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Mord unter weiß-blauem Himmel

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Düsteres Oberbayern: Mit diesem Foto auf dem Titel von Martin Schüllers Buch "Tod in Garmisch" sollen Krimi-Leser auf den Fall um eine Leiche in der Partnachklamm einstimmen.
Düsteres Oberbayern: Mit diesem Foto auf dem Titel von Martin Schüllers Buch "Tod in Garmisch" sollen Krimi-Leser auf den Fall um eine Leiche in der Partnachklamm einstimmen. © Verlag

Die Verlage entdecken den Regional-Krimi als Kassenschlager – auch in Bayern häufen sich literarische Verbrecherjagden.

Unter dem weiß-blauen Himmel der Bayern, hinter den Lüftlmalereien des Oberlandes finden menschliche Niedertracht und Verbrechen genauso gut ihren Platz wie anderswo. Nur ist hier die Szenerie pittoresker. In Martin Schüllers Oberbayern-Krimi „Tod in Garmisch“ zum Beispiel treibt eine Leiche in einem Strudel in der Partnachklamm. Verbrechen, meint Krimiautor Schüller, der in Köln lebt, passieren überall. Der Schauplatz sei nur die Leinwand, vor der die Geschichte spielt. Bayern freilich, die Berge, die Menschen, die nicht so unfreundlich seien, wie es dem Rheinländer erscheine, sondern nur weniger redeten: „Das ist für mich etwas Exotisches.“

Gleichwohl hat Martin Schüller Freunde in der Garmischer Gegend. Und als dann der Regional-Krimi-Verlag Emons bei ihm anfragte, ob er nicht einen Oberbayern-Krimi schreiben könne, begab er sich vor Ort und recherchierte: Der Autor besuchte die Polizeistation in Garmisch-Partenkirchen, befragte die Menschen dort. „Vor allem“, meint Schüller, „muss man die Atmosphäre atmen.“ Verleger Hejo Emons sagt, ein Regional-Krimi sei einer, in dem man etwas erfahre über „den Geruch der Gegend“, den Ort und die Leute die dort leben.

1984 hat Emons den ersten „Köln-Krimi“ verlegt. Mittlerweile deckt der Verlag die ganze Republik mit seinen Krimis ab. „Nur im Osten sind noch ein paar Lücken“, räumt Emons ein. Gelesen werden seine Bücher von den Bewohnern der jeweiligen Gegenden, die sich freuen, wenn sie Schauplätze und typische Phänomene wiedererkennen.

Das Prinzip Regional-Krimi funktioniert inzwischen so gut, dass auch große Krimi-Verleger ihren Büchern eine Ortsangabe in den Untertitel setzen, um damit um Leser zu buhlen: Es ist ein florierender, umkämpfter Markt.

Martin Schüller hat schon Krimis über Köln, Düsseldorf und Hessen geschrieben. Jetzt also atmet er den Geruch Bayerns. Dabei ist ihm wahrscheinlich aufgefallen, dass, wenn man auf einem Bauernhof um etwas zu Trinken bittet, ein Glas Milch und ein schwarzgebrannter Enzian auf den Tisch kommen. So jedenfalls passiert es in „Tod in Garmisch“. Auch haben die Figuren der Geschichte Namen, die für preußische Ohren drollig sein müssen: Hausl, Viggerl, Reserl, Wastl und dergleichen. Die der bayrischen Sprachfärbung eigene Gewohnheit, zu solchen Namen den Artikel dazuzugeben, übernimmt Schüller leider nicht. Vor der zünftigen Kulisse klingt es daher ein bisschen steif, wenn es ständig heißt, jemand müsse „mit Wastl reden“, statt „mit dem Wastl“.

Solcher Tücken wegen hat sich Schüller für die Übertragung der wörtlichen Rede in Schriftsprache Hilfe geholt, vom Holzkirchner Autor Michael Johann Maria Thalhauser. Abgesehen von arg typisierten Details hat Schüller viel Richtiges beobachtet: Wie Familienfehden, so erbittert sie auch ausgetragen werden, vor zudringlichen Fragen Fremder in seltener Einigkeit verborgen werden. Mit welcher Mischung aus Misstrauen und heimlicher Bewunderung zugereiste Preußen beobachtet werden, in „Tod in Garmisch“ etwa der Düsseldorfer Privatdetektiv Jo Kant.

Auf die Frage, warum die Leute über etwas lesen wollen, das sie kennen, antwortet der Verleger Emons: „Naheliegt, was nahe liegt.“ Gerade in Zeiten von Globalisierung und weltweiter Krise sei ein Bedürfnis nach Rückzug ins Bekannte spürbar. „Regional-Krimi“ scheint hauptsächlich ein verkaufsförderndes Label zu sein. Einen erzählerischen Hintergrund kann Schüller jedenfalls nicht entdecken. „Aus schriftstellerischer Sicht ist das Regionale eher einschränkend“, sagt er. Übernationale Verbrechen kaufe man amerikanischen oder skandinavischen Schriftstellern ab. Deutschen Autoren glaube das Publikum solche Geschichten nicht. Nichtsdestotrotz kann Schüller sich vorstellen, eine Fortsetzung zu „Tod in Garmisch“ zu schreiben. Schließlich hat er darin etwas geschaffen, was er für „revolutionär“ hält: einen glücklich verheirateten Kommissar. Und damit macht er vielleicht den Rückzug ins Vertraute, Gemütliche und Private perfekt.

Martin Schüller: „Tod in Garmisch – Ein Oberbayern-Krimi“. Emons Verlag, Köln, 269 Seiten; 9,90 Euro.

von Marie Schmidt

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