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Die Kammerspiele ziehen durch die Stadt

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Von: Michael Schleicher

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„Miunikh-Damaskus“ machte erste Station in Neuperlach mit (v.li.): Kamel Najma, Maja Beckmann, May Al Hares, Kinan Hmeidan und Majd Feddah. © Gabriela Neeb

In Neuperlach, im Hasenbergl, in Fürstenried West und Thalkirchen – hier bauen die Münchner Kammerspiele ihre mobile Theaterbühne auf. Wir waren bei der Premiere des Stücks „Miunikh-Damaskus“ am Hanns-Seidel-Platz in Neuperlach dabei.

Es dauert keine Viertelstunde an diesem Premierenabend, da geht ein wichtiger Teil der Idee auf. Von den Hochhäusern kommt ein Paar über den Hanns-Seidel-Platz in Neuperlach geschlendert; Ende 40, Anfang 50, dunkle Haut. Neugierig bleiben die beiden zunächst hinter den voll besetzten Zuschauerbänken stehen und schauen den fünf Darstellern vorne auf der kleinen Bühne zu. Dann fragen sie leise, ob die letzten beiden Plätze in der Reihe noch frei seien – und verfolgen die sehr persönliche Szenencollage „Miunikh-Damaskus“ bis zum Ende.

„Mir macht es Spaß rauszugehen“, hatte Matthias Lilienthal zu Beginn seiner Intendanz an den Münchner Kammerspielen gesagt. Rauszugehen in die Stadt und Theater an Orte zu bringen, die den Soziologen eher als theaterfern gelten. Nun hat sein Haus also wieder den Thespiskarren (in diesem Fall ein Autoanhänger) aus dem Lager geholt und wandert mit „Miunikh-Damaskus“ durch den öffentlichen Raum. Demnächst machen die Spielleute im Hasenbergl Halt, danach in Fürstenried-West und Thalkirchen; weitere Stationen sollen folgen. Wo die mobile Bühne steht, gibt es begleitend zur Aufführung ein kreatives Kursangebot: Streetart, Gesang, Theaterspiel.

Zur Inszenierung ist ein sehr gelungener Soundtrack erschienen

Regisseurin Jessica Glause, die etwa mit „Und jetzt: Die Welt!“ am Volkstheater begeisterte, hat „Miunikh-Damaskus“ zusammen mit den fünf Darstellern erarbeitet. May Al Hares, Majd Feddah, Kinan Hmeidan und Kamel Najma kommen aus Syrien und sind im Rahmen des „Open Border Ensembles“ Gast an den Kammerspielen; Maja Beckmann aus dem Haus komplettiert die Truppe. Gespielt wird auf einem Hänger, dessen Seitenwände wie bei den Buden auf der Dult von den Darstellern nach oben geklappt werden können. Gespielt wird aber vor allem mit und gegen das alltägliche Treiben um und auf dem Platz: Dort hastet ein Mann in Tracht zur Bushaltestelle, um den 196er zu erwischen (was ihm gelingt), da führt ein Rentner seinen Hund spazieren, hier bringen zwei Frauen die Einkäufe fürs Wochenende nach Hause.

Gesprochen wird ein herrlicher Mix aus Deutsch, Arabisch und Englisch

Mitten im Leben nimmt sich „Miunikh-Damaskus“ also seinen Platz – und behauptet ihn. Unbedingt subjektiv berichten die fünf von Momentaufnahmen aus beiden Städten, gesprochen wird eine herrliche, jederzeit verständliche Mixtur aus Deutsch, Englisch sowie Arabisch. Die Darsteller zelebrieren München-Klischees („Man kann hier einfach leben und hat Geld, ohne zu arbeiten“) und kontrastieren diese immer wieder mit Beobachtungen aus dem Krieg. In Syrien sei glücklich, wer eines natürlichen Todes sterbe – „his Body is still one Piece“. Die syrischen Schauspieler erzählen auch von sich, ihren Ängsten, Wünschen, Träumen. Kamel Najma etwa synchronisierte in Damaskus vor dem Krieg Filme wie „Alvin und die Chipmunks“ und „Ice Age“: Ohne Papiere sei seine Stimme damals um die Welt gereist. Solche persönlichen Geschichten sind die Stärken des 80 Minuten langen Abends. Manchmal jedoch, etwa wenn die – natürlich empörend ungerechten – Zusammenhänge der Weltwirtschaft erklärt werden, wird es arg didaktisch und schwerfällig.

Verwoben ist „Miunikh-Damaskus“ durch Kinan Hmeidans Musik, die den Pulsschlag der Städte aufnimmt. Der Schauspieler arbeitet auch als DJ und organisiert in seiner Heimat geheime Partys, bei denen er auflegt. Und vielleicht macht diese Episode am meisten Mut: Dass sich trotz Krieg und Lebensgefahr genug Menschen finden, die beim Tanzen sich und das Leben feiern.

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