„Tatort“ Dortmund: Jörg Hartmann als einsamer Ermittler

Keiner ist vom Schicksal so gebeutelt wie der von Jörg Hartmann gespielte Kommissar Faber aus Dortmund. Frau und Tochter sind schon tot – und dann stirbt auch noch Martina Bönisch (Anna Schudt) in seinen Armen, die geschätzte und am Ende geliebte Kollegin. Wir sprachen mit Hartmann (53) über seinen ersten „Tatort“ als einsamer Ermittler.
Sie haben für die neue Folge Ihres „Tatorts“ das Drehbuch geschrieben. Wollten Sie die Hoheit darüber behalten, wie es mit Faber und dem Team nach dem Tod von Martina Bönisch weitergeht?
Jörg Hartmann: Nein, gar nicht. Eine erste Idee zu der Geschichte, die ich erzählen wollte, hatte ich schon vor fünf Jahren. Da wussten wir natürlich noch nichts von Annas Ausstieg. Als dann klar war, dass sie geht, musste ich zunächst umdenken. Der Kern der Geschichte aber, die von Verlust erzählt, von Menschen und Orten, die verschwinden, ist dennoch geblieben – und passte dann ja auch perfekt zu der ersten Folge nach Annas Ausstieg.
Martina Bönisch bleibt präsent, allein schon dadurch, dass Faber vor lauter Trauer krank ist und nicht arbeiten kann. Warum war es Ihnen wichtig, dass sie in dieser Folge weiterhin vorkommt?
Hartmann: Na ja, Martina Bönisch war mit Faber zusammen die entscheidende Figur in diesem „Tatort“. Wir haben über viele Folgen hinweg die subtile Liebesgeschichte zwischen den beiden erzählt – bis sie dann im letzten Teil, so schien es, zur Erfüllung kommen sollte. Auf dem Höhepunkt ihrer Gefühle passierte also diese Tragödie. Undenkbar, dass wir nach all dem einfach weitermachen, als wäre nichts passiert. Gerade in unserem Format hätte uns das keiner verziehen.
Was meinen Sie mit: Gerade in unserem Format?
Hartmann: Wir haben in unserem „Tatort“ das Innenleben der Kommissare immer seriell weitererzählt. Ich glaube, dass die Zuschauer uns ganz bewusst gucken, weil sie diese horizontale Erzählweise mögen. Das ist ja auch ein Pfund, mit dem man wuchern kann. Wenn man sich einmal entschieden hat, die Geschichten romanhaft zu erzählen, kann man alles, was man gesät hat an dramaturgischen Kniffen und Ideen, irgendwann ernten. Abgesehen davon ist Bönisch einfach unersetzbar.
Konnten Sie die Entscheidung von Anna Schudt verstehen, den „Tatort“ zu verlassen? Waren Sie enttäuscht? Vielleicht sogar sauer?
Hartmann: Ich erfuhr es vom Redakteur damals und war schon ein bisschen geschockt. Ich musste das erst einmal verarbeiten. Andererseits hatte Anna immer gesagt: Allerallerallerhöchstens zehn Jahre macht sie mit. Dann staunt man, wie schnell die Zeit vergeht – aber sie hat es durchgezogen. Und, was wichtig ist: Sie ist nicht gegangen, weil sie sich unwohl gefühlt hätte. Ganz im Gegenteil, der Abschied hat uns allen ganz schön wehgetan. Sie wollte sich freimachen von einem möglichen Stempel, Räume schaffen, um wieder neue Rollen spielen zu können. Von daher kann ich ihre Entscheidung durchaus nachvollziehen. Nur: Jetzt haben wir mit den Folgen zu kämpfen.
Allerdings – Faber, Pawlak und Rosa betäuben ihre Trauer mit einem gescheiten Rausch.
Hartmann: Ja. (Lacht.) Dass sie ihren Schmerz betäuben müssen, empfinde ich als folgerichtig. Ich wollte vor allem, dass die drei mal zusammenkommen und richtig feiern. Ihre Trauer, all ihre Altlasten einfach raustanzen, exzessiv. Das hat für mich etwas Lebensbejahendes – trotz des heftigen Alkohol-Konsums und auch wenn sie einen Kater haben am nächsten Tag. (Lacht.)
Sie haben immer schon intensiv an den Büchern und der Ausgestaltung der Figur Faber mitgewirkt. Wie wichtig ist Ihnen eigentlich die Realitätsnähe dieser Rolle? Oder anders gefragt: Glauben Sie, dass es so einen Faber im echten Leben irgendwo gibt?
Hartmann: Ich glaube vor allem, dass Polizeibeamte generell viele, viele Päckchen zu tragen haben. Das können persönliche Schicksale sein oder die Belastungen, die sich aus dem Beruf ergeben. Und dass das psychologisch aufgefangen wird – das läuft in diesem Land sicherlich noch nicht so rund. Aber natürlich sind wir im „Tatort“ immer im Bereich der Fiktion, wir überhöhen, wir spitzen dramaturgisch zu, und Faber hat, da stimme ich zu, besonders viel abbekommen im Leben. Selbstverständlich ist jedoch auch bei ihm der Anspruch immer gewesen, die Figur authentisch und glaubhaft zu erzählen. Na klar kann man sich fragen, ob er im echten Leben noch im Dienst wäre oder längst suspendiert. Aber mein Gott – worüber reden wir?! Es gibt genügend andere Kommissare, die normaler sind. Ich glaube, wenn man sich auf Faber und den „Tatort“ Dortmund einlässt, hat man einen Genuss damit.
Das Gespräch führte Stefanie Thyssen.
Der „Tatort“ läuft am Sonntag um 20.15 Uhr im Ersten.