufgewertet. Die sind in der Romanvorlage zu sehr Dreißigerjahre, so etwas möchte man heute nicht mehr sehen. Hilde, die Tochter des echten Millionärs Tobler, kommt im Roman erst im letzten Viertel ins Spiel, sieht Fritz Hagedorn, dem falschen Millionär in die Augen und will ihn vom Fleck weg heiraten. Bei uns ist Hilde eine geschäftstüchtige Frau, die ihre eigenen Ziele verfolgt. Die Hausdame, Frau Kunkel, bekommt eine Liebesgeschichte, und die beiden Kästner-Vamps, die hinter dem jungen Hagedorn her sind, haben wir zu einer ziemlich schillernden Figur zusammengefasst. Und wir haben Kästner, also Hagedorn, die Mutter weggenommen. (Lacht schelmisch.) Die darf bei uns nur mit Telefonanrufen nerven.
„Drei Männer im Schnee“ beruht ja auf der Erzählung „Inferno im Hotel“, die davon handelt, dass sich der Gewinner eines Hotelaufenthalts, ein einfacher Arbeiter, am Ende umbringt, weil er so schlecht behandelt worden ist. Wie aktuell ist diese „Kleider machen Leute“-Thematik – und wie verträgt sie sich mit der leichten Muse?
Pigor: Die erste Fassung aus den Zwanzigerjahren war sehr sozialkritisch, keine Frage. Aber Kästner selbst hat die Geschichte ja schon entschärft, als er den Roman im Jahr 1934 geschrieben und in der Schweiz veröffentlicht hat, er hatte ja unter den Nazis Schreibverbot. Die verschiedenen Adaptionen des Stoffes spiegeln den jeweiligen Zeitgeist wider, von den ersten Verfilmungen in den Dreißigern über den Film von Kurt Hoffmann bis zu dem von Alfred Vohrer aus dem Jahr 1974, der viel über den Zustand des deutschen Kinos in dieser Zeit sagt. Was wir versucht haben, ist, die Geschichte in der Entstehungszeit des Romans spielen zu lassen – aber mit unserem Blick auf diese Zeit, auch mit dem Wissen, was danach geschah. Deshalb schwingt bei uns, wenn auch nur im Hintergrund, das Aufkommen des Nationalsozialismus mit.
Nun hatte Kästner ja einen unverwechselbaren Stil – wie passt man sich da als Stückautor an?
Pigor: Na ja, ich habe ja selber eine gewisse Handschrift, die man in den Songtexten wohl oder übel wiedererkennt. Ich habe aber versucht, in den Dialogen möglichst viele Original-Sätze von Kästner einzubauen. Ich hatte eine Liste mit Zitaten, von denen ich eine ganze Reihe unterbringen konnte, auch aus anderen Werken.
Wie hat man sich die Produktion musikalisch vorzustellen?
Pigor: Dazu ist zu sagen, dass wir die Musik zu viert komponiert haben – Benedikt Eichhorn, Christoph Israel, Konrad Koselleck und ich. Benedikt und ich kommen vom Chanson, Christoph von der Klassik und Konrad vom Jazz, dadurch war es uns möglich, unsere Adaption in vielen musikalischen Farben zu malen, ein bisschen „Weißes Rössl“, ein bisschen Kurt Weill, ein bisschen Zarah Leander, ein bisschen Duke Ellington. Alles orientiert am Sound der Dreißigerjahre, wobei uns bewusst ist, dass diese Musikstile damals nie gleichzeitig auf derselben Bühne zu hören gewesen wären.
Sie sind als Kabarettist ein „Bühnentier“ – wie schwer fällt es Ihnen, nicht selbst in die Regie einzugreifen?
Pigor: Als Autor bin ich Gott, der jede Figur vom Mann zur Frau werden oder sterben lassen kann. (Lacht.) Mir ist aber bewusst, dass ich mich als Autor im Laufe des Inszenierungsprozesses von meinen Hirngespinsten verabschieden muss. Die Inszenierung, die man als Autor im Kopf hat, wird man nie auf der Bühne sehen. Entscheidend ist, ob ein Regisseur die Vorlage ernst nimmt. Und da muss ich Josef Ernst Köpplinger wirklich loben. Auch für seinen Überblick, für die Art und Weise, wie er das Ensemble führt. Er hat für viele Situationen wunderbare Lösungen gefunden, die ich mir so nicht hätte ausdenken können. Dabei zuzusehen, wie da etwas Neues entsteht, ist für mich faszinierend.
Was bedeutet Ihnen persönlich Erich Kästner?
Pigor: Ich schätze seine Kinderbücher, weil er Kinder als selbstständig agierende Menschen behandelt. Da war er zu seiner Zeit ein Pionier. Ich schätze ihn als Lyriker, auch seine politischen Gedichte. Sein Blick auf die Dinge, seine Formulierungskunst – da ist vieles bis heute aktuell.
Können Sie sich noch an Ihre erste Begegnung mit einem Text von ihm erinnern?
Pigor: Ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr, ob ich als Kind „Emil und die Detektive“ oder ein anderes seiner Kinderbücher gelesen habe. Aber ich erinnere mich daran, dass wir in der Schule im Unterricht die „Sachliche Romanze“ durchgenommen haben. Ich fand das Gedicht super und habe es als Sechzehnjähriger mit meiner Gitarre vertont. Kann sein, dass ich als Kind „Das doppelte Lottchen“ im Fernsehen gesehen habe, aber damals war mir nicht klar, dass das von Kästner ist.
Das Gespräch führte Rudolf Ogiermann.