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Jeff Beck ist tot: Der Größte an der Gitarre

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Von: Michael Schleicher

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Jeff Beck war einer der einflussreichsten Gitarristen der Welt. Nun ist der Brite mit 78 Jahren an einer bakteriellen Meningitis gestorben. Nicht nur die Musikwelt ist schockiert. Unser Nachruf:

Diesen Mann als „maulfaul“ zu beschreiben, ist genauso untertrieben wie grundfalsch. Ja, es mag sein, dass Jeff Beck auf der Bühne kaum redete – bei seinem letzten Konzert in München im vergangenen Sommer dauerte es eine halbe Stunde, bis er die mehr als 6000 Menschen in der Tollwood-Musikarena kurz (natürlich kurz, was sonst?) begrüßte. Und 2018 bei seinem hinreißenden, krachend lauten und stilistisch vogelwilden Abend im Circus Krone sagte er überhaupt kein Wort. Stattdessen erzählte der Brite umso mehr mit seiner Gitarre, er ließ seine Fender Stratocaster singen, seufzen, säuseln, schreien. Er spielte fast immer ohne Plektrum – der Daumen erlaubte ihm schließlich mehr Gefühl beim Anschlag der Saiten. Kleiner Finger und Ringfinger hielten stets Kontakt zum Tremolohebel, den er ausgiebig und elegant nutzte. Jeff Beck war fasziniert von den technischen Möglichkeiten seines Instruments; er erforschte sie immerfort. Und es faszinierte, was er dabei entdeckte, wie er Töne perlen, schweben, aufsteigen, ineinander verschwimmen ließ.

British guitarist Jeff Beck dead at 78
Der Saiten-Hexer: Sein gefühlvoller Anschlag und seine Experimentierlust machten Jeff Becks Spiel unverwechselbar. © Kabir Dhanji

Jeff Beck spielte beim Tollwood 2022 zum letzten Mal in München

Jetzt ist diese vielseitige Stimme verstummt. Völlig überraschend ist Jeff Beck, einer der einflussreichsten Gitarristen der Welt und bis zuletzt ein unberechenbarer Saiten-Hexer, mit 78 Jahren gestorben – an einer bakteriellen Meningitis. Die Nachricht hat nicht nur die Musikwelt schockiert. „Der Gitarrenheld aller Gitarrenhelden ist von uns gegangen“, schrieb Sängerin Chrissie Hynde bei Twitter. Stimmt. Doch wie alle Genies hielt Beck nichts von Personenkult. Bei Auftritten versteckte er seine Augen in der Regel hinter einer Pilotenbrille von Ray-Ban – und war zeitlebens der Meinung, er mache „die seltsamsten Geräusche. Darum geht es doch, oder?“

Jeff Beck und Johnny Depp bei einem Konzert
Jeff Beck und Johnny Depp gingen 2022 gemeinsam auf Tour. © Raph Pour-Hashemi

Ja, um nichts anderes ging es. Und es ist eben diese Einstellung, die Becks Musik so spannend machte – und die ihm wohl zugleich den Erfolg im Mainstream verwehrte. 1944 kam er in einem Vorort von London zur Welt. Die Legende will es, dass er als Sechsjähriger im Radio Les Paul gehört und sich von der Mutter das Instrument des US-Gitarristen habe erklären lassen. „Das ist was für mich!“ Die Eltern waren froh, dass der Bub weg war von der Straße. „Ich nehme an, sie dachten: Wenn er die Gitarre hat, geht er wenigstens nicht raus, um zu stehlen“, mutmaßte Beck einst im Gespräch mit dem „Rolling Stone“.

Jeff Beck folgte 1965 auf Eric Clapton bei den Yardbirds

1965 heuerte er als Nachfolger von Eric Clapton bei den Yardbirds an, würgte kurze Zeit mit Jimmy Page die Leadgitarren. Gleich die erste Single mit Beck, „Heart full of Soul“, war ein Knaller; „Over, under, sideways, down“ sowie „Shapes of Things“ ebenso. Und dann hatte er auch bald schon keine Lust mehr. Beck schmiss bei den Yardbirds hin – und startete solo durch; „Beck’s Bolero“ (eingespielt noch zu Band-Zeiten) war ein erstes, schillerndes Signal. Mit der Jeff Beck Group (Rod Stewart als Sänger; Ronnie Wood am Bass) und später dem Trio Beck, Bogert & Appice hatte er zwar starke Formationen für seine musikalische Suche. Doch vor allem war Beck ein Wanderer mit Gitarrenkoffer, experimentierte sehr hörenswert mit Jazzrock und Fusion. Nicht immer eingängig, aber stets überraschend.

Johnny Depp und Jeff Beck veröffentlichten das Album „18“

Dieser Künstler konnte, wollte sich nicht festlegen (lassen). Und zahlreiche Kolleginnen und Kollegen wussten genau diese Eigenschaft zu schätzen. So arbeitete Beck etwa mit Mick Jagger, Roger Waters, Brian May, Paul Rodgers, Stevie Wonder, Joss Stone und ist auf Tina Turners Über-Album „Private Dancer“ zu hören. Erst im vergangenen Jahr griff Ozzy Osbourne, der „Prince of Darkness“, für seine Platte „Patient Number 9“ auf Becks Künste zurück. 2022 erschien zudem das letzte eigene Album des Gitarristen: „18“ nahm er mit seinem Spezl auf, dem Schauspieler und Hobby-Gitarristen Johnny Depp. Die Tour führte beide auch zu einem umjubelten Konzert nach München – und es war schön zu sehen, dass der Hollywood-Star an diesem Abend keinen Zweifel daran ließ, dass Beck die Legende und der wahre Könner ist.

Regeln, so hat der Musiker einmal erklärt, seien ihm wurscht. „Wenn ich nicht in jedem Song mindestens zehn Mal die Regeln breche, habe ich meinen Job nicht anständig erledigt.“ Das aber kann Jeff Beck nun wirklich keiner vorwerfen.

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