München: Alter! Diese Ausstellung hinterfragt den Jugendwahn

Die Eres-Stiftung München beleuchtet in der Ausstellung „Alter + Ego“ unseren Umgang mit Jugendwahn & Selbstoptimierung. Sehenswert!
Die Frage ist ja: Will man das? Ein Leben lang so aussehen wie in Jugendjahren. Ewig faltenfrei, ewig straff, ewig jung. Süßwasserpolypen namens Hydra machen’s vor. Die Hydra stirbt nicht, sondern verjüngt sich stetig durch Teilung, das ältere Muttertier ist nicht vom Tochtertier zu unterscheiden. Noch so eine schräge Vorstellung: Auch mit 60 aussehen wie die eigene Tochter, die gerade 30 wird. Ist nicht nur für den Vater doch irgendwie verwirrend.
Am Ende eines Besuchs der Ausstellung „Alter + Ego“ in der Eres-Stiftung in München sind da also vor allem: Zweifel. Schmunzeln auch darüber, wie viel Zeit man damit verschwenden kann, Zeit zu gewinnen. Durch unermüdliche Selbstoptimierung. Bis zur Selbstaufgabe.

Stefan Panhans hat unser ständiges Streben nach Perfektion mit seiner Installation „UP! UP!! UP!!!“ sehr treffend in Salzteig gebacken. Von Ferne sieht sie aus wie eine Kletterwand. Der Clou steckt in den Zutaten. Als hätte Stefan Panhans sie aus Instagram-Fotos von „Bowls“ zusammengesammelt, wie sie jeder, der besonders gesund daherkommen möchte, mittlerweile zu futtern scheint. Was ist eigentlich aus dem guten alten gemischten Salat geworden? Heute muss alles hübsch in Reihen geschichtet werden und aus „Superfood“ bestehen. Chia-Samen, Bio-Granatapfelkernöl, Curcuma-Extrakt. Panhans’ Klettergriffe beinhalten all das, was angeblich die Leistungsfähigkeit steigert. Damit wir noch höher hinaus, noch weiter up! up!! up!!! kraxeln können. Und was wartet dann ganz oben? Wo liegt das überhaupt, das Ende der Fahnenstange?
Es sind 20 anregende künstlerische Positionen, die es in „Alter + Ego“ zu entdecken gibt. Sie beschäftigen sich mit Epigenetik, Verschmelzen von Mensch und Maschine, Transhumanismus. Dem Ringen um die Frage: Sollte man die eigene Vergänglichkeit hinnehmen und den Moment auskosten – oder im ständigen Kampf alles daran setzen, den eigenen Verfall aufzuhalten?

Sehr amüsant hinterfragt das Designstudio Superflux mit einem Kurzfilm digitale Hilfsmittel zur persönlichen Leistungssteigerung. In „Uninvited Guests“ sehen wir einen Mann, dem seine Kinder ein „Smart Home“ eingerichtet haben. Schlafzeiten, Bewegung, Vitalfunktionen – alles wird technisch überwacht. Theoretisch. Doch der Senior trickst die Maschinen aus. Lässt seinen Nachbarn gegen Bezahlung die geforderten Schritte gehen; legt zur Schlafenszeit Bücher aufs Bett, um das eigene Körpergewicht vorzugaukeln. Kopfschüttelnd und lachend schaut man das an. So weit wird’s noch kommen, dass man sich gegenüber den Computern rechtfertigt!
Am Abend blinkt das eigene Smartphone. Mahnend. Die Schrittzahl an diesem Tag sei niedriger als am Tag zuvor. „Na und?“, wäre – natürlich – die passende Reaktion nach dem Besuch dieser klugen Schau. Und doch marschiert man – natürlich – noch eine Runde um den Block. Schöne neue bescheuerte Welt.
Bis 29. Oktober 2022 in der Eres-Stiftung, Römerstraße 15, München; Do. 14-18 Uhr, Sa. 11-18 Uhr und nach Vereinbarung unter 089/ 3887 9079. Weitere Infos gibt es hier